Die Clique - Mary McCarthy

  • Eigentlich ist das hier die falsche Rubrik, denn "zeitgenössisch" ist dieses Buch gerade nicht. Es ist schon 1963 erschienen und spielt sogar bereits in den 1930er Jahren. Trotzdem gehört es hierher und nicht unter "Belletristik" oder gar "Historische Romane".


    Amazon-Kurzbeschreibung:


    Im Jahre 1933 schwören acht junge Studentinnen des vornehmen Vassar-College im Staate New York, anders zu werden als ihre Mütter. Sieben Jahre später ziehen sie Bilanz und fragen, was von den Träumen über Liebe, Ehe und Beruf wahr geworden ist.


    Das Buch, das in den 60er Jahren Amerika schockierte und heute noch begeistert, brachte Mary McCarthy Weltruhm ein.


    Die Autorin (Amazon bzw. "Das Buch der 1000 Bücher):


    US-amerikan. Schriftstellerin *21.6.1912 Seattle, †25.10.1989 New York


    Mary McCarthy übt in ihren Romanen und Erzählungen scharfsinnig-satirische Kritik an den typischen Zeiterscheinungen der US-amerikanischen Kultur. Mit ihrem Roman "Die Clique" wurde die Autorin, die sich insbesondere als Essayistin und Kritikerin einen Namen machte, international bekannt. McCarthy wuchs in einem katholisch geprägten Elternhaus auf.

    McCarthy studierte Literaturwissenschaften am renommierten Vassar College in New York, wo sie 1933 ihren Abschluss machte. Anschließend arbeitete sie zunächst als Literatur- und Theaterkritikerin u.a. für die linksliberale Zeitschrift Partisan Review. 1945/46 und 1948 lehrte sie als Literaturdozentin an verschiedenen Hochschulen. Nach einigen gesellschaftskritischen Romanen und Erzählungen gelang ihr 1963 mit Die Clique der literarische Durchbruch.


    Meine Meinung:


    Gereizt hat mich dieses Buch schon lange: Im Studium stand es seinerzeit als Titel eines literaturwissenschaftlichen Proseminars im Vorlesungsverzeichnis, und ich fragte mich, was für ein wunderbares Buch das sein müsste, dass es ein ganzes Proseminar verdient. Der Dozent war wohl ebenso linksliberal - und ebenso scharfzüngig und wenig prüde - wie die Autorin.


    Dafür, dass das Buch 1963 erschienen ist, ist es progressiv genug (wer von euch "Solitaire und Brahms" von Sarah Dreher gelesen hat, das 1962 spielt, hat einen ganz guten Vergleich), und wenn man bedenkt, dass es in den 1930er Jahren spielt, ist es vermutlich revolutionär. Die aus Absolventinnen des Mädchen-Elite-Colleges Vassar bestehende "Clique" deckt mit den unterschiedlichen Lebensgeschichten ihrer Mitglieder so ziemlich alle Themen ab, die damals tabu oder doch mindestens Familienschande waren - Empfängnisverhütung, Homosexualität, psychische Krankheit, you name it, it's there. Und Mary McCarthy nähert sich all diesen Themen mit Humor und dennoch mit Respekt.


    Ich habe unter "Was liest du" geschrieben, dass es nicht leicht zu lesen ist. Das bezieht sich aufs englische Original; ich weiss nicht, wie gelungen die Übersetzung ist. Das hatte für mich zwei Gründe: Zum einen sind mir die Geschichten der einzelnen Frauen nicht genügend miteinander verwoben; da wird immer mal wieder gesprungen, und ich hatte am Anfang Mühe, die Namen den Charakteren zuzuordnen. Mit der Zeit wird das leichter.... es wäre aber schön gewesen, wenn das Gewirr von Anfang an transparenter angelegt gewesen wäre, vielleicht mit einer Rahmenhandlung. Und der zweite Grund ist, dass die Sprache nicht immer gut ausgefeilt ist; sie ist zwar interessant und keineswegs banal, aber nicht gerade hohe Satzkunst, was Klang und Lesefluss betrifft. Das hat mich manchmal gestört.


    Unterm Strich vergebe ich...... sagen wir 8 Punkte. Der Inhalt macht für mich vieles wieder gut, was Aufbau und Sprache nicht ganz hingekriegt haben.


    Nun hätte mich ja doch interessiert, wie dieses Proseminar damals verlaufen ist... :gruebel

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

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  • Meine amerikanische Uralt-Ausgabe dieses Romans (gedruckt 1966) enthält keinen Klappentext, dafür die Namen der acht Vassar-Absolventinnen mit einer kurzen Charakterisierung, die (wie ich beim Lesen feststellte), jeweils aus dem Romantext stammt.
    Und das ist für mich das größte Manko des Romans: ich hatte mich darauf gefreut, gleichberechtigt über ACHT Frauenfiguren und ihre Schicksale zu lesen. Dafür nahm ich auch die Schwierigkeit in Kauf, wie Mary Read anfangs Mühe mit der Zuordnung von Namen und Charakter zu haben.
    Tatsächlich steht aber Kay im Zentrum, deren nicht standesgemäße Hochzeit mit Harald Petersen das erste Kapitel des Buches markiert und Stationen der zum Scheitern verurteilten Ehe auch Stationen sind, an denen sich die Wege der acht Frauen kreuzen. Von Dottie erfahren wir, die sich in einen Freund Haralds verliebt, mit ihm eine Affaire beginnt, diese aber abrupt beendet, weil er ihre Gefühle nicht erwidert. Von Priss, die sich als frischgebackene Mutter wie ein medizinisches Versuchskaninchen fühlt. Von Polly, dem unscheinbaren Mauerblümchen, das zuerst eine Beziehung zu einem Verleger (Libbys ehemaligem Chef) hat, ehe sie einen Arzt heiratet. Lakey, Pokey und Helena tauchen zwar auf, sind aber kaum mehr als Randfiguren.
    Der Roman stürzt sich auf jede Menge im Amerika der 60er Jahre brisante gesellschaftliche Themen: vorehelicher Sex, Empfängnisverhütung, Homosexualität, psychische Krankheiten, Suizid, und ich glaube, man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie progressiv der Roman seinerzeit gewesen sein muss.
    Doch leider kann die Qualität des Romans damit nicht mithalten. Ich hatte während der Lektüre und vor allem am Ende des Romans das unangenehme Gefühl, die Autorin habe die Hälfte vergessen oder Verlag/Lektorat hätten diese Menge rausgestrichen. Zwar sind die Schicksale der Frauen in der Mehrzahl kunstvoll verwoben; so bildet meist ein bestimmter Zeitpunkt X im Leben der einen den Anlass, einer anderen wiederzubegegnen - dennoch fehlte mir so viel in diesem Roman. Ich hätte gerne über alle acht so viel gelesen wie über Kay und Polly; manche Handlungsfäden erschienen mir wie abgerissen, ohne dass ich auch nur noch ein Faserchen dafür bekommen hätte, um mir auszumalen, wie es wohl weitergegangen sein könnte. Ständig habe ich mich panisch gefragt, ich welchem Jahr ich mich innerhalb der Handlung gerade befinde - die Zeitsprünge waren für mich kaum näher zu bestimmen, ob lang oder kurz; nur alle Jubel-Seiten mal gab es einen Anhaltspunkt.
    Ich habe den Roman gerne gelesen, wurde doch aber in vielerlei Hinsicht enttäuscht.