Ashley Little: Niagara Motel
ASIN/ISBN: 3499290839 |
Broschiert: 272 Seiten
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag; Auflage: 1 (19. Mai 2017)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3499290839
ISBN-13: 978-3499290831
Übersetzung: Katharina Naumann
Verlagstext:
«Ich wurde in einem Waschsalon in Paris, Ontario, geboren. Wenn ihr Gina kennen würdet, wüsstet ihr, dass das gar nicht so merkwürdig ist. Gina ist meine Mutter. Sie sagt, sie ist Tänzerin. Sie meint damit, dass sie als Stripperin arbeitet. Und ab und an zieht sie das volle Programm durch, und dafür gibt es dann noch einen anderen Namen. Aber den darf ich nicht aussprechen.»
Tucker Malone ist elf Jahre alt. Zusammen mit Mutter Gina zieht er kreuz und quer durch Kanada, von Motel zu Motel. Tucker hat schon mehr von der Welt gesehen als die meisten Erwachsenen. Als Gina nach einem Unfall im Krankenhaus landet und Tucker im Jugendheim, beschließt er, dass nun der Zeitpunkt gekommen ist, endlich seinen Vater zu finden. Zusammen mit Meredith, sechzehn und schwanger, macht er sich auf die Reise in die USA, denn dort vermutet Tucker seinen Vater. Auf dem Highway Richtung Süden begegnen ihnen Glücksritter, Verrückte und Beladene. Und alle sind sie auf der Suche...
Autor:
Ashley Little hat Creative Writing studiert, bevor sie begann, Romane für Jugendliche und Erwachsene zu schreiben. Ashley Little lebt im Okanagan Valley in British Columbia. Für ihr Werk wurde sie mit mehreren kanadischen Literaturpreisen ausgezeichnet.
Mein Eindruck:
Tucker muss man eigentlich sofort ins Herz schließen. Seine Mutter Gina hat ihn bereits mit 16 Jahren bekommen, sie strippt, ist Narkoleptikerin und das unstete Leben hat ihn schon an 16 Schulen verschlagen. Normale Freundschaften kann man so nicht schließen, aber Tucker nimmt das recht gelassen. Er ist ein lieber, warmherziger Junge, der mit dieser Situation sehr selbständig umgehen kann. Er hat Gina, die eher wie eine große Schwester ist, und er hat eine ausgeprägte Beobachtungsgabe, mit der er alles um sich aufnimmt und auf seine kindliche Art analysiert.
Das gelingt der Autorin sehr gut, hier erzählt kein altkluges Wunderkind sondern ein elfjähriger, nachdenklicher Junge, der gern liest.
Natürlich hat er auch Wünsche, er würde durchaus mal gerne länger in einer richtigen Wohnung leben, denn dann könnte er auch einen Hund haben, ein großer Traum. Viel mehr wünscht er sich aber etwas über seinen Vater zu erfahren.
Da Gina dazu beharrlich schweigt, träumt er sich mit kindlicher Logik Sam Malone aus seiner Lieblingsserie Cheers in die Vaterrolle.
Als Gina nach einem schweren Unfall im Krankenhaus liegt, muss Tucker in ein Jugendheim. Er fühlt sich dort nicht wohl, wird von den älteren Jugendlichen gemobbt und macht sich Sorgen dort für immer bleiben zu müssen. Nur mit Meredith entwickelt sich eine Freundschaft, sie ist bereit ihn auf der Suche nach seinem Vater zu begleiten.
Diese erste Hälfte des Romans hat mich sehr angesprochen, mit feinem Humor werden die Figuren gezeichnet. Der Roadtrip, der dann folgt, konnte mich nicht im selben Maß begeistern . Der schnelle Wechsel der Mitfahrgelegenheiten lässt die Figuren oberflächlich und blass bleiben.
Da hatte ich mir mehr erwartet.
Die dramatischen Ereignisse in Los Angeles schockieren, es wird nichts beschönigt.
Tucker schafft am Ende die Rückkehr zu seiner Mutter. Wie er mit dem Erlebten fertig wird bleibt offen.
Jeder Donut hat sein Loch.
Und ich war wohl auch nicht mehr derselbe Junge.
Der Roman funktioniert für den erwachsenen Leser und sicher auch für Jugendliche.
Der Tagesspiegel listet es als Kinderroman, da wäre ich vorsichtig, da die gewalttätigen Unruhen in LA schon ziemlich drastisch dargestellt sind.
Mich hat der Roman berührt und in der ersten Hälfte konnte ich öfter mal schmunzeln.
Meine Empfehlung mit 8/10 Punkten.
(Ich stelle ihn mal unter Belletristik ein, bitte einfach verschieben, wenn das nicht angebracht ist.)
In diesem Buch gab es wieder viele Sätze und Stellen, die mir besonders gut gefielen. Ich sammle die immer für mich.
Wer sie auch gerne lesen möchte, findet sie unter dem Spoiler.
Zitate:
Ich wusste schon lange, dass ich ein Bastard war, weil dieses schlaue Mädchen namens Claire Christakos aus der zweiten Klasse in Winnipeg es mir gesagt hatte. Aber es war mir egal. Viele Menschen sind Bastarde. Es gibt eigentlich zwei verschiedene Sorten Bastarde, und die zweite Sorte hat mit Eltern gar nichts zu tun.
S. 42
-,und er platzte in jedes Zimmer wie ein Feuerwerkskörper.
S. 49
Selbst wenn man jemand gar nicht richtig kennt, kann man ihn besser verstehen, wenn man die Bücher liest, die er gelesen hat.
S.51
Ich schaute zu den Niagarafällen, in den weißen Dunst, der von ihnen heraufwallte. Es war, als ob eine riesige Wolke im Wasserfall gefangen wäre und sich nichts sehnlicher wünschte, als zu ihren Wolkenfreunden am Himmel zurückzukehren.
S.56
Gab es das, dass Leute Mütter klauten? Ich wusste, dass sie Kinder klauten. Wahrscheinlich dann auch Mütter. Mütter sind eigentlich ja auch viel nützlicher, wenn man mal genau darüber nachdenkt. Wenn man schon einen Menschen klaut, kann man auch gleich eine Mutter klauen. Dann kann sie dir Abendessen kochen und die Wäsche waschen und die Pullis stopfen. Ein Kind würde doch nur den ganzen Tag vor der Glotze sitzen und Pommes essen wollen.
S.77-78
Sie bat mich, in meinen eigenen Worten zu erzählen, was passiert war. Ich fand das irgendwie dumm, denn in wessen Worten hätte ich das denn sonst erzählen sollen.
S.92
Ich wollte so gern zu einem friedlichen Ort fliegen, zum Beispiel zum Mond oder zum Mars, von dem es heißt, er sei der Planet des Krieges, obwohl es auf dem Mars vermutlich eine Trillion Mal friedlicher ist als auf der Erde.
S.93
Höflich zu sein ist nicht dasselbe, wie lügen, obwohl es streng genommen immer noch lügen ist.
S. 128