Svealena Kutschke: Stadt aus Rauch

  • Svealena Kutschke: Stadt aus Rauch
    Eichborn Verlag 2017. 672 Seiten
    ISBN-10: 3847900269
    ISBN-13: 978-3847900269. 24€


    Verlagstext
    Lucie wird in einer eisigen Winternacht in der Trave geboren, mit einer Gabe, die für die kommenden Generationen Segen und Fluch sein wird. STADT AUS RAUCH ist ein faszinierendes Epos einer Familie, auf die die Wirren des 20. Jahrhunderts ihre langen Schatten werfen. Von großmäuligen Denunzianten und kleinmütigen Helden, von Bürokraten des Verbrechens und Hochstaplern der Kunst, von der Verführung des Faschismus und vom Schweigen derer, die glauben, schuldlos zu sein: Die Tragödie eines ganzen Jahrhunderts spiegelt sich in der eigentümlichen Welt von Lübeck, wo Historie von Seemannsgarn kaum zu unterscheiden ist. Ein mitreißendes literarisches Wagnis.


    Die Autorin
    Svealena Kutschke, geb. 1977 in Lübeck, studierte Kulturwissenschaften und Ästhetische Praxis in Hildesheim und lebt heute in Berlin. Sie erhielt 2006/2007 das Werkstatt-Stipendium der Jürgen-Ponto-Stiftung und ist Preisträgerin des Open Mike der Berliner Literaturwerkstatt 2008.


    Inhalt
    Die Trave in Lübeck zog immer wieder Menschen an, die nicht mehr weiter wussten. Hier soll der sagenhafte Roggenbuk leben, ein Troll mit grünen Haaren. Während die Stadt schon vom Hochwasser überschwemmt wird, blickt eine Schwangere aufs Wasser; ein Neugeborenes wird auf wundersame Weise lebend aus den Fluten gerettet. Auch Johann Petersenn zieht es an den Fluss, der sich in die Frau seines Armeekameraden Ludwig verliebt hat. Ludwig wird als schwer kriegsversehrter Pflegefall zuhause gepflegt. Das Schicksal der Söhne Alfons und Christoph Petersenn verläuft anders als der Vater sich erträumte. Statt eine Militärkarriere einzuschlagen, gehen beide einen eigenen Weg. Christoph verdrängt zunächst seine tänzerische Begabung, hofft später auf Erfolg als systemkritischer Maler.


    Das Haus in der Gröpelgrube spielt ebenfalls eine Rolle, als wäre es ein Lebewesen. Jürgen und Freya Mertens leben in der Gegenwart im ehemaligen Gesindehaus im Hinterhof. Der Zugang ist so schmal, dass gerade ein Sarg hindurch passt, Möbel muss man vor dem Durchgang auseinanderbauen oder über die Hofmauer heben. Jürgen arbeitet bei einem Bestatter, Freya auf der Geburtsstation des Krankenhauses. Auch der Hafenarbeiter Michél Hinrichs hat hier gelebt und seine Kinder allein erzogen. Er war als Kind von einer großzügigen Mentorin gefördert worden, um durch Kunst der Armut zu entkommen. Doch Kunst ernährt ihren Schöpfer nur, wenn sie einen Massengeschmack trifft, muss er erkennen. Die Verbindung zwischen beiden Familien entsteht durch einen Porträtauftrag, den die Familie Petersenn Michél vor dem Ersten Weltkrieg erteilt. Auch Michéls Tochter Lucie soll durch Bildung gerettet werden. Jessie, die Enkelin, landet in der Gegenwart auf der Straße, sie erlebt die Punkbewegung und die Wiedervereinigung mit. Lucie und ihre Enkelin Jessie haben eine besondere Gabe und einen Blick, den andere Menschen fürchten. Verlorene Seelen, wettert der Pfarrer. Christoph, Lucie, Michél, das Wasser hat eine unheimliche Anziehungskraft auf Kutschkes Figuren. Auch ein Roman von 1300 Seiten spielt eine Rolle, der keinen Verleger findet, nachdem seit dem Vorjahr die Buddenbrooks unverkauft in den Buchhandlungen liegen.


    Der Roman spielt auf unterschiedlichen Zeitebenen um 1918, 1948 und 1988. Durch die vielen Zeit- und Ortswechsel und die Verknüpfung mit Lübecks Geschichte seit der ersten Ansiedlung habe ich ungefähr bis zur Hälfte des Texts gebraucht, bis ich einen roten Faden erkennen konnte. Kutschke schafft eine so düstere Atmosphäre, dass man glaubt, am drohend dunklen Himmel könnte man sich den Kopf stoßen. Auch der Fluss, als Metapher für Unglück, Not und Depressionen, lauert wie ein schwarzes Ungeheuer. Niemand würde sich wundern, wenn sich aus dem Wasser ein Drache erheben würde. Die dämonische Schimmelreiter-Atmosphäre scheint hier düsterer als anderswo, die Unwetter scheinen folgenreicher zu sein als überall sonst in Deutschland.


    Fazit
    In dem üppigen Roman snackt de Lü platt - aber nicht nur. Die Bilder schaffen eine Atmosphäre wie in einer Zeichnung von Käthe Kollwitz. Als Roman der Stadt Lübeck hat mich „Stadt aus Rauch“ nicht überzeugen können. Für ein Epos von fast 700 Seiten entstand Spannung für mich leider erst spät, obwohl ich Romane mit einem solchen Umfang sehr gern lese.


    Knappe 7 von 10 Punkten

  • Ein Jahrhundertroman
    Stadt aus Rauch ist ein realistischer, mit mystischen Einlagen, geschichtsträchtiger Roman geschrieben von der Autorin Svealena Kutschke.
    Mich hat die Geschichte gleich gefesselt.
    Lucia wird in einer kalten Winternacht in der Trave in Lübeck geboren, als ihre Mutter ins Wasser ging. Der Junge Christoph Petersen sieht sie und ihre tote Mutter am Ufer.
    Ihr Vater Michel ist ein armer Maler, Sie wohnen in einem Hinterhaus und Michel wird von einer Dame aus dem Vorderhaus gefördert und erbt von ihr die Wohnung. Dort
    wohnen die nächsten Generationen.
    Die Autorin lässt die Geschichte Deutschlands einfließen. Wir erleben die beiden Weltkriege.
    Die Ansichten der Personen sind sehr unterschiedlich. Sie sind sehr natürliche und einfache Leute.


    Ein guter groß angelegter Generationsroman, über mehr als ein Jahrhundert lang Mit mystischen Einlagen, mit einem fast sympathischem Teufel.
    Vielleicht ist der Roman etwas lang, aber die Autorin hat die Stimmungen gut eingesetzt und der Roman wird nie langweilig. Allerdings geht es manchmal etwas viel in den Zeiten hin und her. Dann ist er oft auch etwas bedrückend aber ehrlich geschrieben.
    Die Geschichte und die Lebensart ist nicht geschönt, aber gut lesbar. Ab und zu mit plattdeutschen Redensarten.
    Ich habe ihn gerne gelesen.

  • Ich habe das Buch begonnen und war erst einmal total hin und weg. Die düstere Atmosphäre, das Spiel mit phantastischen Elementen, all das nahm mich sofort gefangen. Irgendwann in der Mitte des Buches kippte dann meine Stimmung, denn die magischen Momente wichen der Realität, die sehr trist und traurig wurde. Die Figuren waren nicht greifbar, blieben mir in ihrem Handeln und in ihrem Unglück fremd und ich hätte es lieber gehabt, wenn sie noch etwas in dieser ersten, der märchenhaften Welt geblieben wären. Die Geschichte wurde langatmig und verlor sich für mich in zu sehr in Details, bis sie mich beim Lesen quälte. Ich habe das Buch bedauernd zur Seite gelegt. Es hätte mein Lesehighlight 2018 werden können, doch dazu hätte es ein wenig mehr Straffung gebraucht. Vielleicht schaffe ich doch noch einen Einstieg und vielleicht wird es dann etwas.