Das Verfassen von Rezis nach Leserunden (oder: Wo ist bloß die Muse hin?)

  • Ihr Lieben,


    nachdem ich Halbneu-Eule jetzt bei ein paar Leserunden mitgemacht habe, stelle ich fest, dass es mir nach Leserunden immer extrem schwer fällt, eine Rezension zu dem Buch zu schreiben. Ohne Leserunde - kein Problem, die Rezi flutscht meistens 'raus aus den Fingern wie ein geölter Blitz. Mit Leserunde - ich fühle mich ganz leer, nachdem ich abschnittsweise schon so viele Gedanken in die Tastatur gehauen habe, mit anderen Eulen oder gar der/dem Autor/in darüber diskutiert habe, mir über alles Mögliche nochmal mehr oder weniger tiefsinnige Gedanken gemacht habe - und kriege beim Versuch, eine Rezi zu verfassen, mit Mühe und Not ein paar dürre Sätze zusammen. Dann ärgere ich mich, weil das Geschreibsel meistens weder dem Buch noch der/dem meist liebgewonnenen Autor/in gerecht wird. Ich denke, mit etwas Abstand wird es besser. Aber dann folgen schon die nächsten Lektüren, mit oder ohne LR, und irgendwann, so fürchte ich, ist der Zug abgefahren. Dann versuche ich es nochmal (die Pflicht ruft!) - und plötzlich geht es. :wow Oder auch nicht. :heul


    Wie ist das bei euch so? Ist die Leserunde die Feindin der ordentlichen Rezension? :fechten

  • Während des Lesens habe ich meist tausend Ideen, was ich in eine Rezi schreiben könnte. Meist schreibe ich das dann auch auf. Sobald ich es in Sätze fassen soll und anderen sagen soll, verlässt mich die Fähigkeit, gescheite Sätze aneinander zu reihen.

    Bei vielen Rezis hier sitze ich mit offenem Mund da und frag mich, warum ich da nicht drauf gekommen bin ;)

  • Ich habe ein kleines Problem mit begleiteten Leserunden.

    Normalerweise kann ich sehr gut ausdrücken, wie ein Buch bei mir angekommen ist und bemühe mich um Sachlichkeit und Ehrlichkeit.


    In den Leserunden mit Autor/in lernt man die Schriftstellerin/den Schriftsteller "außerhalb" des Buches kennen, man erfährt, wie sie/er tickt. Und wenn ich dann lese, wie viel Mühe und Herzblut in manchen Romanen stecken, hasse ich mich selber dafür, wenn ich kritische Anmerkungen mache. Und dann lösche ich die Kritik wieder und formuliere um. Und dann bin ich mit mir selber nicht zufrieden. Ein Dilemma.


    Ich liebe eigentlich die begleiteten Leserunden, aber in der abschließenden Rezension habe ich oft Skrupel. Vor allem, da ich bemerkt habe, dass manche AutorInnen meine Kritikpunkte falsch auffassen. Ich habe immer die Absicht, das Werk zu beurteilen, nicht die Persönlichkeit, die es geschrieben hat. Aber diese Absicht scheint nicht immer anzukommen.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Ich mache es meist wie Booklooder und schreibe schon während der Leserunde ein paar Sätze auf. Aber nicht immer finden die ihren Weg zu einer vollständigen Rezi.

    Allerdings finde ich es auch nicht schlimm, wenn die eigene Meinung zu einem Buch nur wenige Sätze umfasst und nicht von tiefsinnigen Geistesblitzen begleitet wird. Ein paar Gedanken darüber, was an diesem speziellen Buch gefallen hat und was nicht - das hilft meist anderen schon, um einen Eindruck zu bekommen.


    Das Problem mit den begleiteten Leserunden kenne ich auch. Es sollte nicht so sein, sich beeinflussen zu lassen und oft ist es trotzdem so. Nicht jede Autorin, nicht jeder Autor ist so souverän, sich positiv damit auseinandersetzen zu können, dass da jemand an seinem "Baby" herummäkelt.

    Wenn das aber der Fall ist, dann ist es oft für beide ein Gewinn.

  • Alice, ich kann jeden einzelnen deiner Sätze unterschreiben. Und mir fällt dabei auf, dass ich bisher, glaube ich, überhaupt nur an einer unbegleiteten Leserunde teilgenommen habe. Und bei der fiel mir tatsächlich die Rezi auch nicht so schwer...


    Rumpel, was ich aus deinem ersten Absatz für mich entnehme, ist v.a. der Appell an mich selbst, das Ganze mal nicht so hochzuhängen... :lache  :knuddel1

    Machst du es dann so, dass du deine Leseeindrücke und die Gedanken für die Rezi gesondert notierst? Die gleiche Frage richtet sich auch an Booklooker. Schreibt ihr eure LR-Notizen und Rezi-Notizen jeweils für sich auf? Ich denke gerade darüber nach, dass ich das vielleicht in Zukunft tun sollte... :gruebel Also immer gleich nach jedem Abschnitt ein paar allgemeinere Gedanken für die Rezi und die Details dann für die LR. Denn ich glaube, der Kern meines Problems liegt darin, dass ich nach einer LR schon so sehr in den Details festklemme, dass ich von denen ausgehend nicht mehr gut verallgemeinern kann.

  • Ich bin zwar nicht direkt angesprochen, Nadezhda, aber ich mische mich da nun trotzdem ein ;)

    Auch ich mache mir während des Lesens Notizen, wenn mir etwas besonders auffällt, oder wenn eine Frage auftaucht. Das ist dann später schon hilfreich. Und es hilft mir auch, meine Gedanken zu ordnen.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Das mache ich auch so bei Büchern, zu denen keine LR läuft, aber bei denen ich denke, dass ich eine Rezi schreiben möchte. Und es klappt wunderbar. Mein Problem ist einfach die Kombination von Leserunde PLUS Rezi. :heul Ich glaube einfach, ich muss anfangen, mir da getrennte Notizen für LR und Rezi zu machen.

  • Nach einer Leserunde fühle ich mich oft wie ein ausgedrückter Schwamm, weil ich mich ja auch mit den Eindrücken anderer Teilnehmer auseinandergesetzt habe. Oft habe ich den Eindruck, dass Leserundenteilnehmer (im Positiven wie im Negativen) sich in ihrem Urteil gegenseitig befeuern. Ein LR-Buch mit Mängeln wird stärker kritisiert als ein Alltagsbuch und ein sehr gutes LR-Buch enthusiastischer gelobt. Deshalb frage ich mich zuerst: War das Buch wirklich "so", wie es jetzt gerade auf mich wirkt?


    Ich kann mir zwei Wege vorstellen, wieder etwas Distanz zu finden. Für sich selbst W-Fragen formulieren: Wie macht Autor/Autorin es, dass das Buch auf mich so wirkt oder Wem würde ich es empfehlen. Notizen mache ich mir auf DINA4-Blättern, auf denen ich einfach unten eine Linie ziehe, darunter kommen meine Ws.

  • Nach einer Leserunde fühle ich mich oft wie ein ausgedrückter Schwamm

    Ganz genau.


    Oft habe ich den Eindruck, dass Leserundenteilnehmer (im Positiven wie im Negativen) sich in ihrem Urteil gegenseitig befeuern. Ein LR-Buch mit Mängeln wird stärker kritisiert als ein Alltagsbuch und ein sehr gutes LR-Buch enthusiastischer gelobt. Deshalb frage ich mich zuerst: War das Buch wirklich "so", wie es jetzt gerade auf mich wirkt?

    Das ist eine sehr interessante Beobachtung; darauf werde ich in Zukunft auch mal achten.

    Für sich selbst W-Fragen formulieren: Wie macht Autor/Autorin es, dass das Buch auf mich so wirkt oder Wem würde ich es empfehlen. Notizen mache ich mir auf DINA4-Blättern, auf denen ich einfach unten eine Linie ziehe, darunter kommen meine Ws.

    Super Idee mit den W-Fragen, um wieder auf die allgemeinere Ebene zurückzukommen. Das werde ich ausprobieren.


    Danke! :knuddel1

  • Ich habe in jedem Buch, das ich lese, hinten einen Zettel drin, auf dem ich mir Notizen zum Buch mache. Auch wenn ich im Bett lese, immer.

    Nach einer Leserunde kopiere ich mir meine Beiträge (nicht alle, nur die sinnvollen :grin) nach Word und nutze sie zur Formulierung meiner Rezi.

    Das Schreiben einer Rezi fällt mir leichter, wenn ich ein Buch besonders toll oder besonders schlecht fand.

    Manchml stelle ich aber auch fest, dass mir direkt nach Beendigung einer Leserunde nichts Vernünftiges mehr zum Buch einfällt. Ein paar Tage Abstand helfen in der Regel.

    Bei begleiteten Leserunden achte ich mehr auf meine Formulierungen, aber Kritik gehört für mich auch hier dazu, wenn ich sie begründen kann.

    Ein LR-Buch mit Mängeln wird stärker kritisiert als ein Alltagsbuch und ein sehr gutes LR-Buch enthusiastischer gelobt. Deshalb frage ich mich zuerst: War das Buch wirklich "so", wie es jetzt gerade auf mich wirkt?

    Es macht ja auch einen großen Unterschied, ob man ein Buch allein für sich liest oder in der Gruppe. Wird mein Eindruck, den ich von einem Buch habe, in der Leserunde bestätigt, verstärkt das natürlich den Effekt, ein Buch positiv oder negativ zu bewerten.

    Und mit der Wirkung ist das so eine Sache. Da spielen viele Dinge rein. Meine eigene Stimmung, die Stimmung in der Leserunde, die Begletiung durch den Autor.

  • Für mich ist es ganz logisch, dass man die LR Bücher intensiver liest. Schließlich will ich nicht als einzigen Beitrag posten: ich finde das Buch toll.

    Wenn ich weiß, dass ich das Buch behalte und mein Mann es nicht liest, schreibe ich oft auch direkt ins Buch. Meist auf die freie Seite am Anfang. Nichts ausführlich - eher Stichworte. Was will ich nachschlagen, was finde ich unlogisch usw.

  • Ich greife hier mal mit ins Geschehen rein. ;)


    Ich habe bis jetzt nur 2 oder maximal 3 LR mitgemacht, weil ich mich oftmals unter Druck gesetzt fühle durch das vorgelegte Lesetempo der anderen Eulen. Aber auch mir ging es danach meistens so, dass ich für die abschließende Rezi keine richtigen Worte gefunden habe.

    Auch bei Büchern ohne LR, welche schon sehr viele Rezis bzw. einige ausführliche Rezis haben, habe ich meistens nicht das Bedürfnis meinen "Senf" auch noch dazuzugeben. Da verfasse ich dann paar schöne Sätze und fertig.


    Was ich jedoch sehr gerne mache, sind bereits beendete LR wieder zu entdecken. Also wenn die LR vor einigen Jahren bereits stattgefunden hat und ich das Buch nun in meinen Händen halte, weil ich es genau ab diesem Moment lesen werde und finde dazu eine LR bei der Eule, dann schreibe ich meine Kommentare dort auch noch in die jeweiligen Abschnitte mit rein. Da kann ich mir Zeit lassen und vielleicht entdeckt der eine oder andere Leser dann, dass ich in der Runde aktiv bin und kommentiert auch noch was dazu. So kann man "Altes" wieder auferleben lassen. :thumbup:

  • Vielen Dank für eure interessanten Rückmeldungen! :knuddel1

    Manches davon werde ich ausprobieren, anderes wohl eher nicht... :lache


    Momentan bin ich in zwei Leserunden, bei denen ich aus Zeitgründen nicht so viel wie sonst schreiben kann - mal sehen, ob dann die Rezi am Ende leichter fällt.


    Viele inspirierende Küsse von der Muse wünscht euch

    Nadezhda. :wave

  • darf man sich noch äußern? ^^


    Ich habe mit meiner Rezension nach einer LR wenig Probleme witzigerweise. Und auch bei begleiteten runden bekommt der Autor /die Autorin meine Meinung ungeschönt zu lesen. Allerdings achte ich darauf, dass man erkennt, dass ich das Werk kritisiere,nicht den Verfasser. Sollte dieser unkonstruktiv reagieren, fliegt er/sie auf meine "werde ich nicht mehr lesen" Liste.

  • darf man sich noch äußern? ^^



    Aber sicher. Der Thread ist ja nicht geschlossen.


    Ich habe neben den LR, an denen ich teilgenommen habe, auch einige LR nachgelesen (oder war als Zaungast unterwegs) und habe festgestellt, dass sowohl das Engagement als auch die persönlichen Reaktionen der AutorInnen in der Tat sehr unterschiedlich sind. Ein bisschen kann ich nachvollziehen, dass es AutorInnen wehtut, wenn man ihr "Baby" kritisiert. Aber damit müssen sie halt leben. Wir "normalen Menschen" / LeserInnen müssen im Job ja auch mal mit Kritik zurechtkommen - oder einfach mit dem Umstand, dass uns nicht jeder liebhat. :-)



    Momentan lese ich ein LR-Buch, bei dem ich deutlich weniger als sonst in den Threads gepostet habe. Und siehe da, ich habe den Kopf voller Ideen für die Rezi. Also scheint das tatsächlich zusammenzuhängen. *seufz*

  • Leider bin ich im allgemeinen nicht die Wortgewandteste im Verfassen von Rezis. Wenn ich mir da manchmal die Rezis anderer durchlese, denke ich: "ja genau, so würde ich es sagen wollen" - leider fällt mir das beim Schreiben aber nicht ein. Auge in Auge kann ich mich, denke ich ganz gut ausdrücken, schriftlich leider nicht so besonders. Von daher fällt mir das auch bei Leserundenrezis schwer. Vor allem weil da die Rezis der anderen Teilnehmer ja auch alle zeitnah eintrudeln und man will ja auch nicht nur nachplappern, was schon andere vor einem geschrieben haben. Gar nicht so einfach.