x Autorin: Franziska Seyboldt
x Originaltitel: Rattatatam, mein Herz: Vom Leben mit der Angst
x Genre: Erfahrungen
x Erscheinungsdatum: 11. Januar 2018
x bei KiWi
x 256 Seiten
x ISBN: 3462050478
x zur Leseprobe: *klick*
x erste Sätze: Ich war zwölf Jahre alt, als die Welt, in der ich bisher zu Hause war, verschwand. Gerade noch hatte ich auf der Liege im Behandlungszimmer gesessen, mit baumelnden Beinen und angemessenem Desinteresse an den Worten, die meine Mutter mit der Ärztin wechselte, ich hatte an meine Freundinnen gedacht, die in diesem Moment auf dem Schwebebalken balancierten, und mich geärgert.
Klappentext:
„An guten Tagen wache ich auf und bin eine Schildkröte. Dann spaziere ich bepanzert bis an die Zähne durch die Straßen, Tunnelblick an und los. An schlechten Tagen wache ich auf und bin ein Sieb. Geräusche, Gerüche, Farben plätschern durch mich hindurch wie Nudelwasser, ihre Stärke bleibt an mir kleben und hinterlässt einen Film, der auch unter der Dusche nicht abgeht. Ich taumele durch den Tag, immer auf der Suche nach etwas, woran ich mich festhalten kann.“
Rezension:
„Rattatatam, mein Herz: Vom Leben mit der Angst“ von Franziska Seyboldt erreichte mich unerwartet, und ich muss sagen: Zum Glück, denn sonst wäre diese Neuerscheinung vermutlich unbemerkt an mir vorübergezogen.
Normalerweise dauert es eine gewisse Zeit … meist Wochen, wenn nicht sogar Monate, bis ich dazu komme, einen Neuzugang zu lesen – aber dieses Buch begann ich noch am Tag der Ankunft zu lesen, was auch daran liegt, dass ich die Angst seit mehr als zehn Jahren persönlich kenne. Ich weiß, wie es ist, sie aus Angst vor Stigmatisierung vor Menschen, die über den Freundeskreis hinaus gehen, zu verstecken … und ich weiß auch, dass das eigentlich falsch ist. Dass Franziska Seyboldt unter ihrem richtigen Namen geschrieben hat, bestärkt mich, offen mit dem Krankheitsbild umzugehen – einen Knochenbruch würde man ja auch nicht verstecken ;-).
Direkt zu Beginn erzählt die Autorin, wo ihre persönliche Angst ihren Ursprung fand – in einer Arztpraxis, als sie zwölf Jahre alt war. Seitdem ist ihre größte Angst, unvermittelt ohnmächtig zu werden, denn egal wo einen die Ohnmacht und damit der Kontrollverlust ereilt – es ist immer gerade sehr unpassend.
Durch die kurzen Kapitel und fesselnde Sprachgewalt mit genialen Metaphern hat sich das Buch quasi von selbst gelesen. Im Prinzip musste ich nur stoppen, um mir besonders gute Stellen als Zitate herauszuschreiben, wie z. B. auf Seite 140: „Kurz: Ich bin an einem Punkt, an dem mir das Leben nicht mehr passt. Und weil es so eng ist wie ein eingelaufenes T-Shirt, habe ich keine Ahnung, wie ich es je wieder ausziehen soll.“
Was mir aber am besten gefallen hat, war die Personifizierung der Angst. Einerseits macht dies aus der Angst etwas Greifbares, andererseits nutzt die Autorin dies, um darzustellen, dass die Angst eben wie eine eigene Person ist. Sie ist trotzig, fies, mal länger nicht da – Zeiten, in denen man hofft, sie bleibt, wo auch immer sie ist -, und dann kommt sie doch wieder, natürlich im unpassendsten Augenblick.
Im Prinzip kann ich „Rattatatam, mein Herz“ jeder einzelnen Person ans Herz legen. Die Zeit, in der psychische Krankheiten ein Tabuthema sind, ist dann vorbei, wenn offen damit umgegangen wird. Aber Leser, die auf Wortspiele und Metaphern stehen, werden natürlich ganz besonders auf ihre Kosten kommen. Das Einzige, was das Buch von einer „Lieblingsbuch“-Bewertung trennt, ist: Ich hätte mir das Buch noch ein wenig länger gewünscht, um die Autorin und ihre Angst noch besser kennenzulernen.
Fazit:
Franziska Seyboldt setzt mit Wortgewalt und Offenheit ein Zeichen gegen die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen – ein richtig tolles Buch.
Bewertung:
8 von 10 Sternen