'Der begrabene Riese' - Seiten 165 - 260

  • Die ganze Handlung rund um das Kloster und die dort lebenden Mönche ist sehr mysteriös.

    Als dieser seltsame Käfig ins Spiel kam, in dem sich offenbar die Mönche den Vögeln aussetzen, dachte ich darüber nach, ob Edwin nicht vielleicht auch in diesem Käfig gesessen hat und darin dem jungen Drachen ausgesetzt wurde.

    Aber dann wären die Mönche beteiligt gewesen.

    Überhaupt eine grausliche Geschichte.

    Genau den Gedanken hatte ich auch. Aber diese ganze religiöse Mystik erschließt sich mir sowieso nicht. War wohl die damalige Modedroge.

  • Vermutlich können wir uns gar nicht mehr in die religiösen Vorstellungen alter Zeiten hineinversetzen. Deshalb erscheinen uns die Szenen mit Kobolden, Dämonen usw so phantastisch.

    Das stimmt. Während meines Theologiestudiums war das immer wieder Thema und wir haben viele Quellen gelesen, die von allem Möglichen berichten. Selbst Luther berichtet noch sehr anschaulich von Dämonen. Man muss gar nicht weit reisen, um den Glauben an Kobolde und Geister noch zu erleben, z.B. in Island ist das ganz präsent. Wir haben den Blick für Übersinnliches total verloren.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Mir sind noch sehr eindrücklich die Reliefs in den bretonischen Kirchhöfen in Erinnerung, die einmal biblische Geschichten zeigen, dabei aber auch immer wieder Dämonen und grässliche Fabelwesen.


    Auf der einen Seite ist es gut, nicht mehr jedem Aberglauben und jeder Schauergeschichte Glauben zu schenken. Aber sich so ganz auf das zu beschränken, was wir mit unseren Sinnen erfahren und mit Messinstrumenten messen können, ist vielleicht auch ein wenig eng.


    Nun, auf jeden Fall ist es Ishiguro gelungen, diese Welt eindrücklich zu beschreiben.

  • Das stimmt. Während meines Theologiestudiums war das immer wieder Thema und wir haben viele Quellen gelesen, die von allem Möglichen berichten. Selbst Luther berichtet noch sehr anschaulich von Dämonen. Man muss gar nicht weit reisen, um den Glauben an Kobolde und Geister noch zu erleben, z.B. in Island ist das ganz präsent. Wir haben den Blick für Übersinnliches total verloren.

    Nicht ganz. Ich glaube an Geister. Nicht die weißen Schlossgespenster, die irgendwo rum spuken, aber an eine Präsenz von etwas. Schwer zu greifen,

  • Vermutlich können wir uns gar nicht mehr in die religiösen Vorstellungen alter Zeiten hineinversetzen. Deshalb erscheinen uns die Szenen mit Kobolden, Dämonen usw so phantastisch.

    Ach, ich kann mich da schon reinversetzen. Vielleicht habe ich nur zu sehr nach der dahinter stehenden Symbolik gesucht. Der Autor muss aber nicht zwingend hinter jeder Ecke eine tiefere Bedeutung versteckt haben.:gruebel

  • Ich finde, man sollte auch bedenken, dass die Leute damals nicht einfach ein Buch zur Hand nehmen oder im Internet nachlesen konnten, wenn sie eine Frage zum christlichen Glauben hatten. Was da in den frühen Jahrhunderten n. Chr. alles unter dem Titel "Christentum" zu finden war, kann man eher als Sammelsurium von vorherigen Religionen und Kulten, sinnvollen und fragwürdigen Elementen des Christentums und natürlich das Ganze in den Interpretationen der Priester sowie den eigenen Interpretationen betrachten. Diese "selbstgestrickte" Religiosität gibt es heute auch wieder ganz viel, nur dass die Menschen damals das alles wohl nicht auf informierter Basis kombiniert haben, sondern es blieb ihnen mangels besserer Informationen nicht unbedingt die Wahl. Ich finde, diese obskure Mischung aus altem und neuem Glauben hat Ishiguro wunderbar dargestellt.

  • Nadezhda, das stimmt - zudem hat die christliche Kirche zwar alles Heidentum zum Teil brutal bekämpft, aber trotzdem gerne Orte und Rituale übernommen und umfunktioniert.


    Was man nicht vergessen darf ist, die Menschen konnten alle nicht lesen. Nur manche Mönche brachten dieses Wissen mit. Bilder und Symbole hatten für sie eine ganz andere Bedeutung.


    Clare, ich denke nicht, dass wir uns wirklich in die Denkweise der Menschen hineinversetzen können. Für viele Dinge, die uns ganz selbstverständlich sind, hatten sie keine Erklärungen. Krankheiten, Wetterphänomene, Kometen, Mondfinsternisse - das alles waren rätselhafte Ereignisse für sie. Und auch sie suchten nach Erklärungen. Und oft waren Dämonen, Hexen, Zauberer, Götter oder böse Geister schuld.

  • Durch diesen Abschnitt habe ich mich eigentlich mehr gequält als gelesen. So begeistert ich anfangs war - diese Begeisterung hat doch stark nachgelassen. Dieses ganze Hin und Her hat eine Langatmigkeit, die mich aggressiv werden lässt.

    Am meisten haben mich diese Mönche aufgeregt. Ich mag religiöse Fanatiker und damit Mönche generell nicht, aber diese hier haben einen Grad der Zwielichtigkeit erreicht, der mir körperliches Unbehagen verursacht - vom mentalen ganz zu schweigen.


    Axl und Beatrice gehen mit mit ihrer Naivität auch schön langsam auf die Nerven.


    Und anstatt immer neue Rätsel zu schaffen, sollte der gute Herr Ishiguro mal den einen oder anderen Knoten lösen.


    Ich mag auch gar nicht mehr über Symbolik diskutieren oder Metaphern bemühen. So langsam macht sich bei mir diesbezüglich Überdruss breit.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Axl und Beatrice gehen mit mit ihrer Naivität auch schön langsam auf die Nerven.

    Ich weiß nicht, ob ich die beiden als "naiv" bezeichnen würde. Sie sind einfach in was Größeres hineingeraten und versuchen jetzt, mit Anstand und Höflichkeit diesen Herausforderungen zu begegnen. Wahrscheinlich ist das naiv, aber ich denke, sie erwarten das von sich selbst.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Vermutlich können wir uns gar nicht mehr in die religiösen Vorstellungen alter Zeiten hineinversetzen. Deshalb erscheinen uns die Szenen mit Kobolden, Dämonen usw so phantastisch.

    Es sind nicht die Szenen mit Kobolden und Dämonen die ich meine. Daran glauben sie ja auch in vorchristlicher Zeit. Es ist diese Käfigsache, erinnert mich an die Flagellanten im MIttelalter aber auch an die Mönche und Nonnen, die sich zur Bestrafung oder was auch immer selbst geißelten oder peitschten. Das meine ich auch mit Modedroge. Sicher kann einen übermäßiger Schmerz (sieht man doch an der Sado-Maso-Szene) in einen Rausch oder eine Befriedigung versetzen.

    Geister, Kobolde, sind für mich eher greifbar und erklärbar als sowas.

  • Durch diesen Abschnitt habe ich mich eigentlich mehr gequält als gelesen. So begeistert ich anfangs war - diese Begeisterung hat doch stark nachgelassen. Dieses ganze Hin und Her hat eine Langatmigkeit, die mich aggressiv werden lässt.

    Am meisten haben mich diese Mönche aufgeregt. Ich mag religiöse Fanatiker und damit Mönche generell nicht, aber diese hier haben einen Grad der Zwielichtigkeit erreicht, der mir körperliches Unbehagen verursacht - vom mentalen ganz zu schweigen.

    :write:write (Mönche)


    Was mich genervt hat waren eher die Aussetzer von Gawain. Der faselt am Ende, als er durch die Höhle und den Wald führt so einen Stuß, ich dachte der ist von Demenz befallen. Das passte für mich überhaupt nicht und ich musste an mich zusammen reißen um überhaupt einen Zusammenhang zu erfassen. Hab ihn aber in seinem Sermon nicht gefunden.

  • Ich glaube nicht, dass sich die Mönche aus Rauschgründen, zur Befriedigung o. ä. diesen Vögeln aussetzen. Für mich machen sie es vielmehr aus Gründen der Selbstbestrafung (das hat sich ja noch Jahrhunderte lang fortgesetzt). Sie leiden schon an dem Schmerz und wollen den eigentlich gar nicht haben, machen es aber, weil sie Vergebung wollen. Wofür? Das ist die Frage - vielleicht hat aber auch Wistan darauf schon die Antwort gegeben.


    Auf heute übertragen: ich denke schon, dass es die Mechanik heute auch noch gibt, natürlich lang nicht so ausgeprägt und brutal. Aber dass sich Menschen selbst "bestrafen" bwz. sich Annehmlichkeiten vorenthalten, weil sie für etwas "büßen" wollen. Das muss auch überhaupt keine religiösen Gründe haben! Also den Gegensatz der Selbstbelohung: nicht ich gönn mir was, weil ich etwas gut geschafft/gemacht habe sondern ich gönn mir etwas nicht (oder extremer: ich füge mir selbst "Leid" zu), weil ich etwas nicht gut geschafft/gemacht habe.


    Edit:

    Was mich genervt hat waren eher die Aussetzer von Gawain. Der faselt am Ende, als er durch die Höhle und den Wald führt so einen Stuß, ich dachte der ist von Demenz befallen. Das passte für mich überhaupt nicht und ich musste an mich zusammen reißen um überhaupt einen Zusammenhang zu erfassen. Hab ihn aber in seinem Sermon nicht gefunden.

    Das konnte ich zu dem Zeitpunkt auch überhaupt nicht einordnen. Völlig unklar, warum er in der Hölle so ausflippt. Allerdings bin ich mittlerweile weiter im Buch und da klärt es sich dann. :grin

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Ich weiß nicht, ob ich die beiden als "naiv" bezeichnen würde. Sie sind einfach in was Größeres hineingeraten und versuchen jetzt, mit Anstand und Höflichkeit diesen Herausforderungen zu begegnen. Wahrscheinlich ist das naiv, aber ich denke, sie erwarten das von sich selbst.

    Ich empfinde sie überhaupt nicht als naiv, sondern als gutmütig und altersmilde. Sie begeben sich auf eine Reise, vermutlich ihre letzte, und erleben zufällig aufregende Abenteuer. Mit tut ihre Gelassenheit gut.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Axl empfinde ich überhaupt nicht als arglos, sondern als so bodenständig und friedfertig wie es unter dem Nebelschleier möglich ist. Vor allem die Friedfertigkeit und seine Besonnenheit machen ihn zu meiner Lieblingsfigur.

    Beatrice ist unsicherer als ihr Mann und zweifelt öfter, das lässt sie arglos wirken.

  • Mich lässt das Buch etwas unschlüssig zurück. Es gefällt mir sehr. Aber auf der anderen Seite ist es gar nicht greifbar. Ich bleibe dabei das Märchen zu genießen, denn das ist es immer noch. Aber da ich es nicht so richtig greifen kann finde ich eine Diskussion schwierig.

    Mir geht es genauso. Ich lese das Buch sehr gerne, die Geschichte interessiert mich, auch diesen Abschnitt fand ich überhaupt nicht langatmig, aber eine tiefere Symbolik erschließt sich mir beim Lesen alleine überhaupt nicht.

  • Axl empfinde ich überhaupt nicht als arglos, sondern als so bodenständig und friedfertig wie es unter dem Nebelschleier möglich ist. Vor allem die Friedfertigkeit und seine Besonnenheit machen ihn zu meiner Lieblingsfigur.

    Beatrice ist unsicherer als ihr Mann und zweifelt öfter, das lässt sie arglos wirken.

    Für mich wechselt das immer zwischen den beiden. Je nachdem, bei wem die Erinnerung durchbricht.