Frank-M. Staemmler: Kränkungen. Verständnis und Bewältigung alltäglicher Tragödien

  • Frank-M. Staemmler: Kränkungen. Verständnis und Bewältigung alltäglicher Tragödien

    Verlag: Klett-Cotta 2016. 203 Seiten

    ISBN-10: 3608945857

    ISBN-13: 978-3608945850. 19,95€


    Verlagstext

    Warum treffen uns Kränkungen in intimen und anderen nahen Beziehungen oft so tief? Der Autor untersucht Entstehungsbedingungen und Dynamik dieser seelischen Verletzungen, analysiert die typischen Reaktionsmuster und zeigt bessere Verhaltensalternativen auf.

    Sie sind so alltäglich wie schmerzhaft: Kränkungen unter Paaren, engen Freunden und im Berufsleben. Warum verwunden uns ein Vorwurf, eine unbedachte Kritik, zu wenig Rücksichtnahme oder Aufmerksamkeit manchmal so tief, dass wir glauben, aggressiv zurückschlagen oder gleich die Beziehung in Frage stellen zu müssen?

    Der Autor untersucht die Dynamik von Kränkungen und die dahinter stehenden Denkmuster, denen wir aufgrund unserer kulturellen Prägung meist automatisch verfallen. Sie zwingen uns in einen Kreislauf von schmerzlichen Gefühlen, beleidigtem Rückzug und Racheimpulsen. Das Buch zeigt, wie wir mit einem tieferen Verständnis das geläufige Täter-Opfer-Schema hinterfragen, besser einordnen und auf konstruktive Weise überwinden können. Partnerschaften wachsen daran ebenso wie andere nahe Beziehungen.


    Der Autor

    Frank-M. Staemmler, Dr. phil., Dipl.-Psych., ist Psychologischer Psychotherapeut, Gestalttherapeut und Supervisor; er arbeitet in eigener Praxis in Würzburg und ist Co-Leiter im Zentrum für Gestalttherapie, Würzburg.


    Inhalt

    Der Psychotherapeut Frank Staemmler erläutert anhand von wenigen typischen Beispielen, in welchen Situationen Menschen kränkbar sind und wie wir den Vorgang des Gekränktseins selbst beeinflussen können. Er berichtet von Menschen, die abrupt vom Partner verlassen wurden, sich hintergangen fühlten, denen ein Wunsch mit einem klaren Nein abgeschlagen wurde oder die sich darüber ärgerten, dass andere sich verspäteten. Erklärungsmuster für Kränkungsprozesse ist nach Staemmlers Ansicht zu oft ein simples Täter-Opfer-Schema, das den Konflikt weiter verschärft. Weder beleidigter Rückzug noch aggressive Vorwürfe als Reaktion könnten dem Gegenüber die eigene Verletzung, die Ent-Täuschung verdeutlichen. Auch bildhafte Beschreibungen (auf die Füße getreten, auf den Schlips getreten, wie ein Messer im Rücken) würden die Situation weiter dramatisieren und eskalieren lassen. Um Kommunikationsfallen zu erkennen, gibt Staemmler seinen Lesern mit auf den Weg, dass Gekränktsein mit der Fehleinschätzung einhergeht, das Gegenüber hätte bewusst gehandelt, während in der umgekehrten Situation das eigene Verhalten für angemessen gehalten wird. Der eigene Ärger würde stets als weitreichender und verletzender empfunden als das Erleben des Gesprächspartners.


    Fazit

    Interessant fand ich seine Ausführungen, in welchen Bereichen wir kränkbar sind, wo also zwischenmenschliche Fettnäpfchen lauern, und warum der Stolz auf Geleistetes Künstler, Autoren oder Eltern besonders angreifbar macht für Kränkungen. Die Verarbeitung dieser Prozesse sei uns nur teilweise bewusst und getroffene Kausal-Verknüpfungen seien häufig falsch. Wichtige Einsicht ist demnach, dass unsere Wahrnehmung kein unbeschriebenes Blatt ist, sondern durch persönliche Einstellungen und Erwartungen geprägt, die wir verändern können, nachdem uns die Mechanismen klar geworden sind. Wie aktuell das Thema Kränkungen ist, wurde mir erst durch Randbemerkungen des Autors deutlich, dass ganze Völker kränkbar sind und Kränkungen in der unmittelbaren Gegenwart häufig Ursache von Kriegen, internationalen Konflikten oder Terroranschlägen waren. Nimmt man nur das Beispiel der Verspätung, wird deutlich, welches Kränkungspotential zwischen verschiedenen Kulturen lauert. Staemmlers Beispiele sind gut gewählt, weil mitten aus dem Leben gegriffen. Der relativ kurze Text enthält an Ort und Stelle Hinweise auf weiterführende Literatur, so man nicht erst zum Literaturverzeichnis blättern muss.


    Die im Original vermutlich farbig hinterlegten Merksätze wirken in der ebook-Ausgabe durch die helle Schrift zu kontrastlos, wer schlecht sieht, sollte zur Printausgabe greifen.


    10 von 10 Punkten