Der Autor (Quelle: Amazon):
Jakob Hein, geboren 1971 in Leipzig, lebt seit 1972 mit seiner Familie in Berlin. Er arbeitet als Psychiater. Seit 1998 Mitglied der »Reformbühne Heim und Welt«. Er hat inzwischen 14 Bücher veröffentlicht, darunter Mein erstes T-Shirt (2001), Herr Jensen steigt aus (2006), Wurst und Wahn (2011) und zuletzt Kaltes Wasser (2016).
Das Buch (Quelle: Amazon):
Als hätten sich Felix Krull und Zelig zusammengetan, um Berlin aufzumischen.
Friedrich Benders Elternhaus ist nicht eben das spannendste. Und eine Jugend in der DDR nicht unbedingt ein wildes Abenteuer. Aber es kommt Farbe in die Sache, als Friedrich im Ferienlager mit der Tochter von englischen Kommunisten anbandelt, die nicht nur Westlerin ist, sondern – Gipfel der Verruchtheit! – auch noch Punk. In den Augen seiner Mitschüler macht ihn das zum neidisch beäugten Star. Der kleine Haken: Die Punklady gibt es gar nicht. Friedrich Bender hat sie sich nur ausgedacht. Weil das aber niemand wissen muss, besorgt er sich beim Briefmarkenhändler in Berlin-Lichtenberg englische Briefmarken und bekommt nun regelmäßig Post von der Insel.
Auch die unglaublichen Erfolge des Sozialismus, die er als Agitator täglich vor der Klasse vermelden soll, hat er etwas aufgeschönt oder gleich glatt erfunden.Und während die Wende seine linientreuen Eltern und die meisten seiner Klassenkameraden in jahrelange Schockstarre versetzt, begreift Friedrich die neuen Regeln schnell: Schon bald findet man den Jungen mit dem kreativen Verhältnis zur Realität bei den Wechselstuben am Bahnhof Zoo, wo er sich ein mehr als sattes Startkapital beschafft. Als Student schrecken ihn überfüllte Hörsäle und zähe Seminare dermaßen ab, dass er sich einen anderen Weg ausdenkt, zum schnellen Studienabschluss zu kommen. Und im Berufsleben des kapitalistischen Westens scheinen Friedrich dann gar keine Grenzen mehr gesetzt ...Jakob Hein hat einen grandiosen Schelmenroman über einen Ostler geschrieben, der der bessere Westler ist. Aber auch über jemanden, der mit erfundenen Geschichten so lange vor sich selbst davonläuft, bis nichts mehr von ihm da ist.
Meinung:
In der FAZ stieß ich kürzlich auf eine Rezension eines Abenteuerromans von Jakob Hein: Die Orient-Mission des Leutnant Stern. Witzig, dachte ich, die Geschichte „Als der Kaiser den Dschihad befahl“ muss ich unbedingt lesen. Zufällig befand ich mich in einer Stadtbücherei und weil ich nicht ins kalte Wasser springen wollte, lieh ich mir sogleich dieses Werk aus. Ich habe es nicht bereut.
Jakob Hein ist ein ausgezeichneter Erzähler. Außergewöhnliche, fast schon absurde Geschichten scheinen ihm zu liegen, denn ironische Gesellschaftskritik sowie die Lust am Ausschmücken von Schelmenpossen stecken unübersehbar in fast jedem Satz.
Die Gaunereien der Wendezeit sind glaubwürdig und lustig; das vorhersehbare Finale des Ausflugs in die Welt des Adels fällt ein wenig ab, doch der Schluss wirkte etwas zu künstlich. Ich hatte das Gefühl, dass der großartige Erzähler die Lust an seinem Protagonisten verloren hatte und den Roman flugs abschließen wollte.
Dennoch eine Entdeckung und ich fühle mich eingeladen, weitere Werke des Autors zu lesen.