Alexandra Tischel: Affen wie wir. Was die Literatur über uns und unsere nächsten Verwandten erzählt
Verlag: J.B. Metzler 2018. 218 Seiten
ISBN-10: 3476045986
ISBN-13: 978-3476045980. 19,99€
Verlagstext
Was macht uns eigentlich zum Menschen? Wer darüber nachdenkt, landet heute unweigerlich bei den Menschenaffen. Alexandra Tischel sucht die Antwort auf die Grundfrage des Menschseins nicht allein in der Wissenschaft. Sie geht neue Wege und entdeckt, was die Literatur über uns und sie zu sagen hat. Klassiker wie E.T.A. Hoffmann und Franz Kafka, aber auch aktuelle Erfolgsautoren wie Peter Hœg und J. M. Coetzee, entwerfen faszinierende Affenfiguren, die mit Menschen in Kontakt treten, die Grenzen zwischen den Arten überschreiten und Befremdendes, Kurioses, Unerhörtes erleben. Ihre Geschichten zeigen, dass die Literatur kreative und ebenso wichtige Antworten auf die zentrale Frage geben kann.
Die Autorin
Alexandra Tischel ist Literaturwissenschaftlerin an der Universität Stuttgart und hat u. a. veröffentlicht „Wissenschaft und Geschlechterdifferenz 1890-1945“.
Inhalt
Warum forscht eine Literaturwissenschaftlerin über Primaten in der Literatur und nicht über ein anderes Säugetier, das Romanleser fesselt oder befremdet? Die Darstellung von Tieren sage vor allem etwas darüber aus, wie wir Menschen uns sehen und wovon wir uns abgrenzen, so Alexandra Tischel, Primaten hätten dabei von jeher eine besondere Rolle gespielt. Das Abgrenzungsbedürfnis sei Teil der Faszination.
Tischel befasst sich in ihrer Analyse mit Differenzen zwischen Menschen und Primaten am Beispiel von Sprache, Erinnerung, Bewusstsein über den Tod, mit Nachahmung bei Mensch und Tier, sowie Grenzüberschreitungen und utopischen Modellen in der Literatur. Als Primärliteratur zieht sie Romane und Erzählungen des 18. (Schnabel, Voltaire), 19. (Flaubert, E.T.A. Hoffmann, Wilhelm Raabe), 20. (Will Self, Peter Høeg) und 21. Jahrhunderts (J.M. Coetzee, Yann Martel) heran.
Wilhelm Raabes Erzählung "Der Lar" (1989) hatte ich als humorvolle Abrechnung mit dem Darwinismus längst nicht mehr auf dem Schirm. Utopische Klassiker wie Schnabels "Insel Felsenbug" (1731-1743) sind offensichtlich mehr als einen Blick wert. William Boyds "Brazzaville Beach" (1990) verarbeitet u. a. Jane Goodalls Beobachtungen an Affengruppen in Gombe und kann hier für Forschungsergebnisse über Aggression unter Tieren stehen, die bis dahin nicht für möglich gehalten wurden. Die Erkenntnis, dass Primaten Werkzeuge einsetzen und diese Kompetenz geduldig an Jungtiere weitergeben, steht für einen Wandel in der Beurteilung unserer Artverwandten und sagt mehr über menschliche Annahmen aus als über die Spezies, die erforscht wurde. Die Frage, ob Primaten Menschen nachahmen oder Fähigkeiten sich unabhängig voneinander entwickelt haben könnten, scheint noch nicht endgültig beantwortet zu sein. Hilfreich war für mich die Interpretation von Coetzees "Elisabeth Costello" (2003), ein Roman, der sich mir als Laie bisher sperrte mit seiner Sicht darauf, wie es sich anfühlen könnte Affe zu sein.
Mit Druck in zwei Farben, Kapitelüberschriften in der Fußzeile, Primär- und Sekundärliteratur-Verzeichnis liegt mit "Affen wie wir“ ein optisch wie bibliografisch sorgfältig gestaltetes Buch vor mit Zugangs-Code für die ebook-Version.
Fazit
Alexandra Tischels Darstellung von Primaten in der Literatur bildet eine Schnittstelle von Literaturwissenschaft und Verhaltensforschung und kann auch den Horizont interessierter Laien mit Sicherheit erweitern.