Englischer Originaltitel: Littel Fires Everywhere
Klappentext
Es brennt! In jedem der Schlafzimmer hat jemand Feuer gelegt. Fassungslos steht Elena Richardson im Bademantel und den Tennisschuhen ihres Sohnes draußen auf dem Rasen und starrt in die Flammen. Ihr ganzes Leben lang hatte sie die Erfahrung gemacht, »dass Leidenschaft so gefährlich ist wie Feuer«. Deshalb passte sie so gut nach Shaker Heights, den wohlhabenden Vorort von Cleveland, Ohio, in dem der Außenanstrich der Häuser ebenso geregelt ist wie das Alltagsleben seiner Bewohner. Ihr Mann ist Partner einer Anwaltskanzlei, sie selbst schreibt Kolumnen für die Lokalzeitung, die vier halbwüchsigen Kinder sind bis auf das jüngste, Isabel, wohlgeraten. Doch es brennt. Elenas scheinbar unanfechtbares Idyll – alles Asche und Rauch?
Die Autorin
Celeste Ng (sprich: Ing), geboren Anfang der 80er-Jahre in Pittsburgh, Pennsylvania, wuchs als Kind chinesischer Einwanderer in Pennsylvania und Ohio auf. Beide Eltern waren Wissenschaftler. Nach ihrem Studium in Harvard und an der University of Michigan veröffentlichte sie zahlreiche Kurzgeschichten. »Kleine Feuer überall« ist ihr zweiter Roman
Ich war mir gar nicht sicher, ob dieses Buch überhaupt etwas für mich sein würde. Ich kenne Ngs „Was ich euch nicht erzählte“ und fand es so naja. Es hatte mich nicht so begeistert wie den Großteil der Leser. Ich empfand es als sehr langsam und dachte, das Ng vielleicht einfach keine Autorin nach meinem Geschmack wäre. Aber nun habe ich ihr doch noch mal eine Chance gegeben. Und ich bin sehr froh darüber.
„Kleine Feuer überall“ beginnt ruhig und unaufgeregt, obwohl gerade ein Haus abbrennt und die Familie staunend davor steht. Es beginnt also mit dem Ende. Wie es dazu kam, erfahren wir im Laufe des Buches. Der Schreibstil der Autorin hat mich diesmal sofort gefangen genommen. Ich war so unerwartet schnell in der Geschichte drin, dass ich mich kaum losreißen konnte und den Großteil in einem Rutsch durchlas.
Shaker Heights ist eine kleine Modellsiedlung, eine Vorstadt von Cleveland. Einst von der religiösen aber sehr modernen und toleranten Gruppe der Shaker gegründet, gibt es viele Regeln, an die sich die Bewohner halten müssen. In welcher Farbe welcher Typ Haus gestrichen werden oder wie hoch das Gras höchstens wachsen darf. Regeln halten alles zusammen und geben Halt und Ordnung. Das denkt jedenfalls Elena Richardson. Sie wurde hier geboren und ist nach dem Studium in diese perfekte Vorstadtidylle zurückgekehrt mit dem jungen Mann, den sie auf der Uni kennenlernte. Inzwischen haben sie 4 Kinder. Die Richardsons haben noch ein zweites Haus in dem Ort, das sie vermieten. Elena zieht immer nur Mieter in Betracht, von denen sie glaubt, dass sie mit ihrer Großmut, ihnen diese Wohnung zu einem anständigen Preis zu vermieten, etwas Gutes tut. In dieses Schema passt Mia, eine freischaffende Künstlerin, mit ihrer 15jährige Tochter Pearl. Mia arbeitet mit Fotografien. Sie sucht nach Ideen und wenn sie etwas verwirklicht hat, zieht sie weiter. Sie leben überall nur wenige Monate. Da ihre Kunst nicht genug Geld einbringt, arbeitet sie nebenbei noch in unterschiedlichen Jobs. Diesmal aber hat sie Pearl versprochen, dass sie sesshaft werden. Pearl freundet sich rasch mit den Kindern der Richardsons an und geht schon bald dort ein und aus. Izzy, Elenas jüngste, fühlt sich dagegen von Mia mehr verstanden als von ihrer Mutter.
Viel mehr möchte ich zum Inhalt nicht sagen. Die Geschichte entfaltet sich langsam. Mia und Pearl bringen das Gleichgewicht innerhalb der Familie Richardson durcheinander. Aller Personen reagieren irgendwie aufeinander und Mia bringt vor allem in Elena nicht das Beste zutage. Zudem spaltet ein Sorgerechtsstreit die Einwohner des Vororts.
Das Buch spielt in einer nicht näher definierten Zeit. Zuerst dachte ich, es würde in den 60er Jahren spielen, aber das stellte sich als nicht richtig heraus. Es spielt aber auf jeden Fall in einer Zeit, in der Handys noch nicht normal waren sondern eher eine Ausnahme. Es weht aber ein etwas altmodischer Wind durch die ganze Geschichte. Trotzdem ist sie zeitlos. Es geht vor allem um Mütter und ihre Beziehungen zu ihren Töchtern. Die Frage, was eine Mutter ausmacht, wie man mit Kindern, Schwangerschaften etc. umgeht ist ein großes Thema.
Die vielschichtige Story mäandert dahin und stellt uns alle Figuren vor. Zwar werden hauptsächlich die weiblichen Figuren näher beleuchtet, aber jeder Charakter ist individuell und plastisch. Auch die Verbindungen, die untereinander entstehen, im Guten wie im Schlechten, sind sehr realistisch dargestellt. Ng hat eine wunderbare Sprache. Mir fehlen ein wenig die Worte, um die Story und was sie ausmacht, richtig zu beschreiben. Oberflächlich gesehen, passiert nicht viel. Die Story geht langsam voran. Und trotzdem passiert unterschwellig so viel. Das Buch umgibt eine gewisse Traurigkeit. In der Beziehung von Eltern zu ihren Kindern ist auch immer Verlust und Schmerz enthalten. Und kleine Feuer brennen in allen Figuren.
„Kleine Feuer überall“ ist ein außergewöhnliches Buch. Wunderbar geschrieben, hat es mich eifrigen Psychothriller-Leser mit seiner Ruhe und exaktem Blick für die menschlichen Schwächen, in seinen Bann gezogen und für seine traurige Geschichte eingenommen. Von mir gibt’s volle Punktzahl und eine unbedingte Leseempfehlung.