'Der Nachsommer' - Band 3, Kapitel 4 - Ende

  • So, mein erster Beitrag im neuen Forum zu Adalbert Stifter. Ich habe das Buch ausgelesen und direkt danach den folgenden Kommentar geschrieben, den ich unverändert poste.



    Entgegen meiner Erwartung habe ich das Buch tatsächlich in dem von mir mir selbst gesteckten Zeitrahmen ausgelesen. :-) Die letzten beiden Abschnitte empfand ich als deutlich besser als die vorigen. Ob das an meiner „Gewöhnung“ an das Buch oder an etwas anderem liegt, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls entsprach es in diesen beiden Abschnitten meiner Erinnerung.


    Der Abschnitt beginnt mit der „Keimzelle“ des Buches, der Lebensgeschichte des Freiherrn von Risach. „(...) welch ein Sommer hätte sein können, wenn einer gewesen wäre.“, so schreibt Stifter über ihn an seinen Verleger. Wobei man natürlich die Frage untersuchen könnte, was wäre geworden, hätten er und Mathilde geheiratet. Hätte er seine glänzende Staatslaufbahn in gleicher Weise durchlaufen, wenn nicht, sähe die Geschichte (im Sinne von Historie) anders aus? Es gäbe wohl weder Natalie noch Gustav, da diese ja einen anderen Vater haben, das „Rosenhaus“ vermutlich auch nicht - und damit den größten Teil der Handlung dieses Buches nicht. Wie vieler Menschen Leben wäre völlig anders verlaufen, hätte Mathilde seinerzeit doch noch „ja“ gesagt! Das erinnert etwas an den alten Film „Ist das Leben nicht schön“ mit James Stewart.


    Nun, es ist müßig darüber zu sinnieren, es ist, wie es ist. Und sonst gäbe es das Buch nicht.


    Immerhin klären sich hier meine früheren Bemerkungen, ich wüßte, was der Freiherr im Sinne hat, auf. Auf Seite 682 (innerhalb seiner Erzählung) sagt er selbst, daß er gleicht daran gedacht hat, daß Heinrich der richtige Gatte für Natalie sei. Daß er dies im Sinne hatte, wußte ich noch.


    Schon beim ersten Lesen - und jetzt wieder - hatte mich allerdings irritiert, daß Heinrich für knapp zwei Jahre (vgl. S. 708) alleine auf Reisen geht. Aber es war halt eine andere Zeit...

    Und so fügt sich alles am Ende zu einem glücklichen solchen. Und wenn sie nicht gestorben sind... ;-)


    Insgesamt gesehen hat das Buch beim wiederholten Lesen etwas von dem fast schon überirdischen Glanz, mit dem es bei mir abgespeichert war, verloren. Aber alles in alles ist es für mich dennoch immer noch in die Gattung „Highlight“ einzuordnen.


    Als „Puffer“ zwischen dem „Nachsommer“ und „Krieg und Frieden“ habe ich innerhalb eines Tages ein neu erschienenes Weihnachtsbuch gelesen. Der Kontrast im Hinblick auf die Sprache könnte nicht größer sein. Eines steht jedenfalls absolut fest: Der „Nachsommer“ gehört für mich zu den Büchern mit dem stilistisch besten Deutsch, die ich je gelesen habe. Aus dem Stegreif fällt mir keines ein, was in dieser Hinsicht gleich ziehen kann. Beim zweiten Nachdenken würde ich den Namen Michail Scholochow (Der stille Don) nennen, was stilistisch ähnlich gut war (zumindest in der Übersetzung, die ich gelesen habe). Selbst der Tolstoi, in dem ich heute (ich schreibe das am 31. Oktober 2017) einige Kapitel gelesen habe, fällt in sprachlicher Hinsicht deutlich hinter Stifter zurück. Zumindest in dieser Hinsicht behält das Buch für mich jedenfalls seine herausragende Stellung.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Kapitel 4 (Der Rückblick) war für mich das beste, schnörkelloseste, ehrlichste und erfrischendste des ganzen Buches.

    Risachs Lebenslauf habe ich aufmerksam und interessiert gelesen, und er hat mich berührt. Nun verstehe ich ihn viel besser.


    Und im letzten Kapitel dürfen wir dann auch Heinrich Drendorfs Namen erfahren. Das hat mich ja gefreut, aber ich hätte meine frühere Kenntnis seiner Identität bestimmt nicht gegen ihn verwendet... So ein Geheimnis daraus zu machen fand ich einfach nur seltsam.


    Ich freue mich, dass am Ende alle glücklich und zufrieden sind. Warum allerdings Heinrich zwischen Verlobung und Hochzeit eine beinahe zwei Jahre dauernde Europareise unternimmt, ließ mich die Augen verdrehen. Gar so eilig hatte er es also nicht, seine Angebetete zu ehelichen. Wahrscheinlich dachte er, die Ehe sei dann eh noch lang genug.


    Die Kaktusblüte hat mich dann auch fröhlich gemacht.

    Und darf ich sagen, ein bisschen stolz zu sein, dieses Werk wirklich zu Ende gelesen zu haben. Ich erwarte keine Tapferkeitsmedaille, aber ein kleines Lob würde mich freuen :grin

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Und darf ich sagen, ein bisschen stolz zu sein, dieses Werk wirklich zu Ende gelesen zu haben. Ich erwarte keine Tapferkeitsmedaille, aber ein kleines Lob würde mich freuen :grin

    Das Lob sei hiermit ausgesprochen. :grin

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich habe zu Ende gelesen - wenn auch die zweite Hälfte nicht mit der Aufmerksamkeit, die ich sonst auf Büchern verwende. Ja, ich habe quergelesen.

    Der Schreibstil ist - keine Frage. Gutenberg.org hat natürlich eine erste Ausgabe veröffentlicht mit der Rechtschreibung der dortigen Zeit. Vieles hat sich verändert, manches kam zurück.

    Details in Büchern mag ich ja, aber hier war es doch etwas zu viel.


    7 Eulenpunkte

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Tut mir leid, daß euch das Buch nicht so begeistern konnte. Ich verspreche, nie wieder über die Maßen von irgendeinem Buch zu schwärmen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ach was, SiCollier :)

    Erstens habe ich freiwillig an der Leserunde teilgenommen - niemand hat mich bzw uns gezwungen.

    Zweitens hätte ich jederzeit abbrechen können.

    Drittens kannst du doch nichts dafür, wenn ein Buch nicht so gefällt.

    Und viertens: ich bereue keineswegs, den Nachsommer gelesen zu haben. Auch solche Bücher muss es geben. Und es war nicht alles langweilig - streckenweise habe ich das Buch sogar genossen.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Ich hoffe doch, dass Du weitere Empfehlung für uns hast. Es war vielleicht auch gerade die falsche Zeit für das Buch. Im Sommer auf dem Balkon, am Strand oder in einem Rosengarten wäre ich sicherlich entspannter für das Buch. Die Schreibe war gut und gerade weil ich diese altmodische Version hatte, fand ich die alte Rechtschreibung interessant.

    Wir haben uns durch Waverley gequält, wir lernen gemeinsam noch andere Schriftsteller kennen.

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    Wendy Wasserstein

  • @ Lesebiene

    Ich weiß, daß ich einen weithin in der Hinsicht einzigartigen Lesegeschmack habe, als daß die Bücher, welche ich lese, ansonsten niemanden interessieren (weder in meinem direkten Umfeld noch allermeist hier). Ich habe den "Nachsommer" damals nach dem ersten Lesen im Familienkreis angepriesen, weil ich so beeindruckt war. Ich habe das Buch sogar mehrfach verschenkt. Nur gelesen hat es niemand.


    Den "Nachsommer" könnte ich nicht im Sommer lesen, das ist für mich eben ein Nach-Sommerbuch. Zu welchem Zeitpunkt ich allerdings den "Vorsommer" von Karl Benno von Mechow nochmals lesen würde, weiß ich noch nicht. Das könnte eher in den Sommer passen. (Habe ich vor Jahren gelesen und hat mit Stifter nichts zu tun, außer daß der Buchtitel auf den "Nachsommer" anspielt.)


    Ich akzeptiere einfach, daß ich lesemäßig meistens weithin alleine auf weiter Flur bin, das ist alles.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")