Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Das Cabaret des Bösen
Berlin im Januar 1928: Ein Toter wird in einem Schuppen im Hinterhof des Askanischen Gymnasiums gefunden. Direkt daneben befindet sich das Varieté- und Sensationstheater »Das Cabaret des Bösen«, dessen Besitzer seine aus dem Krieg stammenden Gesichtsverletzungen offensiv zur Schau stellt. Vor dem Fund der Leiche wurde eine verstörte junge Russin am Theater gesehen, auf der Suche nach einem gewissen »Fjodor«. Liegt der Schlüssel zu den mysteriösen Vorkommnissen um das Cabaret im Scheunenviertel, wo russische Emigranten in beengten Verhältnissen leben? Einmal mehr lernt Leo Wechsler bei seinen Ermittlungen unbekannte Gesichter seiner Stadt kennen.
Autorin (Quelle: Verlagsseite)
Susanne Goga lebt als Autorin und Übersetzerin in Mönchengladbach. Sie ist Mitglied des deutschen PEN-Zentrums. Außer ihrer Krimireihe um Leo Wechsler hat sie mehrere historische Romane veröffentlicht.
Allgemeines
Sechster Band der Reihe um Oberkommissar Leo Wechsler
Erschienen am 9. Februar 2018 bei der dtv Verlagsgesellschaft als TB mit 320 Seiten
Gliederung: Prolog – 30 Kapitel, jeweils mit Zeitangaben versehen – Nachwort – Verzeichnis historischer Persönlichkeiten – Danksagung
Erzählung in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven
Handlungsort und -zeit: Berlin und Stuttgart, im Januar 1928
Zum Inhalt
Im Geräteschuppen des Askanischen Gymnasiums in Berlin wird Anfang Januar 1928 ein Toter gefunden, der Mann ist erwürgt worden. Auf dem der Schule benachbarten Grundstück befindet sich „Das Cabaret des Bösen“, ein Sensationstheater, in dem ein besonders makabres Programm geboten wird, so werden beispielsweise chirurgische Eingriffe ohne Narkose oder Hinrichtungen durch die Guillotine täuschend echt nachgestellt. Der Direktor des Theaters, Louis Lemasque, passt vom Äußeren her gut zum Programm, sein Gesicht ist durch eine Kriegsverletzung grausam entstellt.
Der zunächst einzige Ermittlungsansatz für Leo Wechsler und seine Mitarbeiter besteht im Hinweis auf eine vermutlich aus Russland stammende Frau, die den Hausmeister des Sensationstheaters nach einem vermissten Mann namens Fjodor gefragt hat. Durch akribische Ermittlungen kommen die Kriminalbeamten einem Täter auf die Spur, dessen Taten in der Vergangenheit wurzeln.
Beurteilung
„Nachts am Askanischen Platz“ ist bereits der sechste Band der Reihe um Leo Wechsler, man kann ihn jedoch ohne Vorkenntnisse der vorherigen Romane lesen, da jeder Fall in sich abgeschlossen ist.
Die Handlung des aktuellen Mordfalls ist in einen sehr gut recherchierten historischen Kontext gestellt, im Roman treten viele historische Persönlichkeiten auf, so z.B. der plastische Chirurg Professor Jacques Joseph, der unzähligen Kriegsversehrten im wahrsten Sinne des Wortes ein neues Gesicht und damit Lebensqualität gab. Neben diesen interessanten Einblicken in die Anfänge der plastischen Chirurgie erfährt der Leser einiges über die russische Kolonie im Berlin der Zwanzigerjahre (russische Flüchtlinge) sowie über das Leben der ostjüdischen Bewohner der ehemaligen Spandauer Vorstadt. Die Untaten der Nationalsozialisten werfen schon ihre Schatten voraus, es wird aufgezeigt, wie diese junge Menschen für die Hitler-Jugend zu begeistern versuchen.
Der eigentliche Kriminalfall ist ziemlich komplex, das Motiv für den Mord ist zunächst nicht absehbar. Die Ermittler kommen langsam voran, dabei werden die Ermittlungsschritte sehr glaubwürdig und logisch nachvollziehbar aufgebaut. Der Leser folgt den Schritten von Leo Wechsler und seinen Kollegen und ist diesen wissensmäßig nicht voraus.
Die Kriminalbeamten sind als Persönlichkeiten sehr detailliert ausgestaltet, die Informationen, die – in nicht zu großem Umfang – über ihr Privatleben gegeben werden, fügen sich ideal in den historischen Kontext ein und thematisieren zeittypische Phänomene („Aufstieg“ des Nationalsozialismus, verbunden mit negativen Folgen für die jüdische Bevölkerung).
Der Erzählstil vermittelt ein anschauliches Bild vom Berlin der späten Zwanzigerjahre. Er ist zwar nicht von der Hochspannung eines Thrillers und damit auch nicht von Blutvergießen geprägt, aber die intelligente Konstruktion der Handlung mit allmählichem Erkenntnisgewinn für Ermittler und Leser sowie die Rückblicke auf die Geschehnisse des Ersten Weltkriegs machen es fast unmöglich, das Buch aus der Hand zu legen.
Dem Roman ist ein informatives Nachwort angeschlossen. Darin erläutert die Autorin, dass es in Berlin kein „Cabaret des Bösen“ gegeben hat und sie ihre Inspiration vom Pariser Théâtre du Grand Guignol bezogen hat.
Fazit
Ein intelligent konstruierter und in einen realen historischen Kontext eingebundener Kriminalfall, der auch für Leser ohne Vorkenntnisse der Reihe eine uneingeschränkt empfehlenswerte Lektüre darstellt!
10 Punkte