Haruki Murakami: Die Ermordung des Commendatore 2. Eine Metapher wandelt sich

  • Haruki Murakami: Die Ermordung des Commendatore 2. Eine Metapher wandelt sich

    DuMont Buchverlag 2018. 496 Seiten

    ISBN-10: 383219892X

    ISBN-13: 978-3832198923. 26€

    Originaltitel: Kishidancho goroshi

    Übersetzerin: Ursula Gräfe


    Verlagstext

    Menshiki gibt ein zweites Bild in Auftrag: Der junge Maler soll die 13-jährige Marie porträtieren. Das Mädchen, so glaubt Menshiki, könnte seine Tochter sein. Während der Sitzungen entwickelt sich allmählich ein vertrautes Verhältnis zwischen dem Ich-Erzähler und seinem Modell. Marie ist eine aufmerksame Beobachterin, und so hat sie vieles, was sich rund um das Haus des Malers abspielt, bemerkt. Eines Tages ist Marie verschwunden. Der Ich-Erzähler ist überzeugt davon, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen ihrem Verschwinden und dem Gemälde ›Die Ermordung des Commendatore‹. Darüber könnte ihm allerdings nur der alte, demente Maler des Bildes Aufschluss geben. Wozu ist ein Mensch fähig, von dem er nichts ahnt und das er weit von sich weisen würde? Diese Frage stellt sich der junge Maler, als er erfährt, was er tun muss, um Marie zu finden. Wäre er bereit, einen Menschen zu töten?


    Der Autor

    Haruki Murakami, 1949 in Kyoto geboren, lebte über längere Zeit in den USA und in Europa und ist der gefeierte und mit höchsten Literaturpreisen ausgezeichnete Autor zahlreicher Romane und Erzählungen.


    Inhalt

    Was im ersten Band geschah:

    Ein junger namenloser Porträtmaler bewohnt als Haussitter ein einsam gelegenes Haus in der Nähe von Odawara, das dem Vater eines Malerkollegen gehört. Er findet auf dem Dachboden ein einziges geheimnisvolles Gemälde, „Die Ermordung des Commendatore“. Zwischen der Familiengeschichte der Hausbesitzer Amada (Masahiko Amadas jüngerer Bruder nahm 1937 an der Eroberung von Nanjing teil) und dem Gemälde könnte es einen Zusammenhang geben. In der Folge wird auf dem Grundstück des Hauses unter einem Tumulus eine sorgfältig gemauerte Grube freigelegt, die für einen Brunnenschacht zu groß erscheint. Seit der Freilegung des Schachts geschehen im Haus sonderbare Dinge. Der Nachbar Wataru Menshiki gibt beim Icherzähler ein Porträt der dreizehnjährigen Nachbartochter in Auftrag, für deren Vater er sich hält.


    Inhalt Band 2

    Übergangslos folgt im zweiten Band das nächste Kapitel; sehr ausführliche Rückblicke zu den vorhergegangenen Ereignissen werden in die Handlung eingebunden. Marie Akikawa, ein puppenhafter, kunstinteressierter Teenager erscheint mit ihrer Tante Shoko als Anstandsdame weiterhin zu Sitzungen für ihr Porträt. Marie und der Maler scheinen Seelenverwandte zu sein, verbunden durch den frühen Tod eines nahestehenden Menschen. Der Ton, in dem der Icherzähler die körperliche Entwicklung seines dreizehnjährigen (!) Models beschreibt, ließ mich hoffen, dass die Sitzungen bald ein Ende finden und beim Maler endlich der Knoten platzt, der seine Vergangenheit und die Geheimnisse des Hauses Amada verknüpft. In der einsamen bewaldeten Gegend scheinen der Maler, die Akikawas und Menshiki weit und breit die einzigen Bewohner zu sein. Menshiki beobachtet von seinem Grundstück aus intensiv seine Nachbarn, Marie kontrolliert dezent eifersüchtig, ob Menshiki um ihre Tante wirbt, das Verhältnis zwischen Maler und Modell könnte ebenfalls als gegenseitige Beobachtung interpretiert werden. Während die magische Kraft der gemauerten Grube und des Waldes deutlicher wird, erscheint Marie eines Tages nicht zu ihrem Malkurs beim Erzähler und verschwindet. Auf der Suche nach ihr betritt der Maler die Unterwelt und damit das Land der Metaphern. Der Commendatore, der aus seinem Gemälde in die Handlung treten kann, fantastische Träume und eine deutliche erotische Symbolik der Landschaft drängten mir trotz meiner westlichen Sozialisation die Überzeugung auf, dass im Umkreis des Hauses Amada Dinge und Landschaft belebt sind und selbstständig handeln. Zeitfalten oder Zeittunnel in den als heilig betrachteten Bergen Japans verwundern in einem derartigen Setting nicht. „Was am anderen Ufer ist, hängt davon ab, was man dort sucht,“ trifft der Mann ohne Gesicht die Verhältnisse exakt.


    Fazit

    Murakami mäandert in seinem zweiten Teil in großen Schleifen durch eine Parallelwelt, scheint um des Erzählens willen zu erzählen und regte mich zu allerlei Assoziationen zum Thema Natur und Unterwelt an. Wenn zwischen dem Erscheinen von Band 1 und 2 einige Monate vergehen, können Wiederholungen recht angenehm sein. Wer beide Bände direkt aufeinander folgend liest, wird von dem Konzept aus zwei Bänden zu je 500 Seiten weniger begeistert sein. Mir hätte ein kürzerer Text in einem Band besser gefallen, deshalb Punktabzug für Band 2 wegen der ausschweifenden Wiederholungen.


    7 von 10 Punkten

  • Tja, leider wurden meine Befürchtungen wahr und der Autor bemüht sich gar nicht erst um die Auflösung der zahlreichen Mysterien.

    Trotzdem haben mich die beiden Bände (im japanischen Original als ein Buch erschienen) sehr gut unterhalten.

    Ist das jetzt gut oder schlecht?


    Bei Murakami ist, wie ich es nur immer wieder sagen kann, der Weg das Ziel. Wenn man erst mal in die Handlung eingetaucht ist, reißt sie einen mit und die Seiten lesen sich wie im Flug. Man freundet sich mit den (häufig etwas überzeichneten) Protagonisten an, will mehr über die mysteriösen Vorfälle erfahren und wird dabei von dem wunderbar flüssigen Schreibstil Murakamis durch die Handlung geleitet.

    Nur eine zufriedenstellende Auflösung bleibt er seinen Lesern schuldig.


    Ich dachte bereits bei Band 3 von 1Q84, als der Autor die komplette Handlung noch mal aus der Sicht eines Nebenprotagonisten dargestellt und die Fäden irgendwie zu einem Ende zusammengefügt hat, dass er den großartigen, ersten beiden Bänden damit etwas von Ihrem Glanz genommen hat und von einer großartigen Geschichte schließlich 'nur ein guter' Murakami übriggeblieben ist.


    Bei 'Die Ermordung des Commendatore' ist es hingegen so, als hätte die Geschichte von 1Q84 einfach abrupt bei Band 2 aufgehört und der Leser wäre mit all seinen Fragen alleine stehengelassen worden.


    Trotzdem habe ich den Ausflug in die Berghütte sehr genossen und beim Lesen meinen Spaß gehabt, auch wenn meine hohen Erwartungen mit diesem Abschluss (wie hervorgesehen) enttäuscht wurden.


    Von mir gibt es 6/10 Punkten.