Sibylle Luithlen: Wir müssen reden
Deutsche Verlags-Anstalt 2018. 256 Seiten
ISBN-10: 3421047952
ISBN-13: 978-3421047953. 20€
Verlagstext
Über die Angst vor dem Scheitern - und das Wagnis, neue Wege zu gehen
Feline, die Alleskönnerin, die immer lächelnd ihr Leben fest im Griff hat. Aber genügt sie wirklich – als Lehrerin, als Mutter, als Frau? Tatsächlich hält Feline, die noch keine dreißig ist, nur mit Mühe die schöne Fassade aufrecht. Bis eines Abends ihr Mann gesteht, dass er sich in eine andere verliebt hat. Sie flüchtet für ein paar Sommerwochen in die schwäbische Provinz. Dort lernt sie Silver kennen, einen Mann, der sich frei gemacht hat von den Erwartungen an ihn. Langsam beginnt Feline ihre eigenen Träume zu leben …Mit eindringlicher Lakonie erzählt Sibylle Luithlen von einer sensiblen jungen Frau, die fremd im eigenen Leben ist. Ein feinnerviger Roman über die Zerrissenheit einer Generation, die sich mit den eigenen Ansprüchen überfordert.
Die Autorin
Sibylle Luithlen, 1972 in Bonn geboren, hat Germanistik und Romanistik studiert und lehrt Deutsch als Fremdsprache in Brüssel. Sie arbeitet auch journalistisch, schreibt für das Radio und Online-Magazine und hat ein Kinderbuch und eine Novelle, „Ischai“ (2011), veröffentlicht. „Wir müssen reden“ ist ihr Romandebüt.
Inhalt
„Wir müssen reden“ – das klingt aus dem Mund des Lebenspartners nach dem Anfang vom Ende. Lars hat offensichtlich eine andere Frau kennengelernt und fordert von Feline eine Beziehungspause. Er und seine Partnerin haben eine gemeinsame Tochter im Kindergartenalter. Feline leistet ihr Referendariat als Deutschlehrerin, Lars strebt eine akademische Karriere als Geograf an. An einem normalen Schultag wächst Feline alles über den Kopf, sie verlässt den Unterricht und bricht das Referendariat ab. In Rückblenden fächert Sibylle Luithlen eine Beziehung auf, in der beide Partner bereits in ihrer Jugend aus Angst vor dem Scheitern Nähe schwer zulassen können. Felines Familie trägt zusätzlich die Last psychischer Erkrankungen in der Linie ihres Vaters. Ihr Onkel litt an Schizophrenie und ihr Vater wurde seitdem von der Angst getrieben, weitere Familienmitglieder könnten so werden „wie Onkel Egon“. Auch Felines Schwester Stella war schon immer ein schwieriger, unglücklicher Mensch.
Felines Situation als berufstätige Mutter wirkt absolut durchschnittlich. Sie fühlt sich dennoch subjektiv gestresst und neidet Lars, dass er durch sein Kind weniger angebunden ist als sie. Frauen in anderen Berufen und ohne garantierten Kindergartenplatz an der Uni tragen an ihrer Doppelbelastung sicher schwerer als Feline. Auffällig wirkt allerdings, dass Feline sehr isoliert lebt und nicht in Netzwerke investiert, die sie im Gegenzug unterstützen könnten. Sie selbst benötigt Hilfe und Entlastung in der Kinderbetreuung, andere Mütter benötigen diese Hilfe jedoch nicht weniger. Lars aus seiner Sicht kann Felines Gestresstsein schwer nachvollziehen; denn er kümmert sich um Youna, wenn er nicht arbeitet. Möglicherweise hilft Lars „mit“, teilt aber die Verantwortung für Youna nicht. Durch einen Sommerkurs, den Feline in einer anderen Stadt gibt, erhält sie Abstand zum Alltag; die Auflösung des Haushalts ihrer Großeltern gibt tiefen Einblick in ihre Familiengeschichte.
Fazit
Hinter einer Coverabbildung, die sehr treffend eine Frau mit vier Armen zeigt, verbirgt sich hier der banale Alltag einer hochsensiblen jungen Mutter, die vermutlich den richtigen Zeitpunkt verpasst, therapeutische Hilfe zu suchen. Erzählt wird in elegantem Stil und formvollendeten Bildern - sprachlich passend zu einer Deutschlehrerin - die Geschichte eines isolierten Paars ohne Helfer-Netz.
8 von 10 Punkten