Über den Autor (Quelle: Amazon)
Paul Collier ist Professor für Ökonomie und Direktor des Centre for the Study of African Economies an der Universität Oxford. Seit vielen Jahren forscht er über die ärmsten Länder der Erde und untersucht den Zusammenhang zwischen Armut, Kriegen und Migration. Sein Buch „Die unterste Milliarde“ (2008) sorgte international für große Aufmerksamkeit und wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Lionel Gelber Prize und der CORINE, 2013 erhielt Collier für seine Arbeit den A.SK Social Science Award. Im Siedler Verlag sind von ihm die Bücher „Gefährliche Wahl“ (2009) und „Der hungrige Planet“ (2011) erschienen.
Über das Buch (Quelle: Amazon)
Wohl kaum eine Frage wird heute so heftig debattiert wie die der Einwanderung. Dürfen wir Menschen an der Grenze abweisen und sie wieder in ihre Heimatländer zurückschicken, auch wenn dort Armut und Hunger herrschen? Einwanderungspolitik, schreibt Paul Collier, ist bislang eine Mischung aus viel Emotion und wenig Wissen. In seinem neuen Buch zeigt er, warum es sich lohnt, einen völlig neuen Blick auf die weltweite Migration zu werfen.
Wer darf ins Land kommen und wer nicht? Profitieren wir von der Einwanderung – oder hilft der Massenexodus nur den Migranten selbst? Paul Collier erforscht, welche Kosten und welchen Nutzen die weltweite Migration mit sich bringt: für die aufnehmenden Länder (vor allem Europa und die USA), für die Einwanderer selbst und für jene Länder, die die Migranten zurücklassen. Vor allem diese Staaten, die oft zu den Ländern der „ärmsten Milliarde“ gehören, müssen wir im Blick behalten, so Collier, wenn wir über die Gewinner und Verlierer von Migration sprechen. Nur so wird es möglich sein, neue, gerechte Einwanderungsregeln zu finden, von denen möglichst viele Menschen profitieren und die keiner Gesellschaft schaden.
Meinung
Da der Migrationsökonom Sir Paul Collier nicht im Verdacht steht ein Rechter zu sein, sollten wir seine Expertise ernstnehmen, denn er versachlicht eine Debatte, die vorwiegend emotional geführt wird. Collier erforscht die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Migration und stellt eingangs fest, dass es zu diesem Thema kaum verlässliches Datenmaterial gebe. Dafür werde die Diskussion auf Basis von Vermutungen, Werten und Meinungen geführt. Was er zum Thema gesammelt hat, ist beachtlich und sollte in jedem Einwanderungsland detailliert diskutiert werden:
- Migranten, die der einheimischen Bevölkerung kulturell nahestehen, werden vom Gastland absorbiert, kulturell fernere Migranten integrieren sich zumeist in dysfunktionalen Auslandsgemeinden
- Die Akkumulation des Familiennachzugs verursacht einen starken Anstieg der Migranten
- Migration hat einen relativ kleinen Einfluss auf den Arbeitsmarkt, aber einen relativ großen auf den Wohnungsmarkt. Mieten steigen vor allem in den Ballungsgebieten (Konkurrenz um Sozialwohnungen)
- Die bevorzugte Zuweisung von Sozialwohnungen an Migranten verursacht die Benachteiligung der armen heimischen Bevölkerung
- Die mangelnde Kooperation der Migranten verursacht relativ hohe soziale Kosten
- Unternehmer sind grundsätzlich Nutznießer – sie bilden weniger Nachwuchs aus und das Arbeitskräfteangebot drückt auf die Löhne (Lohnsenkung)
- Das Problem des Familiennachzuges geht zu Lasten von qualifizierten Bewerbern
- Migration verursacht hohe psychologische Kosten: Einwanderer erfahren Diskriminierung, Heimweh und fühlen sich weniger glücklich als Einheimische. Dieses Empfinden wird vom höheren Einkommen kaum gemindert. Spätere Generationen leiden weniger darunter, allerdings bleibt die Fremdheit. Immerhin sinken die Migrationskosten
- Psychologische Kosten sind bei Flüchtlingen höher als bei Migranten
- Erfolgreiche Migranten fördern Nachahmung in der Heimat
- Frühere Migranten verbessern die Regierungsqualität in ihrer Heimat nach ihrer Rückkehr
- Die Chance zur Auswanderung steigert die Lernleistung bereits in der Heimat
- Auswirkung des Braindrain (Talentschwund aufgrund von Migration): Gewinner sind große Länder, z. B. China, Indien, während fast alle armen Länder Verlierer sind. So konnte der Braindrain Haitis, wo 85 % der Talente auswanderten, nicht kompensiert werden
- Problem des „Motivationsdrain“ im Herkunftsland: die Motivierten verlassen das Land, die Unmotivierten bleiben zurück
- Bei hoher Migrationsrate nehmen Rücküberweisungen ins Herkunftsland ab
Fazit: Migration muss aktiv gesteuert werden. Collier definiert drei Ziele:
1. Festlegung von Obergrenzen (relativer Wert, der abhängig ist von der Absorptionsrate und der Assimilierung)
2. Auswahl der Migranten (nach Qualifikation, Arbeitsmarktfähigkeit, kultureller Herkunft). Begrenzung des Familiennachzugs. Kriegsflüchtlinge erhalten ein einheitlich begrenztes Aufenthaltsrecht
3. Erhöhung der Absorptionsrate bei der Integration. Migranten sollten vorwiegend in der einheimischen Bevölkerung integriert werden, um Auslandsgemeinden zu verhindern.
Im Anhang der letzten Auflage schildert Collier die Fehler der deutschen Grenzöffnung. Es sei zwar eine noble Geste gewesen, doch hätte man von Anfang an Jordanien und die Türkei besser unterstützen müssen. Die Migranten hätten in Nachbarländern bleiben müssen. Zukünftig fehlen sie beim Wiederaufbau ihrer Länder. Hinzu kommt, dass die Integrationskosten in Europa viel höher sind als in der Nachbarschaft der Herkunftsländer. Europa habe vier Jahre geschlafen. Generell gelte: Um die Fluchtursachen zu mindern, müssen die Fluchtländer wirtschaftlich aufholen.
Ein sehr gutes Buch, in dem die gesamte Problematik aus unterschiedlichen Perspektiven analysiert wird.