„Was ist das denn?“ entfährt es mir leise und ich starre entgeistert auf den Berg an Socken, der neben dem voll behangenen Wäscheständer liegt.
Eine Rekonstruktion der Begebenheiten setzt ein:
Nachdem ich beladen mit einem riesigen Haufen diverser Kleidungsstücke in einem Wäschekorb aus dem Badezimmer wanke, erinnert sich Mr S. bei diesem Anblick plötzlich wieder daran, dass er ja im Haushalt mehr mithelfen wollte. Also entreisst er mir kurzerhand pflichtbewusst den Korb um mitzuteilen: „Ich mach das schon!“.
„Gut.“ sage ich und verschwinde wieder an meinen Schreibtisch im Arbeitszimmer.
Als ich nach etwa drei Stunden merke, dass der Eistee in meiner Blase ein gewisses Volumen überschreitet und ich mich auf zum Klo mache, stolpere ich fast über den immer noch überrandvoll gefüllten Wäschekorb. Um jedoch nicht den männlichen Haushaltsgeist bereits im Keim zu ersticken, ignoriere ich auch auf dem Rückweg das feuchte 40°C Mischgewebe und versuche, möglichst gutgelaunt und gar kein bisschen genervt auszusehen.
Nach einigen weiteren Stunden und einigen weiteren Gläsern Eistee betrete ich erneut das Wohnzimmer, in dem der Blindgänger noch immer lauert. Aber auch dieses Mal bemerke ich gar nicht, dass die obere Berghöhe, aus mehreren T-Shirts und einem schwarzen Pulloverärmel bestehend, schon hellere Flecken aufweist, die offensichtlich auf eine bereits einsetzende Feuchtigkeitsverdunstung hinweisen.
Nachdem ich dann zum letzen Mal an dem Corpus delicti vorbei ins Badezimmer schlender und dabei zumindest schon das Pseudo- Gute- Laune- Lächeln ausgesetzt hat, beschließe ich ins Bett zu gehen und der Dinge zu harren, die da kommen.
Ein begeistertes „Oh ich komme auch mit!“ ertönt, als ich mich bereits auszuziehen beginne.
Nun stecke ich in einer Zwickmühle: Soll ich eine freundliche Einladung loslassen, doch bitte noch vorher die Wäsche aufzuhängen? Oder vertraue ich darauf, dass demnächst das schlechte Gewissen einsetzt? Meine bereits zu brodeln beginnende Libido und meine bereits ebenso zu brodeln beginnenden Wut liefern sich einen kleinen Kampf.
„Denkst du bitte an die Wäsche?“ höre ich mich plötzlich selbst sagen und beschließe, dass man ja nicht nur abends Sex haben kann, wenn es nötig werden sollte.
„Ja ich weiß, Mama!“ schallt es aus dem Wohnzimmer zurück. Bei dem Gedanken an meine Mutter merke ich, dass man Matratzensport auch mal ein paar Tage vertagen kann.
Während ich darüber sinniere, ob es ratsam ist, mich schlafend zu stellen, steht Mr S. auch schon plötzlich am anderen Ende des Bettes. „Nanu, das ging aber schnell?“ sage ich und ziehe die Augenbrauen dabei etwas hoch. Ein gereizter Blick ist die Antwort. Ich entscheide mich doch fürs schlafend stellen, während er sich seine Basketballshorts abstreift. Diese Entscheidung revidiere ich, als er ins Bett gekrabbelt kommt.
Als mein Pflichtbewusstsein angesichts der anstehenden Arbeiten für die Uni mich am nächsten Morgen aus dem Bett jagt, betrete ich mit meinem kratzigen Frotteebademantel und einer großen Tasse Kaffee das Arbeitszimmer und starre auf einen Haufen Socken neben dem Wäscheständer, die sich mit ihrem schwarz und grau zu einem lustigen vulkanähnlichen Berg türmen und mich an die Sendung Art Attack erinnern, in der immer riesige Bilder aus verschiedenen Gegenständen und Stoffen gelegt werden. Daneben steht der leere Wäschekorb.
Da meine Gehirnzellen um diese Uhrzeit noch ein kleines Kooperationsproblem haben, blicke ich angestrengt auf das sich mir bietende zusammenhangslose Faktenpuzzle. Voller Wäscheständer, leerer Wäschekorb, Socken auf dem Boden.
Offensichtlich ist hier höhere männliche Haushaltslogik im Spiel und ich versuche zu verstehen, was hier vor sich gegangen sein muss, als mir plötzlich ein Lämpchen angeht:
Er hat tatsächlich alle Socken vom Ständer gerissen, auf den Boden geschmissen, den so frei werdenden Platz durch die nasse Wäsche belegt und dann angesichts hochkochender Hormone ignoriert, dass bereits trockene T-Shirts sich in der Gegenwart nasser Gattungsvertreter durchaus einer Umgebungsanpassung unterziehen und wir somit eventuell am nächsten Morgen ein kleines Bekleidungsproblem haben werden.
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder sauer sein soll und so schüttel ich nur den Kopf, nippe an meinem Kaffee und frage mich, ob ich jemals verstehen werde, was in so einem Männerkopf vor sich geht.
Werd ich wohl den Rest des Morgens in Bademantel rumlaufen müssen, wenn ich nicht schon so früh beim Miss Wet- T- Shirt Wettbewerb mitmachen will.
Wenigstens hat er die Socken auf einen Haufen gelegt und nicht wild durchs Zimmer geschmissen. Darauf kann ich ja schon mal stolz sein.