Andreas Pflüger las aus „Niemals“ am 28.09.2017 in Zirndorf

  • „Endgültig“, das erste Buch von Andreas Pflüger mit der blinden Polizistin Jenny Aaron als Heldin, hat mich schon begeistert. Deshalb hat es mich riesig gefreut, dass Andreas Pflüger ausgerechnet zu der kleinen Buchhandlung bei mir um die Ecke kam, um aus der Fortsetzung „Niemals“ zu lesen, die offiziell in ein paar Tagen erscheint.


    Der Autor


    Andreas Pflüger war entspannt und in Plauderlaune und weil er sich als toller Erzähler entpuppte, der mit Humor und Augenzwinkern, aber auch interessanten Hintergrundinformationen sein Publikum fesselte, ging die immerhin zweieinhalb Stunden dauernde Veranstaltung wie im Flug vorbei. Die Zuhörer erfuhren eine Menge über den Autor selbst, über seine Art zu schreiben und natürlich auch viel über das Thema Blindheit, denn offensichtlich nimmt Andreas Pflüger es mit seiner Recherchearbeit sehr ernst und hat sich ausführlich damit beschäftigt.


    Ich muss gestehen, dass mir der Name Andreas Pflüger nichts sagte, bevor ich auf „Endgültig“ gestoßen war. Dabei ist er einer der fleißigsten Drehbuchschreiber für den Tatort, auch wenn er sich inzwischen auf den Tatort Weimar beschränkt. Er selbst hat schon feststellen müssen, dass einen der Job als Drehbuchautor nicht wirklich prominent macht, denn die Bäckersfrau, bei der er seit Jahren einkauft, hatte ihn erst darauf angesprochen, als er eine kleine Nebenrolle in einem seiner Tatorte übernahm und so mal vor der Kamera auftauchte. Und selbst für seine Eltern wurde sein Beruf auch erst greifbarer und interessanter, als eines Tages Götz George anrief und etwas mit ihm besprechen wollte.


    Das Schreiben von Drehbüchern bedeutet für den Autor tatsächlich mehr Druck als nach dem Bestseller „Endgültig“ einen gleichwertigen Nachfolgeband liefern zu müssen. Denn an ein Drehbuch sind feste Vorgaben und Termine und jede Menge Arbeitsplätze der Filmcrew gebunden. Der Veröffentlichung von „Niemals“ hat er aber gelassen entgegengesehen. Er stellte auch klar, dass er sich nicht von Leser- oder Kritikermeinungen beeinflussen lasse, denn nach dem Geschmack des Publikums zu schreiben, wäre keine gute Idee. In erster Linie schreibt er so, wie es ihm selbst gefällt. Dass viele das fertige Buch dann lieben, aber andere nicht, das wäre schließlich normal. Seine künstlerische Arbeit ist beendet, wenn das Buch geschrieben ist und für ihn selbst ist die Recherche und das Schreiben der wichtigste und größte Teil seiner Arbeit. Es war aber auch offensichtlich, dass es ihm großen Spaß machte, vor Publikum zu erzählen und mit den Zuhörern zu interagieren!


    Im Gegensatz zu den Drehbüchern geht er seine Romane mit nur einer groben Idee an und überlässt es den Figuren, sich zu entwickeln. Dabei werde er auch schon mal emotional und lasse sich von ergreifenden Szenen zu Tränen rühren, denn er muss sich so in die Figur hineinversetzen, dass er quasi zu diesem fiktiven Menschen wird. Entsprechend lang braucht er, um zum Feierabend dieses Eintauchen in den Romancharakter auch wieder abzustreifen. Was im dritten Band mit Jenny Aaron passiert, wüsste er selbst noch nicht, auch wenn er schon jetzt immer wieder danach gefragt wird, wovon der letzte Teil der Trilogie handelt, denn das müsse sich während des Schreibens erst zeigen.


    Das Buch


    Obwohl Band 2 „Niemals“ eine Fortsetzung zu „Endgültig“ ist, hat Andreas Pflüger es so gestaltet, dass man auch direkt mit dem 2. Band der Trilogie starten kann, denn die Handlung der beiden Bände wäre unabhängig voneinander. In „Niemals“ geht es wie in „Endgültig“ auch um Rache, aber vor allem wäre es ein Buch über Freundschaft. Die Sondereinheit, in der Jenny früher tätig war, pflegt nämlich einen engen Zusammenhalt, man kennt sich in- und auswendig und daraus haben sich für Jenny auch tiefe Freundschaften entwickelt. In den Büchern über Jenny Aaron gibt es nicht nur ruhige und philosophische Passagen, die auch wichtig sind und zu Jenny Aaron gehören, sondern auch jede Menge Action.


    Als Perfektionist war es dem Autor wichtig, dass das Buch auch optisch nach seinen Vorstellungen gestaltet wurde. So begeisterte er sich für den gelb eingefärbten Buchschnitt, der per Hand von einem Mitarbeiter der Druckerei aufgesprüht werden müsse oder den Titel, der in Blindenschrift auf dem Cover zu sehen ist. Außerdem habe er mit einem Fachmann zusammen die Schrift und den Buchsatz für „Niemals“ selbst so angepasst, wie es ihm am besten gefiel.


    Die blinde Heldin


    Es gibt auch in Band 2 Rückblicke auf die Zeit, als Jenny Aaron noch sehen konnte, damit man als Leser einen Eindruck bekommt, wozu sie imstande war. Auch als Blinde ist sie immer noch eine außergewöhnliche Person, die Fähigkeiten entwickelt und Situationen meistert, die dem Leser vielleicht sogar im ersten Moment unmöglich erscheinen.


    Damit aber trotz aller Spannung und Action seine Superheldin Jenny Aaron realistisch bleibt und das, was sie leistet, auch wirklich möglich ist, hat sich Andreas Pflüger mit Professor Doktor Sabel von der Uni Magdeburg einen führenden Hirnforscher und Neuropsychologen an die Seite geholt, dessen Arbeitsschwerpunkt das Sehen ist.


    Andreas Pflüger orientiert sich nicht am Durchschnittsblinden, sondern an sogenannten „Superblinden“. Als Beispiel nannte er Daniel Kish, der sich mit Hilfe des Echos, das seine Klicklaute an Gegenständen erzeugen, so gut orientieren kann, dass er sogar als Blinder im öffentlichen Straßenverkehr Fahrrad fahren kann. Wer es nicht glaubt, kann sich das in einem Youtube-Video sogar selbst ansehen. In einem anderen Video wird dieses „Klicksonar“ auf Deutsch ausführlicher erklärt. Ein weiteres beeindruckendes Beispiel, was man als Blinder erreichen kann, ist der von Geburt an blinde Bergsteiger Andy Holzer, hier porträtiert in einer Planet Wissen Sendung, der sogar den Mount Everest bestiegen hat.


    Die Lesung


    Insgesamt hat Andreas Pflüger drei Passagen aus dem Buch gelesen. Man könnte sich ihn auch als Sprecher für die Hörbücher vorstellen, was tatsächlich auch schon im Gespräch war, doch er sei mit Nina Kunzendorf als Sprecherin sehr glücklich.


    Ich war froh, dass Andreas Pflüger mehr erzählt als tatsächlich gelesen hat, denn den Inhalt des Buches kann schließlich jeder selbst konsumieren, die zusätzlichen Informationen über Buch und Autor und vor allem die Begeisterung Andreas Pflügers für seine Arbeit und das Wisssen zum Thema Blindheit bekommt man nur auf einer Lesung zu spüren. Deshalb kann ich jedem nur empfehlen, die Chance zu nutzen, wenn sich die Gelegenheit ergibt, eine Lesung von Andreas Pflüger zu besuchen.


    Auf jeden Fall hat es großen Spaß gemacht, ihm bei den Lesepassagen zuzuhören. Und zusammen mit den vielen Informationen zu Jenny Aaron und zum Thema Blindheit haben auch die gelesenen Abschnitte großen Appetit auf „Niemals“ gemacht. Nun warte ich sehnsüchtig darauf, dass das Hörbuch bei mir eintrifft und ich in das neueste Abenteuer von Jenny Aaron eintauchen kann.