Anatomie der molekularen Struktur eines Apfelkuchens²
»Hast du etwas für mich, Tony?«
Der Geruch von teurem Rasierwasser hing wie eine getrocknete Pflaume über dem kochenden Asphalt. Alberts nahm seine Brille runter und schaute auf.
»Hab ich was für dich, Alb?«
Alberts grinste: »Klar, Tony, du bist mein Mann.«
Tony grunzte wie ein Schwein: »Yaw!« Sein Atem stank nach Apfelkuchen, schalem Kaffee und etwas anderem - Alberts verzog das Gesicht, dann lächelte er, schob die Brille in die Jackentasche. Er stieg aus dem Wagen.
»Hier sind fünfhundert Mäuse und eine kleine Spende, Alb«, sagte Tony und blätterte mit schmierigen Fingern durch einen Haufen Scheine.
Alberts’ Blick strich vorsichtig über den Basketballcourt rechts von ihnen, über die umgestoßenen Mülleimer links von ihnen, über die Fassade hinter Tony und heftete sich auf das grüne Bündel, das der Fettsack in den Händen hielt.
»Die Firma dankt«, sagte Alberts, »war das Flittchen auch nett zu dir?«
»Spitzenmäßig«, quiekte Tony, der mit dem Abzählen fertig war.
Alberts nickte. »Sie ist die beste, ich hoffe, du weißt das zu schätzen, sowas gibt’s nur für meine Stammkunden.«
Tony entblößte seine Zähne. Apfelkuchen. »O-Okay, Alb, das weiß ich zu schätzen, wirklich«, sagte er, strich mit der Zunge über die fettigen Lippen und drückte ihm das Geld in die Hand. »Wirklich, har.«
Alberts’ Faust kam unvermittelt und grub sich tief in den Bauch, sehr tief. Er hatte mit ganzer Wucht zugeschlagen, von der Hüfte aus nach oben, mit ordentlichem Schwung aus der Schulter wie früher im Ring. Tony blähte überrascht die Backen auf, seine Augen glotzten - einige Knöpfe des Hemdes sprangen weg - dann kotzte er direkt vor Alberts Schuhe: Blut, Kaffee, Apfelkuchen und irgendwas anderes.
»O-Okay, Alb«, sagte Alberts und schlug nochmal zu. Und nochmal. »Glaubst du, du kannst mich verarschen, Tony? Glaubst du«, er holte aus, »glaubst du«, er schmetterte die Faust ans Kinn, »das tatsächlich?«
Tony sank in die Knie, er stützte sich zitternd auf seine rechte Hand, während er mit der Linken blutige Speichelfäden aus dem Mundwinkel fischte und diese fasziniert im Sonnenlicht betrachtete. »Har«, krächzte er.
»Gut, mein Freund«, sagte Alberts. »Du willst nicht artig sein?«
»Cherry-Liebes!«, rief Alberts und warf die Autoschlüssel auf die Matratze. Es roch nach Öl und billigem Sex und ätzendem Fusel und außer dem Wimmern des Fettsacks war nichts zu hören: Das Lagerhaus schien leer zu sein. »Cherry?«
»Hast du den Mistkerl?«, eine verbrauchte Frauenstimme. Albert schaute sich um. »Ja, ich habe den Bastard«, rief er und gab Tony einen Stoß, daß dieser nach vorne stolperte, das Gleichgewicht verlor und voll auf die Fresse flog; die Hände waren mit Kabelbinder gefesselt.
»Kay, Alb, nkay, ich komme jetzt raus«, sagte Cherry mit ihrer Bourbonstimme, und kroch hinter einem Stapel alter Kartons hervor. Ihr blondes Haar hing schweißnass herunter, ein Veilchen zierte ihr rechtes Auge. Als sie Alberts schließlich erkannte, eierte sie breitbeinig heran und stöhnte gequält: »Kay, Alb, was war ich dem Mistkerl wert, sag’s mir, nkay?« Ihr zugeschwollenes Auge blinzelte wild.
»Fünfhundert Mäuse, Cherry«, sagte Alberts.
»Fünfhundert Mäuse«, stöhnte sie und trat Tony lasch in den Schritt. »Fünfhundert«, pfiff sie. »Nkay.«
Alberts warf einen langen Blick auf die Armbanduhr, ehe er Cherry widerwillig anschaute. »Was hat er mit der Ware gemacht, Liebes?« Er berührte sie zärtlich an der Wange. Sie zuckte zusammen und wendete das verquollene Gesicht ab.
»Er hat dich dabei also geschlagen? Wie oft?«
»-«
»Cherry, wie oft? Das muss ich doch wissen, Liebes.«
»Viermal mit der Faust und dreimal mit dem Gürtel«, schluchzte sie.
Alberts überlegte. »Viermal...dreimal«, murmelte er, »gut, Tony, steh’ auf - Tony, ich habe gesagt, du sollst aufstehen«, meinte er ruhig und löste den Gürtel. Er zog ihn heraus. »Gut, Tony«, nachdem dieser wimmernd aufgestanden war, »jetzt bück dich - Tony, du sollst dich bücken, hab’ ich gesagt.« Tony bückte sich.
»Gut, Cherry-Liebes, zieh’ ihm die Hosen runter«, sagte Alberts während er den Riemen spannte. »Und schau hinten im Schuppen, ob du Zangen, Öl und sowas findest.«
»Nkay.« Sie verschwand irgendwo in der Lagerhalle.
»Gut, Tony, du warst nicht artig zu dieser Frau, stimmt’s? Du hast dich nicht an die Spielregeln gehalten, Tony, das war so nicht abgemacht. Du warst böse, Tony, sehr böse und ich bin jetzt auch böse.«