U.S. of A.: Bewaffnete Lehrer sollen Amokläufer abschrecken

  • Voltaire hat recht, wir haben hier früher (also bis vor zwei, drei Jahren) wirklich spannende und interessante Diskussionen geführt, und dann ist es ... äh ... eingeschlafen. Das mag viele Gründe haben und gehabt haben, über die man ja nicht unbedingt diskutieren muss, wenn man stattdessen einfach wieder eine spannende und interessante Diskussion zum Weltgeschehen führen könnte. Denn es ist schon erschütternd, dass der Mann seit über einem Jahr Präsident der U.S. of A. ist und hier noch keine Diskussion über Donald J. Trump stattgefunden hat (man findet nur einzelne Verweise auf ihn in Rezensionen und Threads wie "Lästereien zum Dschungelcamp 2017"). Deshalb möchte ich seine aktuellen Äußerungen zum Anlass nehmen, um mal den Versuch zu wagen, eine anzustoßen. Vielleicht eine, die es schafft, sich abseits der Lächerlichmachung (die nicht funktioniert und außerdem immanent ist) damit auseinanderzusetzen, wie man diesem Phänomen, das in anderer Form ja auch bei uns zu bemerken ist, begegnen kann. Das Phänomen besteht darin, einem vermeintlichen Problem mit der absurdestdenkbaren Antwort zu begegnen. Etwa der mutmaßlichen Annahme, dass sich unter Flüchtlingen auch potentielle Straftäter befinden (was übrigens für jede Art von Gruppen gilt, von Amish-Versammlungen abgesehen), mit der Aushebelung essentieller Menschenrechte. Oder mit der simplen Verneinung der Existenz des jedoch offenkundigen Problems, etwa des Klimawandels.


    Am vergangenen Mittwoch starben an einer Schule in Florida 17 Menschen, davon 14 jugendliche Schüler, durch Schüsse eines 19 Jahre alten Amokläufers. Seitdem weiten sich die Proteste gegen Waffenbesitz und Waffengesetze in den U.S. of A. aus - dem Land, in dem es der 2. Verfassungszusatz verbietet, das Recht einzuschränken, Waffen zu besitzen und zu tragen. Nicht wenige Menschen sind der Meinung, dass ein erschwerter Zugang zu sehr effektiven, letalen Waffen auch die Anzahl von Massakern wie im letzten Jahr in Las Vegas und Amokläufen wie jetzt in Florida verringern würde. Im Vereinigten Königreich war übrigens vor Jahren genau dieser Schritt sehr erfolgreich, wie man annimmt.


    Aber wir sprechen über die U.S. of A., in der NRA-Lobbyisten großen Einfluss haben und eben ein Donald J. Trump unfassbarerweise Präsident ist. Der gestern 40 Lehrer, Schüler und Angehörige ins Weiße Haus eingeladen hatte, um mit ihnen über die Geschehnisse in Parkland, Florida zu sprechen. Und ihnen seine kaum begreifbare Gegenmaßnahme zu erläutern, die eben nicht lautet, dass der Erwerb und Besitz von Waffen erschwert werden soll, sondern die das genaue Gegenteil fordert: Mehr Waffen. Lehrer sollen in der Schule Knarren tragen, um Amokläufer erlegen zu können. Trump adaptiert die Abschreckungspolitik des Kalten Kriegs auf den Schulcampus. Ist das genial oder total bescheuert? Was wird noch geschehen? Und was kann man dagegen tun?


    http://www.spiegel.de/politik/…ehr-waffen-a-1194790.html

  • Moin zusammen,

    ich halte mich ja normalerweise aus solchen Diskussionen hier raus, aber genau diese Meldung habe ich heute Morgen als erste gelesen und war regelrecht sprachgelähmt. Wie kann man denn nur mit Waffen als Problemlösung auf die immer wieder vorkommenden Amokläufe in den USA kommen? Für mich kann das niemals eine Lösung sein und ich hoffe sehr, dass sich die Lehrer weigern diesem Vorschlag nachzukommen!

  • :( Es ist natürlich völlig bescheuert, zu denken mit noch mehr Waffen Gewaltakte verringern zu können.

    Will Trump demnächst noch jedem Schüler einen Bodyguard dazu geben, der ihn bzw. sie in die Schule, die zum Hochsicherheitsgefängnis ausgebaut wird, und wieder zurück nach Hause begleitet? Wo er und sie (es gibt da recht hübsche kleine Handfeuerwaffen für Damen!) sich dann selber bewaffnen können, wenn sie sich außer Haus mit Freunden treffen.


    Die Amis tun mir inzwischen echt leid. Die haben sich in so eine vertrackte Situation hineinmanövriert mit ihrem Glauben an ihr Selbstbewaffnungsrecht. Ich sehe da wenig Hoffnung für einen effektiven Ausweg. Und Trumps Vorstellungen und seine Verbindung mit der Waffenlobby (nicht nur finanziell sondern vor allem ideologisch) verschärft die Lage zusehendst. Er hat die Lehre aus dem "Kalten Krieg" wirklich nicht verstanden.


    Was können wir tun? Wenig, fürchte ich. Außer vielleicht mit gutem Beispiel zeigen, dass es sinnvoll ist, nur geprüft verantwortungsvolle Personen Waffen tragen zu lassen. Dazu gehört allerdings auch ein stabiles Vertrauen in unsere Gesetze und Vorschriften diesbezüglich.

    :gruebel

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


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  • Die USA leben im postfaktischen Zeitalter - solange sie nicht von klein auf lernen, Zahlen zu verstehen, wird sich rein gar nichts ändern. Bevölkerungsgruppen, die Dienstwaffen tragen/Dienstwaffen zuhause lagern, haben das größte Risiko, sich oder Angehörige zu töten.


    Wo es Waffen gibt, werden sie eingesetzt. Die Krankenhäuser amerikanischer Großstädte dienen Chirurgen aus aller Welt als Ausbildungsplatz, weil sie nirgendwo sonst in so kurzer Zeit so viele "Kriegs-"Verletzungen verarzten können.


    Zahlen

  • Hallo Tom,


    vielen Dank, dass du dieses Thema anstößt. Die Waffengewalt in den USA und der Umgang damit beschäftigt mich auch immer wieder aufs Neue - wäre es nicht so ernst, könnte man auf "Und täglich grüßt das Murmeltier" verweisen - , und was den oben erwähnten Präsidenten betrifft, fällt es mir oft schwer, nicht einfach sprachlos vor Entsetzen zu bleiben.


    Da ich gerade nicht viel Zeit habe, will ich fürs erste nur einen Punkt aus deinem Text unterstreichen.


    Ich bin aktive Fassenachterin (Mischung aus politischer Büttenrede und Kokolores) und halte es bei der Behandlung von kritikwürdigen Politikern normalerweise mit Dario Fo: "Die Macht, und zwar jede Macht, fürchtet nichts mehr als das Lachen, das Lächeln und den Spott. Sie sind Anzeichen für kritischen Sinn, Phantasie, Intelligenz und das Gegenteil von Fanatismus."

    Bei DT stellte das die Fassenachter nun schon zum zweiten Mal vor gewisse Schwierigkeiten, denn bei ihm ist die Lächerlichkeit ja eben bereits immanent. Wie soll man jemanden lächerlich machen, der bereits ein Gruselclown ist? Was soll es nützen? Wer kann überhaupt noch jemandem einen Spiegel vorhalten, der dermaßen in seiner eigenen Blase von absurder Selbst- und Weltwahrnehmung lebt?


    Ich kann für die US-Amerikaner nur hoffen, dass sie bald aufwachen und ihrem Land bei den nächsten Wahlen wieder zu einer seriösen politischen Führung verhelfen. Da kann man jede ernsthafte politische Bewegung nur unterstützen und hoffen, dass sie gehört wird.


    Nach der Wahl von DT wurde auf diversen (sozialen) Medien ein etwas älteres Zitat von Toni Morrison herumgereicht:

    "This is precisely the time when artists go to work. There is no time for despair, no place for self-pity, no need for silence, no room for fear. We speak, we write, we do language. That is how civilizations heal."


    https://www.thenation.com/arti…e-self-pity-no-room-fear/


    Ich bin keine Künstlerin, aber ihre Worte haben mir Mut gemacht, nicht still zu verzweifeln, sondern dranzubleiben bei den Versuchen, die Werte, die unsere Zivilisation ausmachen, aufrechtzuerhalten und weiterzugeben.


  • Hallo, Nadezhda.


    Ich bin kein Psychologe, wage aber die Einschätzung, dass Donald J. Trump durchaus darunter leidet, dass und wenn man ihn lächerlich macht, zumal er selbst reichlich dazu beiträgt. Ich bin auch unbedingt der Meinung, dass sich Politiker das gefallen lassen müssen, nicht nur zur Karnevalszeit, aber darum ging es mir nicht, sondern um die Wirkung. Seit es die Pegida und die AfD und all das gibt, wird hierzulande hauptsächlich überall immer wieder versucht, diese Leute lächerlich zu machen, und auch Trump zeigt man bevorzugt in den (vielen) lächerlichen Posen und Situationen, in die er gerät. Ich fürchte aber, dass das genau die gegenteilige Wirkung hat: Man erzeugt Trotz bei den Anhängern, eine Jetzt-erst-recht-Solidarisierung. Es fasst sich doch kein Trump-Wähler und kein Pegida-Anhänger an den Kopf und sagt sich: "Verdammt, wie bescheuert kann ich denn sein, solchen/solch einer Pappnase/n hinterherzulaufen?" Sie tun tatsächlich das Gegenteil: Sie stellen sich hinter ihre Helden, die man fortwährend ins Lächerliche zieht oder dort verortet, weil sie sich da schlicht befinden. Diese Form der Gegenkampagne fruchtet nicht. Umso weniger, da es verblüffenderweise eine starke intellektuelle Front sowohl hinter Trump, als auch hierzulande hinter AfD & Co. gibt.


    Aber die Antwort ist auch nicht, die - vermeintlichen - "Sorgen" der Anhänger ernstzunehmen und zu diskutieren. Man kann einfach nicht ernstnehmen, dass der Klimawandel erlogen ist oder die Flüchtlinge "uns" Jobs wegnehmen - beides ist schlicht falsch. Es sind m.E. auch keine echten Sorgen, die hinter solchen Annahmen stehen, es geht auch hier um Solidarisierung, um Gruppenbildung, um gemeinsame Feindbilder. Es hat sich inzwischen die Meinung etabliert, alle Politiker wären korrupte Nichtstuer, die nur auf ihre Diäten schielen. Es mag solche Politiker geben, aber die überwiegende Mehrheit macht einen sehr, sehr heftigen Job. Und trotzdem schließen sich Leute, die man für vernünftig halten könnte, Shitstorms an, bei denen es um solche Aspekte geht. Hier muss man gegensteuern. Nur wie? Satire funktioniert m.E. nicht. Zumal die Satire - siehe Trumps Vorschlag - längst Realität geworden ist. Ein Präsident sitzt vor Überlebenden eines Anschlags, der mit Schusswaffen durchgeführt wurde, und fordert, während er diesen Leuten ins Gesicht sieht, mehr Schusswaffen auszuteilen. Romanautoren würden Manuskripte, in denen so etwas vorkommt, von ihren Lektoren um die Ohren gehauen bekommen.

  • Dieses Buch hat dazu geführt, dass ich die US-amerikanische Mentalität, ihre Waffen-Affinität, ihren aggressiven Lobbyismus besser zu verstehen gelernt habe.


    Katherine J. Cramer - The Politics of Resentment


    Insofern passt der Vorschlag von Trump, die Lehrer zu bewaffnen, punktgenau in das Denken und Fühlen dieser Nation.


    Auch wenn der sogenannte "Kleine Mann" Trump völlig egal ist, so sieht paradoxerweise genau dieser "Kleine Mann" in Trump seinen Hero.


    Statt sich aber mit Trump politisch auseinanderzusetzen, macht man ihn zu einer Witzfigur - aber genau das schafft Märtyrer. Und wenn man damit so weitermacht - auch in den amerikanischen Medien - dann wird er auch für eine zweite Amtszeit gewählt werden.


    Man mag die amerikanische Waffenlobby sicher auch zu recht kritisieren - aber mal ehrlich, sind unsere Lobbyisten denn um einen Deut besser? Man denke da nur an die Autolobby und an die Pharmalobby (um jetzt einmal zwei Beispiele zu nennen).


    Lobbyismus ist eine echte Geisel der Menschheit - und was diese Spielart so gefährlich macht ist, dass man das Verhalten der Lobbyisten als normal und dem Zeitgeist zugewandt ansieht. Man hat die Lobbyisten als Normalität anerkannt und Lobbyist ist ja wohl auch schon eine seriöse Berufsbezeichnung.


    Der von mir sehr geschätzte "Postillion" vertrat die Ansicht, um solche Massaker zu verhindern, sollte man die Schulen abschaffen. (Zur Information: Der "Postillion" ist ein satirisches Nachrichtenportal bei dem Satire durchaus auch mal an die Schmerzgrenze geht).

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hallo, Voltaire.


    Ich bin nicht der Meinung, dass Lobbyismus eine Geißel der Menschheit ist. Lobbyisten sind Leute, die die Interessen von Gruppen politisch vermitteln, die auf Politiker und die Gesetzgebung einzuwirken versuchen. Das ist grundsätzlich erst einmal nichts Schlechtes. Woher soll ein Politiker wissen, wie die Hasenzüchter (als Gruppe) in einer Gesetzgebungssache denken, die die Hasenzucht betrifft? Wo soll ein Politiker Wissen über den Fahrzeugbau herholen, vor allem aber über die unheimlich komplexen Folgen, die Veränderungen der Gesetzeslage hier haben können? Politiker vertreten nicht nur Bürger, die sie wählen. Sie haben auch die Interessen von Gruppen und Körperschaften wahrzunehmen. Dafür, dass die auch gehört werden können, gibt es Lobbyisten. Sie vermitteln auch Informationen, werden also gezielt einbezogen.


    Worauf Du Dich beziehst, das ist die vermeintlich zu hohe Macht, die die Lobbys zuweilen haben oder zu haben scheinen. Die NRA (National Rifle Association) ist ein gutes Negativbeispiel. Dieser Interessenverband übt in den U.S. of A. äußerst starken Einfluss aus, allerdings hat er auch über 6 Millionen Einzelmitglieder und vertritt fast 11.000 Vereine und Firmen. George W. Bush war selbst Mitglied und hat sich seine Kampagne teilweise von der NRA finanzieren lassen. Trump hat drei Monate nach seiner Amtseinführung die Worte an die NRA gerichtet, sie haben nun einen "echten Freund" im Weißen Haus. Das beweist er mit seinen irritierenden Vorschlägen gerade. Die NRA ist als Lobbyistin äußerst erfolgreich, und in negativer Weise, wenn man so will. Das ist eine Geißel.


    Es gibt aber viele andere Lobbyisten, darunter Kirchen, Humanistische Verbände, Naturschutzverbände, Interessengruppen und Initiativen vieler Arten. Nicht alle sind in ihrer Lobbyarbeit gleich erfolgreich, aber es ist auch wichtig, dass es sie gibt. Es ist auch wichtig, dass die Fahrzeug- und Pharmaindustrie als Lobbyisten auftreten bzw. solche beschäftigen. Es wäre wichtig, diese Lobbyarbeit besser zu kontrollieren und Einflussnahme über ein akzeptables Maß hinaus einzuschränken. Das Modell ist sicherlich in vielen Hinsichten kritikwürdig, aber es ist, wie ich finde, grundsätzlich gut, dass es diese Einwirkungsmöglichkeiten gibt.


    Edit: Die Liste aller gut 2.000 akkreditierten Lobbyisten im Deutschen Bundestag wird offiziell geführt und ist hier:

    http://www.bundestag.de/blob/1…obbylisteaktuell-data.pdf

    einsehbar. Es ist ,wie ich finde, eine sehr interessante Liste.

  • Nadezhda  :* Danke für den Link zu dieser Nachrichtenseite The Nation


    Erschütternd auch, dass man in unseren Öffentl. rechtl. Nachrichten nur die Spitze des Waffenbergs zu sehen bekommt:

    "Parkland was the eighth school shooting and the 30th mass shooting of the year—and it was only Valentine’s Day. In the four days afterward, there were four more mass shootings."


    Ich hoffe diese Initiative der Studenten bewirkt dort etwas. :gruebel

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  • Trump ist kein Wunschkonzert, ebenso wenig wie Erdogan, Putin, Assad, Kim und viele andere. Wäre Clinton an die Macht gekommen, hätte Tom bestimmt einen Thread aufgemacht, der sich mit brutalen US-Kampfeinsätzen in Syrien beschäftigt. Aber Trump eignet sich hervorragend als Reizfigur, der tatsächlich die ganze Welt auf Trab hält. Dazu später mehr.


    Es gibt DIE USA nicht (im übertragenen Sinne). Die politischen Werte der großen West- und Ostküstenstädte sind durchaus mit denen der Großstädte Mitteleuropas vergleichbar - während dazwischen noch das Gesetz des größeren Pi…, nein Colts regiert. Das Land ist sogar noch gespaltener und polarisierter als Deutschland.


    Aber im Gegensatz zur Türkei funktioniert dort (noch) die Gewaltenteilung. Trump musste schon herbe Niederlagen einstecken. Ein gutes Reizthema ist der Klimawandel. Auch wenn Trump internationale Vereinbarungen ablehnt, heißt das nicht, dass einige Bundesstaaten und Städte das ebenso tun (Die USA SIND föderaler als Deutschland).


    Kommen wir zum Thema: Ich als Europäer habe logischerweise eine andere Meinung als Trump. Auf kurz- bis mittelfristige Sicht werden die USA das Gewaltproblem nicht lösen, dazu bedarf es eines außerordentlichen Bewusstseinswandels. Langfristig wird er aber kommen (müssen).


    Was mich kurz- bis mittelfristig viel mehr beunruhigt ist die Wirtschafts- und Finanzpolitik der USA. Zum einen die Fiskalpolitik, d. h. die enormen Schulden aufgrund der hohen Staatsausgaben (ein Großteil für Rüstung) und natürlich auch die mangelnde Regulierung der Finanzmärkte. Trump wird sie eher deregulieren. Wir können davon ausgehen, dass wieder Blasen entstehen, die die fragile Weltwirtschaft in den Abgrund stürzen könnten.


    Hinzu kommen protektionistische Maßnahmen, die zu einem Handelskrieg zwischen Europa und den USA führen könnten. Nicht auszumalen, was das für den Exportweltmeister Deutschland, also auch für unsere Arbeitsplätze und unseren Wohlstand bedeuten könnte.

  • Hallo, Kai.


    Mit dem ersten Absatz versuchst Du, Clinton und Trump wieder auf eine Ebene zu hieven, Clinton als eine Variante des Übels darzustellen, das Trump fraglos ist. Du folgst damit der (auch von der Trump-Fraktion forcierten) Kampagne, die in den U.S. of A. zu dieser Katastrophe geführt hat, dazu, dass diese "Reizfigur", letztlich inauguriert werden musste. Aber diese Behauptung ist schlicht falsch. Trump ist ein sexistischer, rassistischer, egoistischer, narzisstischer Psychopath, ein bösartiger und offensichtlich dummer, der Empathie vollständig unfähiger Machtmensch. Hillary Clinton mag ihre Fehler haben, aber sehr wahrscheinlich keine einzige der hier soeben genannten Eigenschaften. Dieses Märchen von Pest und Cholera ist ein Märchen, eine populistische Augenwischerei.


    Natürlich gibt es nirgendwo eine geschlossene Volksmeinung, sonst bräuchte es keine Wahlen. Und natürlich gibt es in jedem Land soziale und kulturelle Unterschiede zwischen den Regionen. So what? Am Ergebnis, und nur um das geht es, ändert das nichts.


    Trumps Wirtschaftspolitik ist ein anderer gefährlicher Aspekt. Oder seine Konfrontationspolitik im Nahen wie Fernen Osten. Oder, oder, oder. Aber hier und jetzt geht es gerade um die vielen Toten und Verletzten, die die Waffenpolitik in den U.S. of A. zur Folge hat. Die zumindest mir übrigens auch wichtiger als wirtschaftliche Aspekte sind. Die zu verhindern mir wichtiger als eine für mich ganz persönlich effizientere Wirtschaftspolitik wäre.


    Und, nein, ich hätte keinen Thread zu den US-Kampfeinsätzen in Syrien eröffnet, wenn die Amerikaner Hillary Clinton gewählt hätten. Syrien ist ein Problem, das meine Verständnisfähigkeiten bei weitem übersteigt. Ich spende ein bisschen und helfe hier und da ein wenig, um diese Ohnmacht zu besänftigen. Im Gegensatz dazu scheinen mir die Kausalitäten in puncto Waffen und Opfer in Nordamerika relativ klar(er) zu sein.

  • Die interessante Wahrheit ist ja auch:

    78 % der amerikanischen Erwachsenen besitzen gar keine Waffen.

    19% besitzen 50 % aller Waffen.

    Und 3 % besitzen die restlichen 50%. (Die Zahlen habe ich aus der Süddeutschen)


    Wie die amerikanische Waffenindustrie es seit Jahrzehnten fertigbringt, sehr effektiv gegen jede Verschärfung des Waffenrechts vorzugehen (und das nicht nur unter Trump oder republikanischen Präsidenten), das ist ein Beispiel, wie man auch mit den dümmsten Argumenten Stimmung machen kann. Und auf die Stimmung kommt es an - nicht auf Fakten.


    Es ist auch lange nicht der erste Industrieverband, dem es gelingt, die Ergebnisse von seriöser Forschung zu verschleiern, zu leugnen und deren wissenschaftliche Vertreter ins Aus zu bugsieren. Tabak und Pharma lassen grüßen.

    Das gibt es in USA, in Europa. Überall.


    Was nach meiner Meinung im Moment dazukommt, ist eine bewusste Ausnutzung von in allen Bevölkerungen vorhandenen Ängsten und Ressentiments. Die werden so lange angestachelt und gefördert, bis das erwünschte Ergebnis eintritt. Und es funktioniert überall. Ob die Opfer Rohingyas heißen, Flüchtlinge, Juden, Muslime, Schwarze, Christen, Frauen, Männer, Schwule, Aidskranke, Hexen - überall werden Minderheiten zu Sündenböcken gemacht, die man ungestraft niederknüppeln, verbrennen, ausgrenzen, bombardieren, vertreiben und was sonst noch alles kann.

    Amnesty International zeigt das gerade sehr deutlich auf.


    Ich weiß leider auch keine Lösung. Ich kann nur immer wieder an mir selbst arbeiten, kritisch in mich hineinhören. Was denke ich da eigentlich? Wessen Ideen sind das, die mir da durch den Kopf gehen?

  • ...

    Was mich kurz- bis mittelfristig viel mehr beunruhigt ist die Wirtschafts- und Finanzpolitik der USA. Zum einen die Fiskalpolitik, d. h. die enormen Schulden aufgrund der hohen Staatsausgaben (ein Großteil für Rüstung) und natürlich auch die mangelnde Regulierung der Finanzmärkte. Trump wird sie eher deregulieren. Wir können davon ausgehen, dass wieder Blasen entstehen, die die fragile Weltwirtschaft in den Abgrund stürzen könnten.


    Hinzu kommen protektionistische Maßnahmen, die zu einem Handelskrieg zwischen Europa und den USA führen könnten. Nicht auszumalen, was das für den Exportweltmeister Deutschland, also auch für unsere Arbeitsplätze und unseren Wohlstand bedeuten könnte.

    Die Wirtschaftspolitik wächst allerdings auf dem selbem Holz wie alle anderen Auswüchse: auf maßloser persönlicher und nationaler Überheblichkeit. Wer sich für den Größten hält, irrt leider häufig halbblind durch die Gegend.

  • Hallo Tom,


    Keineswegs habe ich beabsichtigt, Clinton und Trump auf eine Ebene zu hieven, natürlich gibt es zwischen beiden gravierende Unterschiede (Im Übrigen auch zwischen Putin, Kim ...).


    Ebenso wie bei uns, wie du bereits geschrieben hast: Ich denke, der Unterschied zwischen uns beiden ist eine unterschiedliche Beurteilung der Prioritäten. Du argumentierst moralisch und hier ganz besonders gesinnungsethisch, während ich die Auswirkungen Trumps eher auf einer Sachebene beurteile und falls ich dann doch moralisieren muss, dann beschäftige ich mich eher mit utilitaristischen Wertmaßstäben: Inwieweit beeinflussen Trumps Entscheidungen das Weltgeschehen?


    Daraus folgt: Was können wir tun, was kann Deutschland und Europa tun, um auf Trump einzuwirken?


    Und ich hoffe, dass er seine protektionistischen Maßnahmen ebenso überdenkt wie seinen Mauerbau an der mexikanischen Grenze.


    Das Waffenproblem will ich nicht geringschätzen. Überhaupt nicht. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass sich an den Waffengesetzen kurzfristig nichts ändern wird. Leider.

  • Ich glaube nicht, dass es in solchen Fragen Einwirkungsmöglichkeiten auf diesen Mann gibt - oder überhaupt. Aber Deine Sicht der Dinge ist interessant. Ich kenne wenige bekennende Utilitaristen. Ich habe an der HU Berlin vor einiger Zeit einen Vortrag von Peter Singer gehört, das war durchaus ... befremdlich.

  • Das sehe ich genauso. Das Schlimme ist meines Erachtens, dass andere Nationen nicht aus den Fehlern lernen und es besser machen. Wann gibt es endlich ein gutes Waffengesetz in Deutschland? Immer mehr Deutsche haben Waffen.

    Warum können nicht alle Menschen friedlich miteinander leben?

    Amerika hat vor einem Jahr gewählt. Wenn am Sonntag Wahl wäre, wie würde in Deutschland gewählt werden?

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Ist unser Waffengesetz wirklich unzureichend? Ich habe mich tatsächlich noch nicht näher damit befasst. :gruebel

    Im Moment fällt mir da nur der Amoklauf von Winnenden ein - und da hatte der Todesschütze die Waffe illegal von seinem Vater, der Sportschütze war, genommen. Und der hatte die Waffen unsachgemäß aufbewahrt - wurde rechtskräftig verurteilt deswegen.

    Wikipedia-Eintrag

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  • und da hatte der Todesschütze die Waffe illegal von seinem Vater,

    Das wäre auch mein Einwand gegen Trumps Vorschlag: Wer schützt dann vor einem amoklaufenden Lehrer und wer schützt davor, dass dem Lehrer eventuell die Waffe entwendet wird? Trump will Gift mit Gift bekämpfen, Watzlawick nannte das kurz "mehr desselben". Es vereinfacht doch eine Tat, wenn man die Waffe schon vorher an den potenziellen Tatort gebracht hat.


    Aber was bringen Diskussionen mit Menschen, die nicht zuhören und Argumente nicht aufnehmen (wollen), die in ihrer Meinung schon unendlich starr sind?

  • Und was nützen bewaffnete Lehrer in den Klassenräumen, wenn, wie in Portland, der Täter den Feueralarm auslöst, alle aus den Klassen laufen und dadurch schon zum Ziel geworden sind???

    Es gab ja auch Vorschläge, arbeitslose Veteranen als bewaffnete Bodyguards vor den Schulen aufzustellen.

    Dabei sind die meisten dieser Veteranen aus dem Grund arbeitslos, weil sie psychische Probleme haben, Suchtkrank sind oder andere Störungen, die natürlich auf die Kriegserlebnisse zurückzuführen sind. Nur, will man so jemanden auch noch bewaffnet vor Schule aufstellen?? Dasselbe in Grün wie mit amoklaufenden Lehrern.

    Eine Lösung wird es dafür so schnell nicht geben, vor allem wenn man eigentlich gar keine will.