Nachdem ich begeistert von Maja Lundes Debüt „Die Geschichte der Bienen“ war, musste ich hier natürlich zugreifen. Was soll ich sagen? Meiner Meinung nach ist „Die Geschichte des Wassers“ sogar noch viel besser. Im Gegensatz zum Erstlingswerk gibt es hier nur zwei Erzählstränge statt drei, aber dieses Mal habe ich mehrere versteckte Parallelen entdecken können und die Verbindung, die beide Geschichten haben, war tatsächlich für mich sehr intelligent gestaltet – ich hätte es ahnen können, war aber so in dem Buch gefangen, dass ich mir gar keine Zeit genommen habe, zu überlegen, was jetzt noch alles sein könnte.
Signes Handlung spielt teilweise im Jahr 2017, aber auch viel in der Vergangenheit, durch ihre inneren Monologe erfährt der Leser, wie sie seit Jahren gegen die Zerstörung ihrer geliebten Berg- und Gletscherlandschaft in Norwegen kämpft. Die Beschreibungen der Wasserfälle und Flüsse sind dabei so ausdrucksstark, dass ich mich gleich an Signes Seite gefühlt habe und mir alles bildlich vorstellen konnte. Dazu kommen viele Familienkonflikte, die realistisch und vielschichtig sind und die Signe als Kind noch ganz anders wahrgenommen hat als jetzt als Erwachsenen. Gerade die Art und Weise wie sie nun darüber reflektiert und gleichzeitig wiedergeben kann, wie sich alles für sie als Kind angefühlt hat, machen das Buch für mich so herausragend.
Der zweite Handlungsstrang spielt viele Jahre später. David musste mit seiner kleinen Tochter Lou vor einem Feuer fliehen und ist jetzt ein Flüchtling. Die Welt hat sich gewandelt, der Klimawandel alles verändert und Länder wie Spanien, Frankreich und alles Südliche leiden an extremer Dürre und Wasserknappheit. Die „Wasserländer“ hingegen sind nun das Ziel der Menschen, denn dort gibt es Süßwasser – allerdings nicht genug Platz für alle fliehenden Menschen. Die Situation zeigt viele Parallelen zu den Flüchtlingskrisen aktuell und es ist beängstigend real, dass wir in der Zukunft vor der Natur fliehen werden und nicht mehr vor Terroristen (womöglich auch vor beidem). Davids Hoffnung, seine Frau und seinen kleinen Sohn zu finden, die er auf der Flucht verloren hat; die Hilflosigkeit der Menschen in den Flüchtlingslagern; die Naivität und Liebenswürdigkeit der kleinen Lou, die mehr durchmachen musste, als ein Kind sollte und auf ihre Art und Weise überraschend viel versteht von dem, was um sie passiert; all das macht diesen Handlungsstrang dramatisch, realistisch, erschreckend, traurig und gleichzeitig fühlt man sich als Leser sehr hilflos, denn man kann nur zusehen, wie alles schlimmer wird. Davids Optimismus muss natürlich aufrecht bleiben, wenn nicht für sich, dann zumindest für seine Tochter Lou.
Maja Lunde hat wieder einmal ein aktuelles Umweltthema in einen Roman verpackt, es gut recherchiert und eine spannende, mitnehmende Geschichte geschaffen, von der man sich am liebsten danach emotional abkapseln möchte, um der Realität nicht ins Auge zu blicken. Es müsste mehr Bücher von der Sorte geben und solche Bücher sollten Gegenstand von Schulliteratur sein – nicht immer nur die Klassiker. Hier kann man tollen Schreibstil, diskussionsstarke Themen und gleichzeitig unglaublich liebenswerte Charaktere finden. Ich kann jedem nur ans Herz legen, dieses Buch zu lesen und freue mich jetzt schon sehr auf das nächste Buch von Maja Lunde, die jetzt zu meinen Lieblingsautoren zählt.