Eine Insel zwischen Himmel und Meer - Lauren Wolk [10 bis 13 Jahre]

  • Lauren Wolk: Eine Insel zwischen Himmel und Meer

    dtv Verlagsgesellschaft (9. Februar 2018). 288 Seiten

    ISBN-10: 3423640359

    ISBN-13: 978-3423640350. 14,95€

    Vom Verlag empfohlenes Alter: 10 - 13 Jahre

    Originaltitel: Beyond the bright sea

    Übersetzerin: Birgitt Kollmann


    Verlagstext

    Emotional, herzzerreißend, liebevoll

    Crow hat ihr ganzes Leben auf einer winzigen Insel verbracht. Sie wurde, kaum ein paar Stunden alt, in einem lecken kleinen Boot an den Strand gespült. Osh, der einzige Bewohner der Insel, hat sie gerettet. Bei ihm ist Crow aufgewachsen. Nur eine hat ihm dabei geholfen, die couragierte und liebevolle Miss Maggie. Alle anderen Menschen halten sich von dem Mädchen fern. Immer schon wollte Crow wissen, woher sie stammt und warum man sie fortgeschickt hatte. Ist es möglich, dass sie gar nicht von so weit her kommt? Als eines Nachts ein unheimliches Feuer auf einer vermeintlich menschenleeren Insel aufscheint, steigen in Crow all die unausgesprochenen Fragen nach ihrer Herkunft auf. Stück für Stück fügt sie das Puzzle ihrer Vergangenheit zusammen und begreift, was Familie wirklich bedeutet.


    Die Autorin

    Lauren Wolk ist Schriftstellerin, Dichterin und bildende Künstlerin. Sie studierte an der Brown University Literatur, arbeitete u. a. als Redakteurin, Feuilletonistin und Lehrerin und ist derzeit stellvertretende Leiterin des Cultural Center of Cape Cod. Auf der Halbinsel ist sie mit ihrer Familie auch zu Hause. „Insel zwischen Himmel und Meer“ ist ihr zweiter Jugendroman.


    Inhalt

    Das Baby in dem angetriebenen Boot hatte so lange geschrien, bis es nur noch ein schwaches Krächzen hervorbrachte. Crow, Krähe, nennt der Mann auf der Insel das Findelkind und versorgt es, so gut er kann. Auf der Nachbarinsel Cuttyhunk, die ebenfalls zur Elisabeth-Inselkette nördlich von Martha’s Vineyard gehört, lebt Miss Maggie mit ihren glücklichen Kühen, Schafen und Hühnern. Daniel nannte sie den Fremden, der vor irgendeinem Krieg auf die Nachbarinsel floh und sich mit Fischen und Malen durchschlägt. Dass Daniel wirklich ein Baby versorgen kann, scheint Maggie schwer glauben zu können. So sieht sie regelmäßig nach den beiden, hilft bei Krankheit und unterrichtet Crow schließlich. Der Schulbesuch in der nächsten öffentlichen Schule dauerte nur einen Tag lang, weil Crow dunkelhäutig ist und die Einheimischen fürchten, sich bei ihr mit Lepra anzustecken. Auf der Roman-Insel Penikese hatte es früher eine Lepra-Kolonie gegeben; die meisten Patienten dort stammten aus Afrika und der Karibik. Die Handlung spielt um 1925; bis 1921 hat es auf der realen Insel Penikese tatsächlich eine Pocken- und Lepra-Kolonie gegeben, in der Kranke isoliert wurden.


    Mit 8 Jahren fragt Crow zum ersten Mal nach ihrer Herkunft und interessiert sich für die Welt außerhalb der Insel. Das Mädchen findet heraus, dass ihre Mutter ihr nach ihrer Geburt einen Namen gegeben hat und ein wohlüberlegtes Ziel verfolgte, als sie ihr Baby dem Meer anvertraute. Das Schicksal des Findelkinds scheint eng mit der benachbarten Lepra-Kolonie verknüpft zu sein. Crows Neugier steht ganz im Gegensatz zu Oshs Wunsch, die Vergangenheit ruhen zu lassen und niemanden auf die Inselidylle aufmerksam zu machen. Cape Cod als altes Piraten-Revier wird von Geschichten über sagenhafte Schätze umrankt. Crows Suche nach ihren Eltern überkreuzt sich nun mit einer abenteuerlichen und äußerst gefährlichen Schatzsuche auf den sagenumwobenen Inselchen.


    Fazit

    Eine Insel, ein Findelkind als Icherzähler, ein Pflegevater, eine gütige Ratgeberin und ein sagenhafter Schatz – daraus strickt Lauren Wolk die berührende Geschichte der Identitätssuche eines Kindes und der unausgesprochenen Ängste des Pflegevaters, seine Tochter zu verlieren, wenn sie erst einmal die Welt außerhalb der Insel kennengelernt hat. In ihrer Zeit beeindruckt Crow als ungewöhnlich unternehmungslustige Figur, die nicht konsequent die Perspektive eines Kindes einhält, das bis dahin die Inselgruppe noch nie verlassen hat. Für die Zielgruppe ab 10 Jahren bietet Lauren Wolks Jugendroman die komplexe Verknüpfung einer Coming-of-Age-Geschichte und einer abenteuerlichen Schatzsuche. Die Gegenüberstellung von biologischer und sozialer Elternschaft spricht jugendliche wie erwachsene Leser an; Crows Schicksal wird wohl keinen Leser unberührt lassen. Feine Verästelungen der Handlung werfen Fragen danach auf, was ein Mensch zum Leben braucht, nach der Entstehung von Vorurteilen gegenüber Außenseitern, aber auch nach Güte und Großzügigkeit.


    http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/2343058

    http://archive.boston.com/news…agedy_of_penikese_island/

    https://www.massmoments.org/mo…e-on-penikese-island.html


    8 von 10 Punkten

  • Vom Meer wird ein kleines Boot angeschwemmt. Darin befindet sich ein kleines Baby, kaum älter als ein paar Tage. Wo das Baby herkommt, weiß keiner – aber die Menschen der angrenzenden Inseln haben einen schrecklichen Verdacht der mit der gemiedenen Insel Penikese zusammenhängt. Dennoch zieht Osh, der das Boot fand, die kleine Crow wie ein eigenes Kind auf. Abgesehen von ihm und Miss Maggie, die Crow gelegentlich Unterricht gibt, wird die Kleine jedoch von den anderen Bewohnern gemieden. Ihr ganzes Leben verfolgt sie die Frage, wo sie herkommt und warum man sie weggegeben hatte. Erst als auf einer anderen Insel nachts ein seltsames Feuer zu sehen ist, geraten die Dinge ins Rollen und Crow findet mehr und mehr heraus, was damals geschah und wie es mit der Gegenwart zusammenhängt.


    Dieser Roman von Lauren Wolk ist für mich keinesfalls nur Jugendliteratur – man kann ihn mit jedem Alter lesen. Die Gefühlswelt von Crow ist so authentisch wiedergegeben, dass man die Person quasi vor sich stehen sieht. Die Verbindungen zu Osh und Miss Maggie sind tatsächlich etwas besonderes, nur begreift Crow das selbstverständlich noch nicht. Der Leser begleitet das Mädchen auf der Suche nach Identität und begleitet gleichzeitig die Erwachsenen, die mit Verlustängsten umgehen müssen.

    Gegen Ende erinnert das Buch eher an einen Abenteuerroman, aber die Geschehnisse könnten tatsächlich so passieren, wofür ich dankbar bin, denn ich hatte kurz Angst, die Autorin würde ins Fantasy-Genre abrutschen, was diesem Buch nicht gut getan hätte.


    Dennoch meine ich, in dem Buch eine gewisse Magie zu verspüren. Das mag daran liegen, dass die damalige Lebensweise von Osh und Crow als alleinige Bewohner einer kleinen Insel so anders ist, als das, was wir Stadtmenschen heute gewohnt, und es die Autorin schafft, die Idylle und auch die Probleme so darzustellen, dass man das Gefühl hat, in dem kreativ aus Strandgut gebauten Haus zu stehen und tatsächlich den Wind der rauen See zu spüren.


    Ein Buch, das ans Herz geht, allein schon anhand der Geschichte der Herkunft von Crow, als auch wegen der Vergangenheit der Menschen auf Penikese. Der Weg zum Erwachsenwerden; das Verlangen nach Informationen über die Herkunft; der Wunsch, das nicht zu verlieren was man hat und dennoch zu erfahren, wo man herkommt; all diese Dinge werden mit einer Kraft erzählt, die die Gefühle für den Leser greifbar macht.

    Ein weiterer Pluspunkt dieses Buches ist meiner Meinung nach, dass die Geschichte um die Insel Penikese tatsächlich zu großen Teilen historisch akkurat ist und mich betroffen und nachdenklich zurücklässt.


    Der einzige Grund, warum ich diesem Buch keine vollen 10 Punkte gebe, ist, dass ich im Mittelteil eines der Rätsel um Crows Herkunft viel zu schnell offensichtlich fand, während es die Charaktere im Buch über mehrere Kapitel hinweg noch nicht einmal vermuteten. Das mag damit zusammenhängen, dass man nach einigen Erfahrungen mit Büchern solche versteckten Hinweise richtig deuten kann und es war auch schon wichtig, dass die Hinweise da waren, aber vielleicht hätten sie noch kryptischer versteckt sein müssen. So musste ich den „Aha“-Effekt, den ich mir von der Herkunft erhofft hatte, leider vermissen, da ich schon lange vorher selbst drauf gekommen war. Mehr möchte ich dazu jetzt nicht sagen, um von der Handlung nichts zu verraten.

    Nichtsdestotrotz ist dieses Buch auf jeden Fall weiterzuempfehlen, ich hatte viele schöne Momente beim Lesen und werde es bestimmt in meinem Schrank behalten und an einem schönen Tag herausnehmen um es erneut zu lesen.


    Deswegen 8 von 10 Punkten