Anaïs Barbeau-Lavalette: Suzanne

  • Anaïs Barbeau-Lavalette: Suzanne

    Verlag: Eichborn 2018. 384 Seiten

    ISBN-10: 3847906402

    ISBN-13: 978-3847906407

    Originaltitel: La femme qui fuit

    Übersetzerin: Anabelle Assaf


    Verlagstext

    Als Anaïs geboren wird, ist das Band zwischen ihrer Mutter und ihrer Großmutter schon längst zerschnitten. Suzanne Meloche, Künstlerin, Dichterin und Mutter, die ihre zwei kleinen Kinder verlassen hat, ist eine Fremde für ihre Familie. Erst nach dem Tod ihrer Großmutter macht sich Anaïs auf die Suche nach ihren Wurzeln. Sie will wissen, wer diese Frau war, die ihr Leben so rigoros und rücksichtslos geführt hat, und erzählt damit nicht nur ein Leben, sondern auch beinahe ein Jahrhundert kanadisch-amerikanischer Geschichte.


    Die Autorin

    Anaïs Barbeau-Lavalette, 2012 zur Artiste pour la Paix gewählt, wurde 1979 geboren und produzierte als Regisseurin zwei mehrfach ausgezeichnete Dokumentarfilme sowie zwei Spielfilme, Le Ring (2008) und Inch’Allah (2012, ausgezeichnet in Berlin mit dem Fipresci-Preis). Als Schriftstellerin veröffentlichte sie 2011 die Reisechroniken Embrasser Yasser Arafat sowie zwei Romane: Je voudrais qu’on m’efface (2010) und Suzanne. Für Suzanne erhielt sie 2016 den Preis der Buchhändler Québecs …


    Inhalt

    Als Manon Barbeau 1979 ihre Tochter Anaïs zur Welt bringt, steht plötzlich ihre Großmutter Suzanne (* 1926) im Zimmer. Die kanadische Poetin und Künstlerin hat ihre kleinen Kinder brüsk verlassen und seitdem den Kontakt zu ihnen abgelehnt. Eine Generation später ist Anaïs eine bekannte kanadische Schauspielerin und Regisseurin. Gemeinsam mit ihrer Mutter Manon (*1949) löst sie Suzannes Haushalt in Ottawa auf und stößt auf das Foto einer jungen weißen Frau, die offensichtlich 1965 am Marsch auf Alabama gegen die Rassentrennung in den USA teilgenommen hat.


    Anaïs Barbeau-Lavalette erzählt die Geschichte ihrer Großmutter, indem sie Suzanne in der Du-Form anspricht, nicht etwa die Leser ihrer Romanbiografie. Suzanne Meloche ist in einem Arbeiterviertel Ottawas aufgewachsen mit 6 Geschwistern. Die Kinderzahl der Meloches war Staat und Kirche jedoch damals nicht genug, erst ab 12 Kindern konnte eine Familie eigenes Land erhalten. In der Folge der Weltwirtschaftkrise von 1929 verliert der Vater seine Stelle als Lehrer. Die Familie bekommt vom Staat zwangsweise ein Opfer der Wirtschaftskrise einquartiert, das seine Miete nicht mehr zahlen konnte, und nun eins der beiden Kinderzimmer bewohnt. Suzannes Vater Achille hat seine Tochter stets auf die Not anderer Menschen hingewiesen, die die 6-Jährige damals sprachlos macht. Er will so ihren Überlebenswillen stärken, damit sie selbst nicht in diese Situation gerät. Suzanne muss ein kesser Feger gewesen sein und soll schon mit 4 Jahren eine Ratte getötet haben, um es den „Engländern“ zu zeigen. Erzogen von einer Mutter, die das Leben hart gemacht hat, wächst Suzanne zu einer aufsässigen Person heran, die als exzellente Schülerin durch einen Rhetorik-Wettbewerb in Montréal eine Ahnung davon bekommt, dass es außerhalb ihrer Welt Kunst und Literatur gibt.


    Doch auch auf der anderen Seite des Flusses, wo die Sprache geschätzt und gepriesen wird, haben Frauen lange nichts zu sagen, leben die Menschen unter der Knute der katholischen Kirche und herrscht Zensur gegenüber „sittenlosen“ oder „politisch subversiven“ Autoren und ihren Texten. Suzanne gerät in eine Künstlergruppe, die im Hafen die Schutz-Planen von PKW stielt, um sie als Leinwand zum Malen zu nutzen. Während ihre streng religiöse Vergangenheit noch an Suzanne klebt wie eine zweite Haut, entwickelt die Künstlertruppe sich zur Widerstandsgruppe gegen Zensur und für ein besseres Leben. Allein die Vorstellung, dass Hugo und Rimbaud unter dem Ladentisch verkauft wurden und eine Buchhandlung zur konspirativen Zelle wurde, wirkt heute grotesk. Suzanne lernt ihren späteren Mann Marcel kennen, der Kunsttischlerei studiert. Er macht ihr deutlich, dass der Mann im Haushalt stets der wichtigere Künstler ist, dem die letzte Leinwand zusteht, wenn man sich nicht mehr leisten kann. Als nach „Mousse“/Manon der kleine François bereits geboren ist, setzt Suzanne in den 50ern ihre Kinder bei Verwandten praktisch aus; François wird später zur Adoption frei gegeben. Eine Versöhnung mit ihren Kindern lehnt Suzanne in der Gegenwart brüsk ab, so dass sie ihre Tochter fast 30 Jahre lang nicht gesehen hat, als es zur Begegnung im Krankenhaus von Ottawa kommt.


    In sieben Kapiteln und über einen Zeitraum zwischen 1930 und 2009 erzählt Barbeau-Lavalette die Romanbiografie ihrer ungewöhnlichen Großmutter. Da Suzanne den Kontakt zu ihren Kindern auch später entschieden ablehnte, stelle ich mir die Recherche nicht einfach vor. Deutlich wird die Prägung durch streng katholische Werte. Suzannes Mutter hat nicht selbst zu entschieden, wie viele Kinder sie zur Welt bringt und zumindest ihr 7. Kind war nicht erwünscht. In die Zeit nach Suzannes Geburt in den 30ern fällt ein erstes Angebot von Familienplanung in Kanada, das jedoch schnell wieder verboten wird. Suzanne war offensichtlich auf der Suche danach, von den richtigen, wichtigen Menschen geliebt zu werden. Auf diesem Weg erlebte sie immer wieder das Scheitern ihrer Idole, brach Projekte ab, fing in anderen Städten, anderen Ländern mit anderen Partnern neu an, bis sie im Alter mit niemandem mehr sprechen wollte.


    Fazit

    Mein Interesse an Suzannes Leben ging irgendwann in die Ahnung über, dass es am Ende keine Antworten auf die Frage nach dem Warum geben könnte. Die 50er in der katholisch geprägten frankokanadischen Community wirken düster wie ein Roman aus dem 19. Jahrhundert. Vor historischen Ereignissen und gestützt mit den biografischen Daten der Familie Barbeau entfaltet sich hier das deprimierende Schicksal einer Künstlerin, die ihrer Zeit vorauseilte.


    7 von 10 Punkten

  • Anaïs Barbeau-Lavalette geht nach dem Tod ihrer Großmutter Suzanne auf die Suche ihrer Wurzeln. Die Beziehung ihrer Mutter und Großmutter ist schon vor Anais Geburt zerschnitten, so hat sie sie nie richtig kennengelernt. Die Mutter Manon leidet unter der Zurückweisung.

    Suzanne Meloche ist eine kanadische Künstlerin und Dichterin, sie wird 1926 geboren und stirbt 2009 in Ottawa.

    Sie findet Quebeck die Automatismus Gruppe,

    Sie heiratet Marcel Barrbeau, bekommt 2 Kinder, sie scheint sie zu lieben, plötzlich gibt sie sie weg und trennt sich von Marcel. Suzanne ist rätselhaft, aber das haben ihre Kinder und die Enkeltochter ja am eigenen Leib erfahren.

    Anais zeichnet ein interessantes liebevolles Porträt ihrer Großmutter. Sie hat einen guten Schreibstil und kann mich mit der Geschichte fesseln.