Jodie Archer/Matthew L. Jockers: Der Bestseller-Code. Was uns ...

  • Jodie Archer/Matthew L. Jockers: Der Bestseller-Code. Was uns ein bahnbrechender Algorithmus über Bücher, Storys und das Lesen verrät
    Plassen Verlag 2017. 248 Seiten
    ISBN-10: 3864704995
    ISBN-13: 978-3864704994. 19,99€
    Originaltitel: The Bestseller Code


    Verlagstext
    Hat "Shades of Grey" auch Ihre Kasse kräftig klingeln lassen? Und haben auch Sie sich gefragt: "Warum?" Verlagsprofi Jodie Archer und Englisch-Professor Matthew Jockers haben einen Algorithmus entwickelt, der die Antwort darauf gibt und der mit 97-prozentiger Genauigkeit vorhersagen kann, welche Schmöker zu Bestsellern werden. Archer und Jockers haben viel Überraschendes über unser Leseverhalten und das Erfolgsrezept fesselnder Romane herausgefunden, zum Beispiel: Menschliche Nähe kommt an, Sex (meistens) nicht. Dieses Buch, welches bereits Furore in der deutschen Presse gemacht hat, ist etwas für alle, die Belletristik lesen, verkaufen, einkaufen, lektorieren ...


    Die Autoren
    Jodie Archer hat für Penguin UK gearbeitet, bevor sie ihren Doktor in Englisch an der Stanford University machte. Danach arbeitete sie bei Apple als Forschungsleiterin für Literatur. Inzwischen ist sie freiberufliche Autorin.


    Matthew L. Jockers ist der Susan J. Rosowski Associate Professor für Englisch an der University of Nebraska-Lincoln. Dort leitet er das Nebraska Literary Lab. Über seine Forschungen zum Text Mining wurde unter anderem in der "New York Times", der "LA Review of Books" und der "Sunday Times" berichtet.


    Inhalt
    Jodie Archer und Matthew L. Jockers haben computerbasiert, aus rein linguistischer Sicht Stil, Figuren und Handlungsverlauf von Bestsellern der New-York-Times-Bestsellerliste analysiert. Da das Etikett NYT-Bestseller bisher mit großer Treffsicherheit Bücher markierte, die mich beim Lesen enttäuschten, schlug ich den Buchdeckel mit seinem reißerischen Titel mit sehr gemischten Gefühlen auf. Im ersten Kapitel signalisierte mir die Sprache, die ich in der deutschen Übersetzung für das Thema selbstlernende Systeme zu altertümlich fand, dass hier von den Verfassern ausschweifend klassisches US-amerikanisches Marketing betrieben würde. Altertümlich wirkte die Einführung deshalb, weil Entwickler, die ihre Brötchen in dieser Branche verdienen, zwar von selbstlernenden Systemen berichten, selten jedoch von maschinenlernenden.


    Vom 2. Kapitel an konnte mich das Versprechen der Autoren fesseln, dass ihr computergestützter Bestseller-o-Meter mit 80%iger Wahrscheinlichkeit voraussagen könnte, ob ein Manuskript es auf die NYT-Bestsellerliste schaffen würde. Als „Futter“ des stilanalysierenden selbstlernenden Programms dienten neben 500 Bestseller-Titeln der NYT-Liste Romane des 19. Jahrhunderts, Science Fiction, Fantasy, Romantik und weniger erfolgreiche e-book-Titel bisher unbekannter Autoren. Bevor Romantexte PC-gestützt ausgewertet werden konnten, musste man sich auf den verlegerischen und buchhändlerischen Instinkt verlassen; exakte Voraussagen über den Erfolg eines Roman-Manuskripts waren jedoch noch nicht möglich. Das Archer/Locker-Team untersuchte nun, welche Themen sich Leser wünschen, die erfolgversprechendste Themengewichtung innerhalb des Textes, Handlungskurve und Erzähltempo. Die Summe dieser Faktoren bildet bei Lesern quer durch alle Leserschichten das Markenzeichen eines erfolgreichen Autors. Als herausragend erfolgreiche Autoren werden Danielle Steel und John Grisham vom PC-Programm TOP-Positionen zugeschrieben, in Übereinstimmung mit der NYT-Bestseller-Liste.


    Die Treffsicherheit dieses Bestseller-Tools ist wirklich verblüffend und wird durch Mustererkennung und Kombination verschiedener Faktoren möglich. Mit großer Heiterkeit konnte ich über die IT-gestützte Enttarnung von Robert Galbraith als Joanne K. Rowling in der Gegenwart und von Richard Bachman als Stephen King durch den Instinkt eines Buchhändlers in der Vergangenheit lesen. Was kann die rechnergestützte Analyse der beiden Literaturexperten, was ein täglich genutztes agiles Buchhändlergehirn nicht kann, habe ich mich natürlich gefragt. Nachdem ich mich mit dem Girl-Trend des neuen Sub-Genres von “Gone Girl”, “Girl on the Train” und “The Girl with the Dragon Tattoo” befasst hatte, ging es mit der Frage zur Sache, ob es einen perfekten, prognostizierbaren TOP-1-Sieger-Titel gibt, wie ein unbekannter Autor es überhaupt erst auf eine Bestseller-Liste schafft, und ob Romane zukünftig gleich rechnergestützt von PC-Programmen geplottet und formuliert werden. Die vom PC-Programm generierte Bestenliste hat leider meine Erfahrung bestätigt, dass Bücher von US-Bestenlisten mich häufig enttäuschen. Das erste für mich interessante Buch taucht erst auf Platz 29 auf, nur 12 der 100 Romane habe ich gelesen oder möchte sie lesen.


    Fazit
    Wer sich dafür interessiert, was Buchleser wünschen, ob ein Bestseller einen prominenten Namen, ein üppiges Werbebudget oder eher Fingerspitzengefühl für die Wünsche der Massen voraussetzt, kann hier interessante Einsichten gewinnen. Sie erfahren, warum 50 Shades of Grey vermutlich kein Zufallstreffer einer Anfängerin war, wie es der unbekannte Anthony Doerr auf die Liste schaffte, welche Tipps aus Schreibratgebern sicher zum Misserfolg führen oder woran stilsichere Sex-Szenen zu erkennen sind.


    9 von 10 Punkten

  • Die kühne Behauptung dieses Buches lautet, dass Bucherfolge nicht beliebig entstehen und dass der Buchmarkt nicht so unberechenbar ist, wie viele meinen. (Seite 13f)



    Zum Inhalt (eigene Angabe)


    Kann man einen Bestseller voraussagen? Haben Bestseller etwas gemeinsam, was sie dazu prädestiniert, ein Bestseller zu werden - und wenn ja, was?

    Diesen und einigen anderen Fragen sind die Autoren dieses Buches nachgegangen und haben Erstaunliches zutage gefördert.



    Meine Meinung


    Schon manches Mal habe ich mich gefragt, weshalb es Bücher gibt, die quasi „automatisch“ zu Bestsellern werden und andere, die trotz immenser Werbeaufwendungen auf keinen grünen Zweig kommen. Der Titel dieses Buches suggerierte, auf diese Frage eine Antwort zu geben; so ging ich denn mit einigen Erwartungen ans Lesen.


    Die Autoren beschreiben, wie sie ihren Computern das „Lesen“ (und Verstehen des „Gelesenen“) beigebracht haben. Sie suchen nach möglichen Gemeinsamkeiten zwischen Bestsellern, auch wenn manche auf den ersten Blick gar keine zu haben scheinen. Sie untersuchen, inwieweit die im Roman behandelten Themen - und möglicherweise die Anzahl selbiger - eine Rolle spielen. Nicht zu vergessen, ob es Themen gibt, die eher für oder eher dagegen sprechen, daß aus einem Buch ein Bestseller wird.


    Auch wenn dem Buch teils recht komplexe Untersuchungen zugrunde liegen, haben die Autoren diese gut verständlich und nachvollziehbar beschrieben. Zu jedem der Hauptkapitel des Buches gab es am Schluß die Liste der Bücher, die der „Bestseller-o-mat“ ausgeworfen hat. Abgesehen davon, daß ich nur die wenigsten dieser Bücher kannte (oder überhaupt lesen wollte), gab es da so manche Überraschung in die eine wie die andere Richtung.


    Ein kleiner Nachteil ist, daß die Autoren die Bestsellerliste der New York Times zugrunde legen - was bedeutet, daß ausschließlich Romane, die es auf diese Liste geschafft haben (also englischsprachige), Berücksichtigung finden. Interessant wäre es, eine solche Untersuchung mit deutschen Bestsellerlisten zu machen. Dazu müßte der „Bestseller-o-mat“ allerdings erst einmal Deutsch lernen.


    Verblüffend war, daß der Computer einen Bestseller mit einer Trefferquote von über 80%, oft sogar deutlich über 90%, erkennen konnte. Beruhigend ist, daß es trotzdem offensichtlich nicht unbedingt möglich ist, anhand der Algorithmen einen erfolgreichen Roman vom Computer schreiben zu lassen - am Ende kommt es denn doch auf die menschliche Fantasie und Kreativität an.


    Am Ende hatte ich einen Überblick über die Faktoren, die einen Bestseller von einem - drastisch ausgedrückt - Flop unterscheiden. Dadurch werde ich künftig wohl etwas bewußter lesen und manches in Büchern besser verstehen. Meine Erwartungen an das Buch wurden also erfüllt. Ob das dann allerdings deutlich mehr Bestseller sein werden als bisher, sei dahingestellt. Denn auch beim Lesen kommt es letztlich auf die persönlichen Interessen und Vorlieben des Lesers an.



    Mein Fazit


    Auch wenn der „Bestseller-Algorithmus“ nicht mit abgedruckt wurde, gibt das Buch deutliche Hinweise darauf, was einen Bestseller ausmacht und was nicht.


    ASIN/ISBN: 3864704995

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")