Das Herbstprogramm des Krimifestivals München läuft gerade auf Hochtouren und auf die Lesung von Arne Dahl habe ich mich schon länger gefreut. Auch wenn ich mit dem aktuellen Buch „Sechs mal zwei“ so meine Problemchen hatte, ist es doch immer spannend, einen erfolgreichen internationalen Autor live zu erleben und zu hören, was er zu erzählen hat.
Eröffnet wurde der Abend durch Sabine Thomas, die Veranstalterin des Krimifestival München. Sie machte uns extra auf den Raum aufmerksam, in dem die Lesung stattfand, nämlich den Sektionssaal – in diesem landen unter anderem die Leichen der Menschen, die ihren Körper zu Studienzwecken der Wissenschaft vermacht haben. Ein Raunen und Schmunzeln gab es, als sie erzählte, dass man heutzutage kein Geld dafür bekommt, dass man seinen Körper spendet, sondern über 1000 € mitbringen und selbst dazuzahlen muss. Wenn man bedenkt, was eine Beerdigung kostet, wäre das aber noch ein Schnäppchen, denn die anschließende Einäscherung und Beerdigung wäre in diesem Preis mit drin.
Diese Ansprache und die Kulisse des Sektionssaals brachte uns gleich in die perfekte Stimmung für eine Krimilesung.
Der vielseitige Autor, Moderator und Krimiexperte Dirk Kruse sprach mit Arne Dahl, stellte spannende Fragen und übernahm auch sehr professionell den Lesungsteil.
Zu meinem Erstaunen absolvierte Arne Dahl das Gespräch mit Dirk Kruse auf Deutsch – er hatte eigens für solche Veranstaltungen sein Deutsch so verbessert, dass er nicht mehr wie früher aufs Englische zurückgreifen muss. Der distinguierte Literaturwissenschaftler erzählte ruhig und überlegt, aber man merkte schon deutlich, dass sein Herz an der Literatur hängt und er dafür brennt. Und relativ häufig blitzte auch ein schelmischer Humor durch, der den Mann absolut sympathisch machte.
Wer ist Arne Dahl?
Hinter dem Pseudonym Arne Dahl steckt der Literaturwissenschaftler Jan Lennart Arnald, der auch unter seinem eigenen Namen Bücher veröffentlicht hat. Diese Bücher sind nach seiner eigenen Einschätzung aber eher „Literatur über Literatur“ und würden nicht zu einem Austausch mit seinen Lesern führen. Als er in eine Schreibblockade geriet, hat er durch Henning Mankells „Mörder ohne Gesicht“ die Idee bekommen, etwas weniger hochgeistige Literatur in Form von Krimis zu verfassen und dadurch habe er die Lust am Schreiben wieder gewonnen – Arne Dahl war geboren.
Wieso Krimis?
Für Dahl sind Krimis ein guter Spiegel der Gesellschaft, denn sie zeigen deren Grenzen auf, was erlaubt ist und wo die Übertretung beginnt. Dahl möchte auch aktuelle Entwicklungen und Themen der Gesellschaft aufgreifen und versucht, immer am Puls der Zeit zu sein. Viele Menschen haben beispielsweise Angst vor Terrorismus oder dass die Demokratie verloren geht und in Krimis kann man diese Ängste gut aufnehmen und, da es in Krimis üblicherweise eine Lösung des Mordfalles gibt, zu einem positiven Ende bringen. Krimis versprechen Dunkelheit und Chaos, aber auch, dass es wieder besser wird – Krimis sind die Tragödien der modernen Welt, so fasste er es zusammen.
Was ist bei Berger & Blom neu?
In seinen beiden erfolgreichen Reihen über die A-Gruppe und Opcop-Europol gibt es große Ermittlerteams. Da fand Dahl die Dynamik und das hohe Tempo, das man mit mehreren Handelnden aufrecht erhalten könne, spannend. Die Polizei ist dort eine Institution, der man trauen kann. Die komplexe Vernetzung untereinander und die Thematik internationaler Verbrechen hat er aber mit der Berger & Blom-Reihe verlassen wollen. Er konzentriert sich auf wenige Personen, betont den menschlichen Faktor und der psychologische Aspekt ist ihm hier wichtig. Und auch die Vertrauenswürdigkeit der Personen stellt er in Frage, spielt mit verschiedenen Indentitäten und undurchschaubaren Charakteren, die ständig neue Facetten zeigen.
Eigentlich wollte er bei dieser Serie mal ganz unpolitisch bleiben und suchte sich das Thema Vertrauen und Glaubwürdigkeit als Grundidee aus. Doch in Zeiten von Schlagwörtern wie „Fakenews“ und „Whistleblower“ schafft das Raum für Spione und Geheimdienste und schon war der politische Aspekt dann doch wieder vorhanden. Das habe ihn selbst ein bisschen überrascht.
Wie arbeitet Arne Dahl?
Auch die Arbeitsweise, nach der er schreibt, hat sich mit Berger & Blom ein bisschen verändert. Bei den früheren Reihen gab es einen ganz detailliert ausgearbeiteten Handlungsablauf, den er während des Schreibens nicht mehr verlassen durfte, um das komplexe Kartenhaus der Ereignisse nicht zum Einstürzen zu bringen. Zuerst kam bei ihm die Entwicklung des Handlungsablaufes, was er mit dem Komponieren eines Musikstückes verglich. Das Schreiben im Anschluss wäre dann das Spielen des Stücks. Bei der Berger & Blom-Reihe habe er zwar schon einen groben Handlungsablauf, würde aber beim Spielen erst Komponieren, und deshalb gibt es Spielraum für Änderungen, die sich während des Schreibens erst entwickeln.
Als Beispiel nannte er den Keller in Jessica Johnsson Haus in „Sechs mal zwei“ – die Begehung dieses Kellers gehörte zu den Szenen, die Dirk Kruse gelesen hatte. Anfangs ist dieser Keller in Dahls Vorstellung leer gewesen und erst während des Schreibens hat er seinen eigenen Dämonen nachgegeben (hier gab er schmunzelnd zu, dass er Angst vor dunklen Kellern hat) und die Szene in die Version geändert, die man jetzt im Buch findet. Er liebt es, sich selbst beim Schreiben ein bisschen zu überraschen und das wäre auch erst mit der aktuellen Reihe überhaupt möglich.
Trotzdem ist ihm eine gelungene und anspruchsvolle Sprache genauso wichtig wie ein ausgereifter Plot. Eine Erzählung, wie er sie liebt, ist so dicht, dass man auch sprachlich präzise auf den Punkt sein müsse. Er möchte in einer Szene unmittelbar eine bestimmte Stimmung erzeugen, das hat er sich von Filmen und Serien abgeschaut.
Wie geht’s weiter?
Im Augenblick schreibt Dahl am dritten Band der Berger & Blom-Reihe und hat auch auf der Zugfahrt nach München daran garbeitet. Insgesamt habe er mindestens 5 Romane für diese Reihe vorgesehen.
Für mich persönlich geht es mit Berger & Blom erst einmal nicht weiter, nachdem ich „Sechs mal zwei“ mit einem durchwachsenen Fazit zu Ende gelesen habe.