Die schöne Insel - Tereza Vanek

  • Bookspot, 2017

    Edition Carat

    ISBN 978-3-95669-050-1

    448 Seiten, Klappenbroschur


    Kurzbeschreibung:

    Shanghai anno 1900. Als uneheliches Kind von ihrer Stiefmutter verstoßen, bleibt die junge Russin Anastassia allein in der Stadt zurück, da sie sich einer erzwungenen Heirat widersetzt. Durch Zufall trifft sie auf das chinesische Mädchen Clio, das aus einem Bordell geflohen ist, und die beiden Frauen verbünden sich. Während Clio mit Anastassias Hilfe in einem Missionshaus unterkommt, findet die junge Russin eine Anstellung bei dem wohlhabenden deutschen Geschäftsmann Felix Hoffmann. Schon bald merkt Anastassia, dass sie Gefühle für ihn entwickelt. Doch als der auf Clio trifft, ist er auf der Stelle fasziniert von der schönen Chinesin. Clio dagegen hat ihr Herz bereits verschenkt – ausgerechnet an den japanischen Offizier Nobu und damit an ein Mitglied eben der Besatzungsmacht, die in Clios Heimat, der Insel Formosa, ein strenges Regime führt. Um ihn endlich wiederzusehen, kehrt die Chinesin, begleitet von Anastassia, zurück zur „schönen Insel“, wo Zauber und Gefahr die beiden Frauen erwarten.


    Über die Autorin:

    Tereza Vanek wurde 1966 in Prag geboren und wuchs in München auf. Dort studierte sie Anglistik, Romanistik und Slavistik, im Anschluss erwarb sie den Doktortitel Dr. phil. Ihre Romane überzeugen durch Liebe zum Detail.


    Mein Eindruck:

    Mit „die schöne Insel“ ist Taiwan um 1900 gemeint. Für die in Shanghai aufgewachsene Russin Ana ist es eine schöne Gegend, bis die Unruhen eskalieren und die japanischen Besetzer hart durchgreifen. Die Stärke des Romans liegt darin, dass man als Leser erfährt, wie Ana als Fremde im Land das Geschehen wahrnimmt.

    Die junge Ana ist eine ruhige, fast zurückhaltende Persönlichkeit. Doch nach dem Tod ihres Vaters, nachdem sie alleine auf sich gestellt ist, entwickelt sie sich zu einer starken Frau. An ihrer Seite ist die Chinesin Clio, um die sie sich kümmert. Ihre Freundschaft ist anrührend, aber ohne Pathos dargestellt. Clio hatte sich in einen Japaner verliebt, doch dessen Familie duldet die Verbindung nicht. Clio kann sich von ihren Gefühlen aber nicht lösen, daher ist es eine schwierige Situation.

    Ana ist von dem Taiwaner Difang fasziniert. Obwohl Liebesbeziehungen eine Rolle im Buch spielen, wird es dadurch kein Liebesroman. Die Hauptsache ist die Gesamtdarstellung des Landes im Kontext der historischen Geschehnisse und Bedingungen, und das aus dem Blickwinkel einer Frau.


    Mir gefällt, wie angenehm der Roman zu lesen ist, selbst in dramatischen Szenen verliert der Stil nie seine Eleganz. Grausamkeiten der Japaner gegenüber den wehrlosen Dorfbewohner in Taiwan werden zwar erwähnt, aber nicht im Detail beschrieben. Tereza Vanek wertet nicht direkt sondern zeigt die Situationen im Zusammenhang der Zeit. Dazu gehört auch die Rolle der Frau in der chinesischen Gesellschaft, die nicht an heutigen Maßstäben gemessen werden darf.


    Die schöne Insel ist ein guter historischer Roman in einer angemessenen Form.


    ASIN/ISBN: 3956690508

  • Tereza Vanek ist eine meiner Lieblingsautorinnen im Genre Historische Romane.

    Sie schreibt fesselnd und spannend aus der exotischen Geschichte Chinas. Die schöne Insel ist der dritte Teil der China-Reihe.

    Dieser Roman beginnt im um 1900 in Shanghai. Die Unterschiede zwischen dem Internationalen Viertel und dem chinesischen Teil ist groß. Die Protagonistin Anastassia ist die Icherzählerin des Ganzen. Sie ist in Russland geboren worden und in Shanghai aufgewachsen. Sie arbeitet im Laden ihrer Eltern. Nach dem Tod ihres Vaters erfährt sie, das die Mutter nur ihre Stiefmutter ist und sich von ihr abwendet. So ist sie plötzlich auf sich gestellt, sie schafft es schnell sich zu behaupten. Die chinesische junge Clio wird von Anastassia gerettet. Sie freunden sich an und wohnen seitdem zusammen.

    Durch ihren Chef gelangen die Beiden auf der Insel Taiwan, auch Formosa genannt. Wir dürfen die Natur und die Eingeborenen mit ihren Augen sehen ud an ihren Empfindungen teilnehmen. Annastassia hilft bei der Krankenpflege bei den Missionaren aus und unterrichtet Kinder. Sie sieht alles aus eigener Sicht, denn eigentlich ist sie als Jüdin aufgewachsen. Den bekannte Missionar George Leslie Mackay, 1844 bis 1901, wird in die Geschichte eingebettet, ist aber eine Nebenfigur.


    Dann übernehmen die Japaner die Insel, da kommt es zu Konflikten mit den Ureinwohnern.

    Die Autorin versteht es alles genau zu erzählen. Die ganze Szenerie ist grandios angelegt.

    Tereza Vanek konnte mich mit diesem Roman wieder beeindrucken und begeistern.

  • Tereza Vanek: Die schöne Insel. Historischer Roman, München 2017, Edition Carat / Bookspot Verlag, ISBN 978-3-95669-050-1, Klappenbroschur, 435 Seiten, Format: 13,8 x 3,5 x 21,6 cm, Buch: EUR 10,21, Kindle: EUR 1,99. (Anscheinend gibt’s das nur noch als eBook. Ich habe den Roman noch als Printausgabe gelesen.)


    Vor Jahren habe ich mit Begeisterung Band 1 und 2 dieser Reihe gelesen: DAS GEHEIMNIS DER JADERINGE und DIE REBELLIN VON SHANGHAI. Historische Romane, die einen nach China führen, findet man nicht alle Tage. Neulich habe ich durch Zufall mitbekommen, dass 2017 ein dritter Teil erschienen ist: DIE SCHÖNE INSEL. Das hätte mir auch mal jemand sagen können! 😉


    Zitat

    „Natürlich taugten Chinesinnen viel besser, um westlichen Männern das wahre China zu zeigen. Eine Russin, die ihre Heimat nicht kannte, die keine richtige Jüdin war und auch keine Goy, konnte niemandem etwas näherbringen, weil sie nirgendwo hingehörte.“ (Seite 84)


    Shanghai 1900: Man muss die ersten beiden Bände nicht kennen, um der Handlung folgen zu können. Heldin ist hier eine Nebenfigur aus Band 2, die jüdische Krämertochter Anastassia „Ana“ Gregorowa Nikitina, 19. Die hat sich gerade mit ihrer besten Freundin Charlotte Huntingdon verkracht. (Charlotte und ihre Adoptiveltern Viktoria und Jinzi waren die Hauptfiguren der beiden vorigen Bände.)


    Allein in Shanghai

    Der Streit wäre nicht das Schlimmste. Jetzt wird auch noch Anas Vater Gregor krank und stirbt. Ihre Mutter, Sophia, die das Leben in Shanghai immer gehasst hat, eröffnet Ana, dass sie mit ihrem Sohn Aron zurück nach Russland gehen wird. Ana müsse aber selber sehen wo sie bleibt, denn sie sei Gregors Tochter aus erster Ehe mit einer deutschen Christin, und sie, Sophia, sei froh, sie endlich los zu sein.



    Was soll Ana jetzt mit ihrem Leben anfangen? Der Zufall führt die künstlerisch begabte junge Frau zu einem kleinen Kunstgewerbeladen, der das Hobby des wohlhabenden deutschen Geschäftsmanns Felix Hoffmann ist. Er freut sich, in Ana eine geistesverwandte Künstlerseele gefunden zu haben und stellt sie nur zu gern als Verkäuferin ein. Eine kleine Wohnung findet sich auch, und das ganze scheint auf ein Happy End zuzusteuern.


    Schicksalhafte Begegnungen

    Doch eine weitere Zufallsbekanntschaft erweist sich für Ana als schicksalhaft: Als sie durch die Stadt geht, fällt ihr plötzlich eine junge Chinesin vor die Füße, die aus einem Bordell getürmt ist. Ming Chun-Ke, genannt Clio, ist eine kultivierte Kaufmannstochter aus Taipeh (Formosa, heute Taiwan), die durch eine Verkettung ungünstiger Umstände in diesem Etablissement gelandet war. Ana hat Mitleid mit ihr und nimmt sie mit nach Hause. Bleiben kann sie nicht. Ana bringt sie in einer Missionsschule unter.


    Als Felix Hoffmann die schöne Clio kennenlernt, ist er hingerissen und will sie unbedingt heiraten. Clio zögert. Ihr Herz gehört dem Japaner Nobu, den sie daheim in Taipeh kennengelernt hat, aber leider verlassen musste.


    Neue Chance in Formosa

    Als sich für Clio die Chance bietet, Felix Hoffmann für eine Geschäftsreise als Dolmetscherin nach Formosa zu begleiten, greift sie zu. Ana kommt zur moralischen Unterstützung mit. Ihre Vielsprachigkeit wird ihr dort aber nichts nützen.


    Formosa ist wunderschön aber im Vergleich zu Shanghai noch ein wenig rückständig. Ana staunt: Es gibt dort Ureinwohner? Das hat sie nicht gewusst. Die sind dunkelhäutig und stämmiger als die Chinesen und mehr oder weniger „Wilde“. Sie haben eine Kultur, die ziemlich frei von Zwängen zu sein scheint. Ana gefällt das. Bei den Ami, mit denen sie hauptsächlich zu tun hat, haben die Frauen das Sagen. Und das funktioniert ganz wunderbar!


    Bei den Ureinwohnern

    Als Ana dem kanadischen Missionar George Mackay begegnet, fragt sie sich, warum man die Ureinwohner unbedingt christianisieren muss. Kann man sie nicht einfach so leben lassen, wie das seither gut für sie war? Dass ihnen Bildung nicht schaden kann, weil sie auf Dauer der Zivilisation nicht entgehen können, leuchtet ihr dagegen ein, und sie verdingt sich bei den Missionaren als Englischlehrerin.

    Clio schließt sich der Mission ebenfalls an, weil sie hofft, ihren Freund Nobu wiederzusehen.


    Freunde, Feinde, Leidensgenossen

    Ana hat sich inzwischen in einen westlich gebildeten rebellischen Eingeborenen-Krieger verguckt, Clio sympathisiert mit den Japanern, die die Insel angeblich modernisieren wollen. Und auf einmal steht die Frage im Raum, ob die Freundinnen noch auf derselben Seite stehen. Das ist kein Thema mehr, als sie zu unfreiwilligen Schicksalsgenossen werden: Eingeborene nehmen Ana, Clio und Nobu als Geiseln um den Abzug der Besatzer zu erzwingen. Da kennen sie die Japaner aber schlecht …!


    DIE SCHÖNE INSEL ist ein packendes Abenteuer, nicht zuletzt, weil man sich natürlich fragt, wie die Geiseln wieder freikommen, wo ihnen doch kein Verbündeter helfen kann, ohne sich ins eigene Fleisch zu schneiden. Wer Freund und wer Feind ist, ist dabei nicht restlos geklärt. Gleichzeitig geht der Roman kritisch mit den Themen Kolonisation und Mission um. Da geht’s doch nur darum, dass der Stärkere dem Schwächeren etwas wegnimmt und ihm die eigenen Wertvorstellungen aufdrückt!


    Eine moderne, kritische Frau

    Ana, die Frau ohne Heimat, Religion und Familie, aufgewachsen im multikulturellen Shanghai, kann diesen Formen der Unterdrückung nichts abgewinnen. Auch vor kulturellen und gesellschaftlichen Zwängen hat sie keinen Respekt: Was? A und B dürfen nicht heiraten, weil Familie oder Tradition das nicht erlauben? Pfff! Dann sollen sie irgendwo hingehen, wo das niemanden interessiert! – Mit dieser Einstellung ist Ana ihrer Zeit weit voraus und stößt bei ihren Zeitgenoss:innen häufig auf Unverständnis. Wir Leser:innen von heute teilen ihre Ansichten schon eher.


    Es gäbe noch vieles zu erzählen

    Ich fand Band 3 so spannend und informativ wie die beiden Vorgängerbände. Ich würde jederzeit auch einen Band 4 lesen. Zum Beispiel wüsste ich gerne, was aus Charlotte wird – mit oder ohne David Stuart, für welchen Lebensweg sich Clio entscheidet und wie’s mit Ana und ihrem Ami-Krieger weitergeht. Und wenn jemand Licht ins Dunkel von Anas Herkunft brächte, wäre ich auch nicht beleidigt. Von ihrer leiblichen Mutter kennt sie nur den Spitznamen. Da gäbe es bestimmt noch allerhand zu erzählen!


    Die Autorin

    Tereza Vanek ist in Prag geboren, in München aufgewachsen und seit 2007 veröffentlichte Autorin. Vorher studierte sie Sprachen, lebte einige Zeit im Ausland und schlug sich mit den verschiedensten Jobs durchs Leben. Ihr besonderes Interesse beim Schreiben gilt historischen Ereignissen, ungewöhnlichen Frauengestalten und der Begegnung von Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen. Sie lebt in München mit ihrer Familie, Katzen und Papageien.


    ASIN/ISBN: B073RDHKVZ

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner