Ilona Einwohlt: Gucken verboten. Das (fast) geheime Aufklärungsbuch [ab 11]

  • Ilona Einwohlt: Gucken verboten. Das (fast) geheime Aufklärungsbuch
    Illustratorin: Katharina Vöhringer
    Verlag: FISCHER Sauerländer 2017. 120 Seiten
    ISBN-10: 3737355029
    ISBN-13: 978-3737355025. 15€
    Vom Verlag empfohlenes Alter: Ab 11 Jahren


    Verlagstext
    Ein Wegweiser durch die Pubertät
    Dieses Buch muss niemandem peinlich sein! Ängste und Sorgen, verwirrende Gefühle, körperliche Veränderungen, einfach unglaublich viel Neues und Unbekanntes - all das bringt die Pubertät mit sich. Und meist möchte man all diese Dinge nicht unbedingt mit einem Erwachsenen teilen. Umso hilfreicher ist es, wenn man alle wichtigen Infos in einem Buch findet, locker und frech und vor allem verständlich und verständnisvoll. Genau das bietet dieses Aufklärungsbuch: Schnoddrig frech, offen und neugierig lavieren die beiden Teenager Pia und Paul sich gemeinsam mit ihren Lesern durch den Wahnsinn, der sich Pubertät nennt. Mitten aus dem Leben, nehmen sie kein Blatt vor den Mund, wenn es um die erste Periode, den ersten Samenerguss, Pickel oder Verliebtsein geht. Antworten auf ihre Fragen finden die Leser in einfach verständlichen und sachlich fundierten Erklärtexten. Niemals peinlich, immer dicht am Alltag der Kinder und mit viel Witz und Charme finden junge Leser hier alles über ihren Körper, die Liebe, Gefühle, Sex und sonstige Herausforderungen in dieser aufregenden Zeit. Poppig und frech illustriert, nimmt man dieses Buch jederzeit gerne zur Hand – ganz ohne sich zu schämen.


    Die Autorin
    Ilona Einwohlt, geboren 1968, studierte in Frankfurt am Main und Granada Germanistik und Romanistik. Sie schreibt mit viel Liebe, Witz und Leidenschaft Bücher für Kinder und Jugendliche. Vor allem mit ihren Sina-Büchern hat sie sich einen Namen gemacht, denn sie trifft genau die Sprache der Mädchen und behandelt Themen, die sie wirklich interessieren.


    Die Illustratorin
    Katharina Vöhringer, Dipl. Designerin, arbeitet seit 2015 als freiberufliche Illustratorin und Grafikdesignerin. Zuvor studierte sie an der Universität der Künste Berlin Visuelle Kommunikation mit dem Schwerpunkt Werbung/Neue Medien.


    Inhalt
    Pia und Paul sind ABF, allerbeste Freunde, obwohl oft geunkt wird, dass nur zwei Mädchen oder zwei Jungen enge Freunde sein können. Pia wird bald 12 Jahre; Paul demnächst 13. Die Freunde verbindet das Problem, dass andere Jugendliche an ihrem Aussehen herumnörgeln und sie damit stark verunsichern. Paul mit Lockenkopf und seiner musischen Begabung wirkt auf Gleichaltrige nicht männlich genug; Pia hat immer noch keine Menstruation und an ihrem Körper sprießen weder Busen noch Schamhaare. In einem gemeinsamen Tagebuch führen die beiden einen Dialog über die Pubertät, ihre körperliche Entwicklung, Sexualität und Schwangerschaft. Paul nimmt dabei die Rolle des beruhigenden Mentors ein (auch in reinen Mädchenangelegenheiten), der die temperamentvolle Pia wieder auf den Teppich zurückholt. Die Freundschaft der beiden bildet den zentralen Mittelpunkt des Buches und daraus entsteht bei beiden die Sorge, ob sie weiter befreundet sein können, wenn sie sich körperlich und emotional so rasant weiter entwickeln, wie sich andeutet.


    Breiten Raum nehmen im Buch Körperpflege, Rasur und Menstruationshygiene ein, Themen, die Elfjährige oft stärker interessieren als Schnittzeichnungen ihres Körpers. Über die Gewichtung der Themen kann man sicher streiten. Rollenklischees werden einerseits recht breit abgehandelt, andererseits fehlt Pia und Paul sichtlich eine kritische Auseinandersetzung mit ihrem Verhalten im Internet und am Smartphone, die wohl zuletzt in der 4. Grundschulklasse stattgefunden hat. Als Mutter ist mir der kurze Abschnitt dazu in einem Buch für Kinder ab 11 zu wenig. Neben reinem Sachwissen vermitteln Ilona Einwohlt und Katharina Vöhringer eine Reihe von zusätzlichen Botschaften, die mich sehr positiv für das Buch einnehmen. Die Familiensituation der Jugendlichen vermeidet klischeehafte Idyllen. Paul lebt mit seinem allein erziehenden Vater und einem Au-pair-Mädchen; Pia und ihre Mutter finden oft nicht den richtigen Ton, um über Sexualität und Pubertät zu sprechen.


    Paul nutzt für das gemeinsame Projekt verschiedene Informationsquellen und klingelt sogar bei der Nachbarin, um sie für das Sex-Tagebuch zu interviewen. „Die wirklich wichtigen Dinge stehen nirgends“, muss er dabei feststellen. Dass die Eltern nicht die einzigen Gesprächspartner zum Thema Pubertät und Sexualität sein müssen, fand ich sehr realistisch dargestellt. Leider knickt der bisher so sachliche Paul zum Ende der Handlung ein und plappert unreflektiert Allgemeinplätze seines Kumpels nach. Empathie für andere spielt im Dialog zwischen Pia und Paul eine große Rolle, so dass der Blick geweitet wird darauf, wie es z.B. der schwangeren Matilda gehen könnte.


    Mit zwei unterschiedlichen Handschriften in mehreren Tintenfarben, eingefügten Post-Ists und „echten“ Flecken wirkt das Buch sehr authentisch wie eine Kladde. Ein kompletter Text im Stil von Greg’s Tagebuch kann durch den Schrifttyp allerdings für unlustige Leser auch eine unnötige Hürde bilden. Wenn sich ihr Körper zu verändern beginnt, interessieren sich bereits 9-Jährige für die Themen, die Pia und Paul bewegen. Für diese Altersgruppe ist der Text meiner Einschätzung nach noch zu umfangreich, den Informationsbedarf von Grundschülern sollten Eltern jedoch nicht unterschätzen, selbst wenn die Kids sich vollinformiert geben.


    Fazit
    Zwei beste Freunde in der Pubertät erarbeiten sich im Dialog in einem gemeinsamen Tagebuch umfangreiches Wissen über Sexualität und Pubertät. Für die Zielgruppe ab 11 Jahren finde ich die Sachinformationen angemessen, die Darstellung in Text und Bild frech und humorvoll. Eine wichtige Rolle im Buch spielt die Beziehung der „allerbesten Freunde“, von der einige behaupten, sie wäre zwischen einem Jungen und einem Mädchen nicht möglich.


    9 von 10 Punkten