Malin und das weiße Rentier - Ingrid Zellner (6 – 8 Jahre)

  • Ingrid Zellner: Malin und das weiße Rentier. Eine Geschichte für Kinder und Erwachsene, Vierkirchen 2015, Magic Buchverlag, ISBN 978-3-944847-41-2, Softcover, 83 Seiten, Format: 13,1 x 1 x 19 cm, Buch: EUR 9,99, Kindle Edition: EUR 2,99.


    Winter in Nordschweden: Das Polarlicht leuchtet in den schönsten Farben, doch die sechsjährige Malin ist todtraurig: Ihre geliebte Großmutter ist gestorben. Nie wieder wird sie ihre wunderbaren Lieder und Geschichten hören und niemals mehr ihren himmlischen Zuckerkuchen genießen!


    Winter: Ein weißes Rentier taucht auf

    Malins Großmutter hat zum Volk der Sámi gehört. Ihre Eltern sind noch Rentier züchtende Nomaden gewesen. Oma war sehr naturverbunden und hat sich bemüht, dies an ihre Enkelin weiterzugeben. Weiße Rentiere, hat sie oft gesagt, seien etwas Besonderes. Wenn sie einen Menschen ansehen, wollen sie ihm etwas mitteilen. Genau so ein Tier steht jetzt bei Malin hinter dem Haus! Obwohl es mitten in der Nacht ist, zieht die Kleine schnell Anorak und Stiefel an und läuft dem Rentier entgegen. Es ist tatsächlich ein außergewöhnliches Exemplar: Es kann sprechen und stellt sich dem unglücklichen kleinen Mädchen als „Dálvi“ vor.


    Was Dálvi ihr denn sagen wolle, will Malin wissen. Nun, so einiges! Ein ganzes Jahr lang wird die weiße Rentierdame immer wiederkommen und Malin Interessantes, Wissenswertes und auch Tröstliches über die Natur und das Leben lehren.


    Am ersten Abend sprechen die beiden natürlich über den Tod. Den habe die Natur sich sorgfältig ausgedacht, meint Dálvi. Wenn alle Menschen und Tiere ewig leben würden und immer wieder neue zur Welt kämen, wäre ja irgendwann gar kein Platz mehr auf der Erde. Das leuchtet Malin ein. Und dass Omas Seele nun im Polarlicht ist und über sie wacht, will sie nur zu gerne glauben.


    Frühling: Was lebt, hat eine Seele

    Erst im Frühjahr kehrt Dálvi wieder zu Malin zurück. Sie erzählt dem Mädchen vom Schöpfungsmythos der Sámi und erklärt, dass in der Natur alles mit allem verbunden sei.


    Malin lernt außerdem, dass sämtliche Naturerscheinungen ihren Sinn und ihre Daseinsberechtigung haben. Man solle nicht jammern und schimpfen über den Regen oder die Mücken, sondern sich freuen, dass es das gibt. Der Regen tränkt die Erde und lässt Pflanzen wachsen und die Mücken dienen anderen Tieren als Nahrung. „Man kann mit allem seinen Frieden machen, Malin“, erklärt das Rentier. „Man muss es nur wollen.“ (Seite 33)


    Mittsommer: Die unsichtbare Wirklichkeit

    Die nächste Begegnung zwischen den beiden findet am Mittsommerabend statt. Diesmal erzählt Dálvi von Elfen, Wichteln, Trollen und Naturgeistern.


    Mit der „nicht sichtbaren Wirklichkeit“ tut Malin sich ähnlich schwer wie mit der Vorstellung, dass auch Steine eine Seele haben. Das ist vielleicht noch ein bisschen abstrakt für so ein kleines Mädchen. Malin will die Elfen und Trolle, von denen Dálvi erzählt hat, mit eigenen Augen sehen. Doch die lassen sich nicht so ohne weiteres aus der Deckung locken.


    Herbst: Geburtstag und acht Jahreszeiten

    Im Herbst hat Mailin Geburtstag und freut sich, dass auch ihre Rentier-Freundin vorbeikommt. Dieses Mal sprechen sie über den Respekt vor Nahrungsmitteln und darüber, ob es denn in Ordnung ist, als Mensch auch tierische Produkte zu verspeisen.


    Sie kommen auf ihre Lieblings-Jahreszeiten zu sprechen und Malin erfährt, dass die Sámi nicht nur Frühling, Sommer, Herbst und Winter kannten, sondern viel feinere Abstufungen machten und insgesamt 8 Jahreszeiten hatten. Diese Differenzierung ergibt für Nomaden, die auf die exakte Beobachtung der Natur angewiesen sind, natürlich Sinn. Nur die Systematik der Bezeichnungen hat sich mir ebenso wenig erschlossen wie der kleinen Heldin. Das liegt nicht an der Übersetzung der Autorin! Die Namen sind schon im Original so strukturiert: https://visitsweden.de/die-acht-jahreszeiten-der-samen/ Ein bisschen einheitlicher hätten die Sámi das ja schon regeln können ... ;-)


    Wintersonnwende und Weihnachten

    Zur Wintersonnwende schließt sich der Kreis. Dálvi und das kleine Mädchen unterhalten sich über das Lucia-Fest – das Lichterfest am 13. Dezember, bei dem die Mädchen Kränze mit Kerzen auf dem Kopf tragen. Malin erfährt zudem erstaunliche Zusammenhänge zwischen den Wintersonnwendfeiern der Sámi in vorchristlicher Zeit und dem Weihnachtsfest. Ist der Sámi-Schamane Nojde am Ende das Vorbild für unseren Weihnachtsmann?


    Die Freundschaft mit Dálvi ist für Malin sehr lehrreich und bereichernd. Und während sie ins Polarlicht schaut, fällt ihr Dálvis „nicht sichtbare Wirklichkeit“ ein. Wenn da oben jetzt die Seelen ihrer Ahnen sind, backt die Oma vielleicht im Himmel ihren Zuckerkuchen und tanzt und feiert zusammen mit den anderen das Wintersonnwendfest, und der Tod ist gar nicht so schlimm ...


    Kinder, die schon einigermaßen sattelfest im Lesen sind, können Malins und Dálvis Freundschaft selbst entdecken. Kleineren kann man das Buch auch „portionsweise“ vorlesen. Allzu jung sollte das Zielpublikum jedoch nicht sein. Wenn’s noch an den Weihnachtsmann glaubt oder mit dem Thema Tod noch nie konfrontiert wurde, besteht die Gefahr einer Überforderung. Da empfiehlt sich dann für den erwachsenen Vorleser, das Büchlein zunächst selbst zu lesen und dann zu entscheiden. MALIN UND DAS WEISSE RENTIER hat auch für lebenserfahrene Leserinnen und Leser interessante Informationen und Denkanstöße zu bieten.


    Die Autorin

    Ingrid Zellner, geboren 1962 in Dachau. Studium der Theaterwissenschaft, der Neueren deutschen Literatur und der Geschichte in München. 1988 Magisterexamen. Dramaturgin 1990 bis 1994 am Stadttheater Hildesheim und 1996 bis 2008 an der Bayerischen Staatsoper München. Veröffentlichung von Romanen, einem Kinderbuch, Kurzgeschichten, Theaterstücken, CD-Booklet-Texten und Artikeln. Freiberufliche Tätigkeit u.a. als Übersetzerin (Schwedisch) sowie als Schauspielerin, Regisseurin und Autorin.




    https://www.amazon.de/Malin-das-weiße-Rentier-Geschichte/dp/3944847415/ref

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner