Titel: Gar alles oder Briefe an eine unbekannte Geliebte
Autor: Martin Walser
Verlag: Rowohlt
Erschienen: März 2018
Seitenzahl: 112
ISBN-10: 3498074008
ISBN-13: 978-3498074005
Preis: 18.00 EUR
„Jede Wahrheit hat das Zeug zur Lüge.
Und:
Lügen sind Irrtümer, die man absichtlich begeht.“
"Was, bitte, wäre
ich lieber als ich? Alles andere als ich."
Das sagt Justus
Mall, der früher einmal anders hieß. Oberregierungsrat war er,
zuständig für Migration, aber dann kam der Tag, an dem er etwas
Unbedachtes machte, und seitdem ist er Philosoph, zuständig für
alles und nichts.
Ein Mann schreibt in einem Blog an eine unbekannte Geliebte. So versucht er eine Nähe zu finden, die meint, sonst nicht finden zu können. Er kennt diese Geliebte nicht, weiß nicht, ob sie seinen Blog überhaupt liest, ob er überhaupt gelesen wird.
Er liebt zwei Frauen. Und so beginnt er diesen Blog zu schreiben, weil man ja nun einmal nicht zwei Frauen lieben kann – oder vielleicht doch? Und natürlich weiß er auch, dass diese unbekannte Geliebte nichts weiter ist als eine Illusion – und so schreibt er eben „ins Blaue hinein“.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bezeichnete Martin Walser als den „Gewährsmann für Liebe, Ehe, Glaube und deutsche Befindlichkeiten, ein Lustwandler seiner Ausdruckswelt“. Eine Beschreibung, der eigentlich nichts hinzuzufügen ist.
Martin Walser ist ohne Frage ein Künstler der Sprache, eine Virtuose des geschriebenen Wortes. Das beweist er mit diesem Roman einmal wieder aufs Neue. Walser kann Gefühle und Empfindungen beschreiben ohne dabei in Kitsch, Oberflächlichkeiten oder Banalitäten abzugleiten – ganz im Gegenteil zu irgendwelchen Schreiberlingen der ChickLit Fraktion, die oftmals durch ihr Dümmlichkeiten unfreiwillig saukomisch sind.
Martin Walser macht mit diesem Roman deutlich, dass Menschen oftmals das Bedürfnis haben mit jemand zu reden, aber eben diesen „Jemand“ nicht haben. Und so schnitzt man sich eben eben einen „Jemand“. Er schafft es, auf 112 Seiten das zu sagen, wozu andere mit 1000 Seiten nicht einmal ansatzweise zu in der Lage sind.
Martin Walser wurde 1927 geboren, ist jetzt als bereits 91 Jahre alt – und es erstaunt mich immer wieder sehr, wie er doch noch auf der Höhe des Geschehens ist, wie er Medien und Instrumentarium beschreibt, mit dem auch viel jüngere Menschen nicht einmal ansatzweise umgehen können.
Ein sehr lesenswerter Roman von einem Autor, der ohne Frage in das obere Drittel der ersten Schriftstellerliga gehört. 8 Punkte.