Susanne Jansson: Opfermoor
C. Bertelsmann Verlag 2018. 320 Seiten
ISBN-10: 3570103366
ISBN-13: 978-3570103364. 15€
Originaltitel: Offermossen
Übersetzer: Lotta Rüegger und Holger Wolandt
Verlagstext
Ein sagenumwobenes, abgelegenes Moor inmitten der Wälder und Seen Schwedens: Hier entnimmt die junge Biologin Nathalie Proben für ein Forschungsprojekt - und findet kurze Zeit später einen Mann, der brutal zusammengeschlagen im Sumpf liegt. Direkt daneben eine von Hand ausgehobene, etwa zwei Meter lange Grube. Ein vorbereitetes Grab? Ein Hinweis auf die Menschenopfer, die in der Eisenzeit hier erbracht wurden? Zusammen mit der Polizeifotografin Maya versucht Nathalie, die Geschehnisse aufzuklären. Dabei stoßen die beiden Frauen auf weitere Leichen im Moor und finden heraus, wie unheilvoll die Bewohner des Ortes in die Vorfälle verstrickt sind … Opfermoor ist ein suggestiver Spannungsroman der Extraklasse. Das zwischen Faszination und Unheil schillernde Moor wird dabei selbst zu einer Hauptfigur. Seiner Präsenz und Sogwirkung kann sich der Leser nur schwer entziehen.
Die Autorin
Susanne Jansson, 1972 geboren, arbeitete in Göteborg und New York als Journalistin und Fotografin. Opfermoor ist ihr erster Roman, der in Schweden zu einem überragenden Erfolg wurde und sich noch vor Erscheinen in über 20 Länder verkaufte.
Inhalt
Es ist Herbst in Mossmarken, als Nathalie in Sichtweite des Moorgebiets eine einfache Ferienhütte mietet, um die letzten Feldstudien für ihre Promotion in Biologie über die Wirkung von Treibhausgasen auf Moorlandschaften durchzuführen. Zunächst erkennt niemand die junge Frau, die als Kind in dem kleinen Ort in der Nähe des Vänersees gelebt hat. Nur zögernd freundet sich Nathalie mit Johannes an, der täglich an ihrem Häuschen vorbei joggt. Johannes studiert an einer Kunstschule, ist zurückhaltend und interessiert an Nathalies Arbeit. Nathalies ungewöhnliches Beharren darauf, in einer jungen Liebesbeziehung um jeden Preis die Kontrolle zu behalten und die Information, dass sie nicht bei ihren leiblichen Eltern aufgewachsen ist, ließ mich sofort vermuten, dass ein unverarbeitetes Trauma sie belastet. Sie scheint außer ihrer Promotion in der moorigen Gegend etwas Düsteres zu planen, einen Knoten durchschlagen zu wollen und dennoch ihren eigenen Motiven zu misstrauen. An einem stürmischen Abend wird Johannes beim Abkürzen seiner Joggingstrecke über den Bohlenweg im Moor zusammengeschlagen und schwer verletzt.
Die Ermittlungen in Johannes Fall führt Leif Berggren durch, ein Inspektor kurz vor der Pensionierung. Als halboffizielle Assistentin arbeitet die Polizeifotografin Maya Linde mit Berggren zusammen, die frisch von einem USA-Aufenthalt nach Mossmarken zurückgekehrt ist. Nach einer Phase der Abwanderung entpuppt sich die junge Kunstszene im Ort gerade als Besuchermagnet für Touristen. Für eine Fotoausstellung über das Moor schmiedet Maya bereits Pläne. Susanne Janssons Roman bezieht aus diesem Setting seine für die Gegend originelle Besetzung. Während Johannes noch immer bewusstlos ist, wird im Moor ein Toter in moderner Lederjacke gefunden.
Moorleichen haben die Menschen schon immer fasziniert. Wenn in einem Moorgebiet Torf zum Heizen abgebaut wird, ist es eigentlich logisch, dass dabei Tote entdeckt werden, da Moorboden Leichen dauerhaft konsumiert. Dass der tote Lederjackenträger einen Beutel bei sich hatte mit Goldzehnern, auffälligen Zehnkronenstücken, weckt im Ort nun das Raunen um Wiedergänger aus dem Moor. Bewohner von Moorgegenden glaubten, dass die Seelen der Toten in einem Moor nicht zur Ruhe kommen und die Toten sich deshalb weitere Opfer zu ihrer Besänftigung holen. Für einen so kleinen Ort ist um den Gutshof von Mossmarken auffällig viel passiert. Nachdem eine Moorleiche aus der Eisenzeit geborgen und ins Museum gebracht wurde, verschwanden schon mehrere Einwohner. Wenn Nathalie sich daran erinnert, wie als Kind sie mit ihrer besten Freundin verbotenerweise im Moor spielte, kann es einem beim Lesen kalt den Rücken herunterlaufen.
Nathalie gibt lange nicht zu erkennen, dass sie als Kind hier gelebt hat und die unheimlichen Ereignisse in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft passierten. Während sie als Wissenschaftlerin beschreibt, was sie wahrnimmt, entsteht das Bild einer Frau, die in den Naturwissenschaften den Rückhalt sucht, den ihr das Leben nicht geben konnte. Nathalies Begegnung mit Göran, dem Nachbarn ihrer Eltern, treibt sie schließlich dazu, endlich ihre Erinnerungen zuzulassen an das, was sie als Kind miterlebte. Göran war früher Professor für theoretische Physik und lebte schon Nathalie Kindheit in einer Welt der Gespenster und des Übernatürlichen. Er beharrt er darauf, dass mit Mossmarken etwas nicht stimmt.
Susanne Jansson schafft in ihrem Erstlingsroman, der in Deutschland nicht als Krimi vermarktet wird, mit einfachen, klaren Sätzen ein stimmungsvolles Bild der herbstlichen Landschaft zwischen Dalsland und Värmland. Während man als Leser leichtfüßig durch die Seiten gleitet, entfaltet sich vor einem das Wissen unterschiedlicher Figuren über Moore, Moorleichen und die regionalen Überlieferungen. Ausgerechnet zwei Naturwissenschaftler befassen sich intensiv mit dem Übergang von Realität und spirituellem Erleben, von historischen zu aktuellen Ereignissen. Beobachtungen, Ängste und Vermutungen verflechten sich zu einer düsteren Szenerie, die durch Nathalies Leben in einer einfachen Hütte intensiviert wird. Die Verarbeitung von Nathalies Kindheitserlebnissen könnte man als Überwindung von Grenzen betrachten, aber auch die eigene Einschätzung von Gefahren. Erlebe ich in der Handlung eher vertraute Personen als Gefahr oder auffällige Exzentriker? Neben der besonderen Atmosphäre von Herbsttagen in einer Moorgegend hat mich besonders fasziniert, wie Nathalie Dinge und Vorgänge als belebt wahrnimmt. Das Moor, Wetterscheinungen, aber auch Häuser, nehmen Kontakt zu ihr auf, so dass ich sie mir als Lebewesen vorstellte, die ihre Arme nach ihr ausstrecken. „Sie ließ sich von der Umgebung mustern.“ (S. 115) Der Prolog zeigte sich als tückischer Antreiber, weil ich unbedingt wissen wollte, auf welchen der geschilderten „Fälle“ sich die Szene bezieht. Da die Anwohner von Mooren von Jansson als ungewöhnlich sensibel dargestellt werden, schieße ich nicht aus, das es sich bei den Zeugen im Prolog um Moorgeister oder Feen handeln kann.
Fazit
Ein originelles Setting in einer bisher dünn besiedelten Gegend, ein Kindheitstrauma, unkonventionelle Ermittlungsmethoden und unterhaltsam servierte Fakten über Moore fügen sich hier zu einem unerwartet runden Erstlingsroman.
10 von 10 Punkten