Der Autor (Quelle: Ullstein, Autorenseite)
Robert Prosser, geboren 1983 in Alpbach/Tirol, lebt dort und in Wien. Studium der Komparatistik und Kultur- und Sozialanthropologie. Aufenthalte in Asien, in der arabischen Welt und in England. Österreichischer Kurator von Babelsprech zur Förderung junger deutschsprachiger Dichtung. Er wurde unter anderem mit folgenden Preisen ausgezeichnet: Land-Niederösterreich-Literaturpreis und Publikumspreis Wartholz 2016, Grenzgänger-Stipendium der Robert-Bosch-Stiftung 2014, Aufenthaltsstipendium am Literarischen Colloquium Berlin 2014, Reinhard-Priessnitz-Preis 2014. 2013 erschien sein Debutroman Geister und Tattoos und er fungierte als Mitherausgeber von Lyrik von Jetzt 3 (Wallstein, 2015).
Das Buch (Quelle: Amazon)
Das Panorama des Jugoslawienkriegs in „Phantome“ spiegelt die Problematik der aktuellen Flüchtlingskrise.
Robert Prosser schildert intensiv ein fast vergessenes Kapitel der jüngeren Geschichte: Der Jugoslawienkrieg, der die letzte große innereuropäische Flüchtlingswelle in den 1990ern auslöste, dessen drastische Verbrechen bis heute nicht aufgearbeitet sind und weit in die Generation der Kinder der Geflüchteten nachwirken.
Anisa flüchtet 1992 aus Sarajewo nach Wien. In den beginnenden ethnischen Säuberungen hat sie ihren Vater zurückgelassen – und wird ihn nie wiedersehen. Auch von ihrem Freund Jovan, einem bosnischen Serben, der zum Militärdienst eingezogen wurde, konnte sie sich nicht verabschieden. Jahrzehnte später reist Anisas Tochter Sara auf den Spuren ihrer Mutter nach Bosnien-Herzegowina.
Meinung
Was macht der Krieg aus Menschen, wenn er unvermittelt über sie hereinbricht?
Er verursacht Traumata, die die Betroffenen nicht mehr loswerden. Der Autor lässt nichts aus. Er beschreibt das Grauen unglaublich nüchtern, ohne darüber zu urteilen. Dabei entstehen skurrile Bildfolgen, die sprachlos machen:
Exil-Jugoslawen, die in Wien in einem Unternehmen arbeiten, reisen am Wochenende nach Bosnien, um als Kroate, Bosniake und Serbe gegeneinander zu kämpfen. Montagmorgen melden sie sich zurück zum Dienst und arbeiten wieder einträchtig zusammen.
Der Konflikt, der Jugoslawien gespalten hat, entspricht der ewigen Wiederkehr des Gleichen: Zuerst geht es um einen Finanzausgleich, der unfair beurteilt wird, dann erinnert man sich an seine Herkunft, plötzlich redet man von Nation, Religion und Rasse und Knall auf Fall herrscht Krieg. Dieses nur scheinbar überwundene Prinzip feiert allerorten eine Renaissance: Katalonien, Kurdistan …
Auch Mitteleuropa ist nicht weit davon entfernt, sofern man den Riss wahrnimmt, der die EU bedroht. Auf solche Trauerspiele könnten wir verzichten, wenn man von Anfang an in einem Diskurs faire Richtlinien ausarbeitet, die dann auch von allen eingehalten werden. Doch gerade das scheint wohl unmöglich zu sein.
Was kann Literatur leisten? Sie sollte den Horizont erweitern und zum Nachdenken anregen. Herzlichen Glückwunsch, das ist dem Autor ausgezeichnet gelungen!