'Ehre' - Seiten 434 - Ende

  • Eigentlich habe ich das Buch sehr gerne gelesen, nur das Ende gefällt mir nicht wirklich.

    Dass Yunus und wohl auch Esma ihren Bruder verzeihen, finde ich verständlich und in Ordnung.

    Aber Pempe und ihre Rückkehr nach Kurdistan hat mir nicht wirklich gefallen. Zwar scheint sie da so etwas wie Frieden gefunden zu haben, aber für mich wirkt das so, als wäre sie aus Schuld dorthin geflüchtet.

    Ich hätte mir ein stärkeres Statement der Autorin gewünscht, dass Pempe keine Schuld trifft und wie falsch diese Ehrvorstellung und dieses Frauenbild sind.

  • Und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wo in diesem egoistischen Universum von Pembe und ihren Kindern eigentlich Raum für die Tante und Elias ist.

    Pembes kleiner Sultan hat ihre Zwillingsschwester ermordet und es scheint allen egal zu sein. Seine Geschwister finden ja eigentlich nur doof, dass die Mutter sie deshalb verlassen musste.

    Elias glaubt, er trägt die Schuld an dem Tod seiner Geliebten und mit diesem Gefühlen und der Trauer lassen sie ihn leben.

    Wo bleiben diese beiden Figuren? Sie sind verschwunden und haben in der Geschichte einfach keinen Platz mehr. Sind sie nicht auch Opfer? Wenn nicht sie, wer dann?


    Vor allem dieser Egozemtrismus hat mir neben dem Bedienen aller nur möglichen Klischees das Buch verleidet.

  • ich bin jetzt auch mit dem Buch fertig und weiß nicht so recht was ich davon halten soll. Auf der einen Seite habe ich es schon ganz gerne gelesen, vor allem auch einfach wegen dem schönen Schreibstil. Aber auf der anderen Seite haben mich die Klischees aufgeregt. Und ich habe mir die ganze Zeit gewünscht, dass mal eine Figur aus ihrer Rolle ausbrechen möge und nicht immer so vorhersehbar handeln sollte.

    Und mich hat auch geärgert, dass Iskender keine wirkliche Reue über seine Tat empfinden kann und dass irgendwie gar nicht richtig um die getötete Zwillingsschwester getrauert wird. So ist es zumindest bei mir angekommen.


    Ich würde trotzdem gerne noch mal ein Buch von dieser Autorin lesen, da mir "Der Bastard von Istanbul" richtig gut gefallen hat und sie mich mit ihrer schönen Sprache auch hier überzeugen konnte. Ich werde mal schauen, was sie noch so geschrieben hat. "Ehre" war für mich vom Inhalt her leider nicht so überzeugend.

  • Ein sehr schwaches Ende. An sich habe ich das Buch gerne gelesen und die Distanz, die Shafak zu ihren Figuren behält, hat mich anfänglich auch nicht gestört. Doch dass die Eindimensionalität im Laufe des Buches nicht aufgehoben wurde, das fand ich im letzten Abschnitt unerträglich.

    Was macht es einen Sinn, das Leben bzw. den Tod mit der Zwillingsschwester zu tauschen, wenn man sich danach nur versteckt und die Chance verstreichen lässt? Ich finde es unfassbar, wie schicksalsergeben die Frauen in diesem Buch geschildert werden. Einzig Yamila führte ein halbwegs selbstbestimmtes Leben, wenn auch nur aus der Not heraus.

    Ich finde auch, dass die Schuldfrage bei allen in den Blick rückt - nur nicht bei Iskender. Und dass die Familie Elias im Ungewissen lässt, finde ich unsäglich.

    Ich frage mich die ganze Zeit über schon, wie authentisch die Schicksale, die in dem Buch geschildert werden, sind.

    Das Buch lässt mich zwiegespalten zurück. Auf der einen Seite finde ich das Thema sehr interessant und auch mutig, dass Shafak als Türkin darüber schreibt. Auf der anderen Seite finde ich die einzelnen Figuren nicht ausreichend beleuchtet. Die Zwiespältigkeiten, das Existieren zwischen den Kulturen, die Zerissenheit zwischen Familie, Tradition und der westlichen Lebensart wurden mir nicht genug herausgearbeitet.

    Shafak bekommt von mir bestimmt auch noch eine weitere Chance.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zufällig habe ich mir erst kürzlich das Buch "Blauschmuck" von Katharina Winkler aufgrund einer Empfehlung gekauft. Ich kann euch das Buch sehr empfehlen.

    Winkler behandelt das Thema auf eine ganz andere Art und Weise. Das Buch ist aus der Sicht von Filiz geschrieben, eines kurdischen Mädchens, dass aus romantischer Verklärung mit 13 ihren Schwarm Yunus heiratet. Dieser schmückt sie mit dem Schmuck aller kurdischer Frauen, dem Blauschmuck, ein anderer Ausdruck für blaue Flecken, die die Gewalttätigkeit der Ehemänner bezeugen. Das Buch ist direkter und schonungsloser und passagenweise kaum zu ertragen, hat mir aber deutlich besser gefallen, weil es realistischer ist und tiefgründiger.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin