'Imperium' - Seiten 049 - 110

  • Nicht, dass es mir nicht gefällt, aber ich frage mich immer noch, warum man heute einen Roman in diesem Stil schreibt. Weil man kann? :gruebel


    Engelhardt ist wenigstens so schlau, vor dem Kauf seiner Plantage nicht mit Nudismus und Vegatarismus hausieren zu gehen. Immerhin will er noch ernst genommen werden. Er ist schon ganz schön unbedarft, so dass Frau Forsayth ihn kräftig übers Ohr hauen kann. Ich hatte schon Angst, dass es vielleicht auf seiner Insel gar keine Kokospalmen geben könnte, aber er hat Glück gehabt.
    Kaum dort, legt er alles ab, neben seiner Kleidung auch seine Unsicherheit, nimmt alles in Besitz einschließlich Mücken, Eingeborenen und wilden Tieren. Fast so, als wäre er endlich zu Hause angekommen.


    Ich muss mal recherchieren, was "Unserdeutsch" für eine Sprache ist, wenn ich mal Zeit habe. Jetzt will ich erstmal weiter lesen.


    Was ich nicht ganz verstanden habe, ist die Episode zurück in München und seine Verhaftung am Strand wegen Entblößens. Ist er zurück auf Heimatbesuch oder ist das eine Rückblende?

  • Ich lese das Kapitel 4 als Rückblende, in der die Vergangenheit unseres "Helden" beleuchtet wird.



    Auf der Nehrung sieht August in dem Sommerfrischlerpaar offenbar Thomas Mann und dessen Frau Katia.
    “er Redakteur des Simplicissimus, sie freigeistige Mathematikertochter”

    Die Zeitschrift Simplicissimus war damals ein Satireblatt, für das Thomas Mann in seiner Autorenanfangszeit gearbeitet hat. Katia Manns Vater Alfred Pringsheim war tatsächlich Mathematiker.



    Unserdeutsch habe ich noch nie vorher gehört, kein Wunder, denn es die weltweit einzige deutsch-basierte Kreolsprache, entstanden in der Kolonialzeit.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Unserdeutsch

  • Zitat

    Original von Clare
    Nicht, dass es mir nicht gefällt, aber ich frage mich immer noch, warum man heute einen Roman in diesem Stil schreibt. Weil man kann? :gruebel


    Das habe ich mich auch gefragt. Ich denke, Christian Kracht wollte eine zur Zeit passende Sprache finden, sie dann aber ironisch überhöhen.

  • Er trifft diese teilweise arg pathetische Sprache wirklich gut und ich finde, es passt ganz wunderbar. Zumal ja immer wieder die Ironie aufblitzt.


    Schon bei der kurzen Italien Sequenz tauchte ein Schriftsteller auf: offenbar Hesse (Gertrud).
    Ich frage mich, was wohl der Sinn dieser "Beinahetreffen" ist.


    Manche Szenen sind ganz schön grotesk. Engelhardts Eingreifen bei der Schweinetötung.
    Oder wie der einheimische Junge lauscht, wie er Dickens vorliest.

  • Der Junge versteht die vorgelesenen Worte vermutlich nicht, aber der einlullende Singsang eines überzeugten Vorlesers ist für ihn dennoch reizvoll.


    Solche kleine Episoden schildert Kracht immer wieder so stark, dass ich glaube, den Autor unterschätzt zu haben. Kracht hat sich seit seinem Erstling Faserland aber auch verändernd.


    Rumpelstilzchen, auf welcher Seite ungefähr findet man die Hesse-Szene?

  • Auf Seite 62 unten, Engelhardt ist bei Queen Emma und bedenkt die Ähnlichkeit Engelhardts mit einem Christusbild Fra Angelicos.


    Ein schier unglaublicher Zufall wollte es,......usw


    Interessant erscheint mir ja auch diese Lebensreformbewegung mit ihrer Kritik und Ablehnung moderner Zwänge und technischer Entwicklungen und ihrer Hinwendung "zurück zur Natur" und zu einem sogar primitiven Lebensstil.
    Manche dieser Ideen waren ja durchaus positiv. Aber in ihrer Extremität eben auch lebensfeindlich.


    Ob Kracht da wohl auf aktuelle Entwicklungen Bezug nimmt?

  • Engelhardt erwirbt seine Insel ohne sie vorher einmal angeschaut zu haben. Das fand ich ganz schön leichtsinnig. Da hätte ihm die Dame auch eine gänzlich unfruchtbare Insel andrehen können. Aber er hat echtes Glück mit seiner Kokosinsel und scheint sich darauf unter den Eingeborenen auch gleich sehr wohl zu fühlen. Als wäre das schon immer sei Zuhause gewesen.


    Ich frage mich, wie lange ein Mensch überleben kann, wenn er sich wirklich nur von Kokosnüssen ernährt?? Also verhungern wird man dabei zumindest nicht, weil sie ja ziemlich viel Fett enthalten. Aber es ist doch eine so einseitige Ernährung, sie enthalten zum Beispiel überhaupt keine Proteine und nur bestimmte Vitamine. Da müssten doch ziemlich schnell Mangelerscheinungen auftreten, oder?:gruebel



    Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Er trifft diese teilweise arg pathetische Sprache wirklich gut und ich finde, es passt ganz wunderbar. Zumal ja immer wieder die Ironie aufblitzt.


    Das empfinde ich auch so. Die Sprache und der Schreibstil passen perfekt zu dem Inhalt des Buches. Ich glaube, bei einer moderneren Sprache würde das Buch keinen so großen Eindruck auf mich machen.


    Zitat

    Original von Rumpelstilzchen


    Schon bei der kurzen Italien Sequenz tauchte ein Schriftsteller auf: offenbar Hesse (Gertrud).
    Ich frage mich, was wohl der Sinn dieser "Beinahetreffen" ist.


    Ich finde es ja echt witzig, wie viele reale Zeitgenossen in dieses Buch eingebaut sind. Hesse hätte ich jetzt nicht erkannt, aber ich dachte mir schon, dass es sich wohl auch um einen realen Schriftsteller handeln müsste. Bei Thomas Mann war ich mir gleich sicher, wer damit gemeint sein sollte. Dann wird ja auch noch Hitler kurz erwähnt. Und zum Schluss des Abschnittes der Erfinder der berühmten australischen Vegemite-Paste. Ich bin schon richtig gespannt, welche Personen noch in dem Buch vorkommen werden und warten beim Lesen schon darauf, ob ich noch jemanden erkennen werde. :lache

  • Kracht zeigt da ein großes Geschick, Geschichten in der Geschichte zu erzählen. Thomas Mann meine ich da ganz besonders.
    Auf Seite 95 oben taucht - wie immer ohne namentlich genannt zu werden - Albert Einstein auf.


    Was meint ihr, wird auf Seite 97 untere Hälfte Engelhardts Geburt beschrieben? Die Empfindungen des Kindes?
    Und das nächtliche Feuerrad - ein Meteor? Komet?

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen


    Was meint ihr, wird auf Seite 97 untere Hälfte Engelhardts Geburt beschrieben? Die Empfindungen des Kindes?


    Ja ich denke damit hast Du Recht! Ich konnte mir auf diesen Absatz erst gar keinen Reim machen. Aber die eigenen Geburt würde gut dazu passen. Nur warum beschreibt er hier in wenigen Sätzen seine Gefühle bei der Geburt? Das hat ja irgendwie nichts mit der sonstigen Handlung zu tun oder?? :gruebel

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Herr Palomar, dieses Buch steckt voller Anspielungen auf Personen und Ereignisse. Wie eine Schaubühne dieses gerade beginnenden Jahrhunderts.


    ja, das empfinde ich auch und spüre dadurch die Atmosphäre der Zeit, jedenfalls ansatzweise!
    Das gefällt mir ganz gut, auch wenn mir als unaufmerksamen Leser manches entgeht.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Mit der Geburtsszene hat Kracht die Vergangenheit von Engelhardt abgeschlossen erzählt.
    Ab jetzt wird es keine Rückblicke in seine Vergangenheit mehr geben, denke ich.


    Das klingt sehr logisch für mich. Dann bin ich ja jetzt mal gespannt auf die weitere Geschichte! :-)