Der 21. Dezember von Batcat
Der Weihnachtspullover
Anfang November
Jens und Timo lagen zusammengekuschelt auf der Couch. Kerzen brannten und auf dem Couchtisch standen halbgefüllte Weingläser. Auf dem Bildschirm lief gerade der Abspann von „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“, ihrem gemeinsam Lieblingsfilm.
Jens drehte sich zu Timo. „So eine Hochzeit ist schon was Schönes. Tiefes. Einzigartiges. Und sie verbindet ein Paar noch mehr als alles andere. Ich liebe Dich so unendlich und ich möchte bis an mein Lebensende mit Dir zusammenbleiben. Möchtest Du mich nicht heiraten... jetzt, wo wir es jetzt endlich dürfen?“ Timo blieben die Worte weg… er bekam nur noch ein heiseres „JA!“ hinaus und das war für längere Zeit auch das einzige, was zu sagen war.
Vier Wochen später
„Timo, alles was ich mir von Dir zu Weihnachten wünsche ist, daß Du Deinen Eltern endlich sagst, daß Du schwul bist. Willst Du sie etwa unwissend zu unserer Hochzeit kommen lassen? Oder willst Du sie etwa gar nicht einladen? Ich möchte Deine Familie doch auch endlich kennen lernen. Versprich mir bitte, daß Du es ihnen an den Feiertagen sagst, wenn Du sie zu Hause besuchst.“ Timo schluckte.
Weihnachten
Timo fuhr wie alle Jahre wieder in sein Heimatdorf, um seine Eltern zu besuchen. Diesmal hatte er ein wenig Angst davor. Das Versprechen, das er Jens gegeben hatte, lastete schwer auf seinem Herzen.
Wie sollte er das seinen alten Eltern nur beibringen? Sie lebten ihr ganzes Leben auf dem Dorf, legten Wert auf die Meinung der Nachbarn und gingen jeden Sonntag zur Kirche. Ein homosexueller Sohn passte da sicher nicht in ihr Weltbild.
Die Begrüßung erfolgte daher eher verhalten, obwohl Timo sich sehr auf seine Eltern gefreut hatte. Die nächsten Tage versuchte er immer wieder, das Thema anzusprechen.
„Mama, ich muß Dir etwas sagen, …“ Timo stockte. Seine Mutter, die gerade noch seine Lieblingskekse buk, sah vom Plätzchen ausstechen auf und sah ihn aufmerksam an. „Ja, Timo?“ „Ich wollte Dir nur Danke sagen, daß Du jedes Jahr nur für mich extra diese tollen Kekse machst!“ Mist. Verkackt. Wieder zu feige gewesen.
Später ging er mit seinem Vater und dem Schäferhund Fritz spazieren. „Papa, weißt Du eigentlich…“ Sein Vater hielt inne und blickte ihm direkt in die Augen „… daß heute besonders viele Sternschnuppen zu sehen sein sollen?“ Innerlich schlug er sich selbst links und rechts ins Gesicht. Trottel!!! So wurde das nie was. Er verfluchte sich selbst.
Heiligabend
Wie immer saß die Familie nach der Christmette noch bei einem Glas Wein beisammen. Eigentlich schenkten sie sich schon lange nichts mehr, aber diesmal lag ein einzelnes Geschenk unter dem Baum. Es trug Timos Namen. Verwundert blickte Timo darauf, aber seine Eltern lächelten ihn an und nickten auffordernd.
Vorsichtig packte Timo es aus und zog aus dem Paket … einen furchtbar hässlichen Weihnachtspullover. Er war in Regenbogenfarben gestreift und hatte als Frontmotiv zwei sich küssende Elche. Das war definitiv der hässlichste Weihnachtspullover. Ever.
Timo versuchte, so gut es ging, sein Entsetzen zu verbergen. Vorsichtig hielt er das scheußliche Teil vor sich. Sah auch noch so aus, als hätte es die richtige Größe. Mist. Da fiel ein kleines Kuvert hinunter, das vorher im zusammengelegten Pullover gesteckt hatte.
Verwundert nahm Timo den Umschlag und zog einen Brief heraus.
Lieber Timo,
wir wissen schon lange, daß Du schwul bist. Wir sind Deine Eltern! Wir haben das schon sehr lange gefühlt, wollten aber Dir den Zeitpunkt überlassen, an dem Du uns das sagst.
Da wir aber inzwischen das Gefühl haben, Du führst ein Doppelleben, das Dich belastet, wollten wir die Initiative ergreifen und Dir sagen: es ist völlig OK, schwul zu sein.
Wir lieben Dich und wir wollen, daß Du glücklich bist. Und wenn Du einen Freund hast, dann würden wir ihn sehr gerne kennenlernen.
In Liebe
Deine Eltern
Timo spürte, wie ihm die Tränen kamen. Er umarmte seine Eltern. Allen dreien liefen Tränen übers Gesicht. Und plötzlich verstand er auch das Geschenk. Regenbogenfarben. Küssende Elche. Alles klar! Das war definitiv der coolste Weihnachtspullover. Ever.