Altgediente Eulen können sich vielleicht noch an diese Weihnachtsgeschichte erinnern.
Als ich beim Brainstormen für meinen diesjährigen Adventskalenderbeitrag war ("Hüüülfääää, mir fällt nix ein! Gar nix! Weniger als nix!") hieß es: Erinnerst Du Dich noch an die Delaney Street? Mach was draus!
Und plötzlich hatte ich zwei Geschichten.
Da wir aber glücklicherweise keinen Reserve- oder Ersatzbeitrag benötigten, stelle ich sie - weil Weihnachten ist - noch als zusätzliches kleines Geschenk dieses Jahr schon ein. Und, weil ich nicht bis nächstes Jahr warten wollte. Da zerbreche ich mir dann lieber wieder nächsten Herbst den Kopf ---> "Hüüülfääää, mir fällt nix ein! Gar nix! Weniger als nix!"
Jetzt aber viel Spaß mit meiner kleinen Geschichte. Habt noch frohe Feiertage. Ihr solltet aber natürlich die ursprüngliche Geschichte kennen. Oder nachlesen.
Weihnachten in der Delaney Street ... 20 Jahre später
Trubel herrschte in der Delaney Street. Das kleine Dienstbotenhaus wurde auf Hochglanz geputzt und gewienert, schließlich stand Weihnachten vor der Türe. Das erste Weihnachten in Frieden.
Viel hatte sich geändert in den letzten 20 Jahren: Mr Worthington war nicht mehr aus dem großen Krieg zurückgekommen und in den letzten Kriegstagen setzte eine Bombe das große Herrenhaus in Brand. Mit viel Mühe und unter Gefahr für Leib und Leben konnten die Bediensteten noch einen Teil des Hausrats retten und in das Dienstbotenhaus schaffen. Doch das stattliche Gebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder. Alles Hab und Gut war verloren. Mrs Worthington, die Hausherrin, verlor daraufhin ihren ganzen Lebensmut. Sie legte sich eines Tages zum Schlafen in ihr Bett und erwachte nicht mehr.
Jetzt war nur noch die kleine Emma übrig, die zu einer adretten jungen Frau herangewachsen war. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, verdingte sie sich als Sekretärin eines wohlhabenden Privatiers. Doch trotzdem reichte das Geld nur knapp zum Überleben für ihre kleine Familie.
Ihre Familie, das waren nun Jarvis, der einstige Major Domus des Herrenhauses und Mrs Parker, die Köchin. Das Schicksal hatte sie in den schweren Jahren des großen Krieges zusammenwachsen lassen und aus einer Notgemeinschaft war ein fester Verbund geworden. Jarvis und Mrs Parker hatten nach all den Jahren gemeinsamer Zusammenarbeit ihre Liebe füreinander entdeckt und trugen sich trotz ihres fortgeschrittenen Alters mit romantischen Heiratsplänen.
Doch erst einmal stand Weihnachten vor der Türe. Seit vielen Wochen hatten sich alle drei einen kleinen Vorrat an Lebensmittelmarken vom Munde abgespart und es herrschte ein heimliches Wuseln in allen Zimmern. Endlich war es soweit. Jarvis war es gelungen, einen jämmerlichen kleinen Weihnachtsbaum aufzutreiben, den niemand gewollt hatte und mit Wollfäden und schiefen, selbstgebastelten Sternen wurde das Bäumchen geschmückt, so gut es ging.
Mrs Parker hatte aus den kärglichen Lebensmitteln, die sie mit den Marken auftreiben konnte, ein wahres Wunder vollbracht. Im ganzen Haus duftete es nach dem Huhn, das sie irgendwie organisiert hatte und nach ... Plätzchen! Wie war sie nur an Eier, Butter und Zucker gekommen? Wie von Zauberhand tauchten unter dem Weihnachtsbaum drei kleine Päckchen auf. Jetzt konnte es losgehen!
Draußen schneite es in dicken Flocken, während im Inneren des Häuschens leise ein Gebet für ihre verstorbenen Familienmitglieder gesprochen wurde. Man schwelgte in Erinnerungen an Mr und Ms Worthington und die gute alte Zeit. Dabei wurde viel gelacht und viel geweint. Nach den Jahren der Entbehrung und der Verluste mundete ihnen das magere Huhn besser als jeder noch so opulente Festtagsbraten.
Anschließend packten sie ihre selbstgemachten Geschenke aus: so gab es eine Mütze für Jarvis, einen Schal für Emma und dicke Socken für Mrs Parker. Außerdem lag noch eine kleine Schachtel mit der Aufschrift "Emma" unter dem Baum.
Vorsichtig öffnete Emma das Päckchen. Sie glaubte, ihren Augen nicht trauen zu können. Vor ihren Augen lag das schönste Weihnachtsgeschenk, das sie in ihrem ganzen Leben bekommen hatte: es war ein kleiner, schiefer Weihnachtsengel, den ihr Vater damals, in den "guten Zeiten" nur für sie und ihren kleinen Weihnachtsbaum auf dem Dachboden geschnitzt hatte. Jarvis mußte ihn in den Brandruinen des Herrenhauses gefunden haben.
Emma weinte bitterlich, vor Trauer um die Familie, die sie verloren hatte. Aber auch vor Glück wegen der Familie, die sie nun hatte.