Bernhard Schlink: "Selbs Mord"

  • „Am Ende“ sind das erste und das letzte Kapitel dieses abschließenden Romans der Trilogie überschrieben. Selb ist über siebzig, hat gesundheitliche Probleme, verschließt die Zigaretten im Schrank, um den Weg zum ersten Zug zu verlängern, aber eigentlich ist er sich mehr als bewußt, daß die Zeit verrinnt. Seine Welt verringert sich, auch physisch; die Freunde sterben weg. Einzig Dauerfreundin Brigitte, die noch immer auf den Antrag wartet, scheint verläßlich zur Seite zu stehen.


    Zufällig lernt Selb den Bankdirektor Welker kennen, dem eines der wenigen privaten Bankhäuser gehört, die es über die Rezession und den zweiten Weltkrieg hinweg geschafft haben – allerdings nicht ganz ohne fremde Hilfe. Es gab einen stillen Teilhaber, und Selb wird beauftragt, das Geheimnis um diese graue Eminenz zu enthüllen. Doch das ist nur ein Ablenkungsmanöver. Bald steht der alte Detektiv in einem Sumpf aus Geldwäsche, dubiosen Ostgeschäften und Mord.


    Das letzte Buch der Serie stimmt versöhnlich und knüpft an die fulminante sprachliche und erzählerische Dichte des ersten Teils an. Insgesamt stellt sich die Selb-Trilogie dieserart als überaus lesbare, politisch ambitionierte und genau beobachtete Krimireihe dar, die zugleich anspruchsvoll und leicht daherkommt, dabei einige dunkle Kapitel auch der jüngeren deutschen Geschichte beleuchtet, ohne den Zeigefinger zu heben.

  • Auch dieser Titel ist wieder ein Beispiel dafuer wie Schlink es schafft die deutsche Vergangenheit auch fuer die Gegenwart relevant zu beschreiben. Dabei sind seine Charaktere zum grossen Teil gar nicht dran interessiert oder wollen die Geschichte nur vergessen - koennen sich ihr aber nicht entziehen, egal wie sie handeln. Erzaehlt wird die Geschichte spannend und gut lesbar, in einer Sprache die fluessig und leicht ist ohne dabei an Tiefgang vermissen zu lassen.


    So, dies ist nun mein Eingangsparagraph wie ich ihn eigentlich zu fast jedem Buch von Bernhard Schlink schreiben koennte. Er ist und bleibt eben einer meiner Lieblingsautoren :anbet :anbet :anbet


    Was ist nun das besondere an diesem Buch? Selbs ist deutlich alt geworden. Er hat den Tod vor Augen, weiss dass er nicht mehr viel veraendern, erreichen kann. Das verstaerkt zum einen sein Gefuehl der Hilflosigkeit und Ohnmacht gegenueber den Ungerechtigkeiten der Zeit. Ein Gefuehl, das mich als Leser dieses Buch z.T. als eher duester sehen laesst. Zum anderen zwingt es ihn letztlich aber auch zu der Erkenntnis, dass er selbst es in der Hand hat, wie er seine Rolle bewertet und damit zur Ruhe kommt.


    Offen bleibt fuer mich noch die Frage des Titels. Hab nicht ganz verstanden worauf er sich denn nun bezieht ... Irgendwie faende ich es schon gut, mehr von Schlink selber zu seinen Buechern lesen zu koennen. Fand naemlich seine Kommentare z.B. bei Oprahs Diskussion um den Vorleser sehr aufschlussreich, ich hab dadurch seine Buecher auch mit ganz anderen Augen lesen koennen.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

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