Benjamin Alire Sáenz: Die unerklärliche Logik meines Lebens
Thienemann Verlag 2017. 544 Seiten
ISBN-10: 3522202368
ISBN-13: 978-3522202367. 16,99€
Vom Verlag empfohlenes Alter: 13 - 16 Jahre
Verlagstext
Sam war verdammt klug. Und sie wusste einfach Bescheid. Über alle möglichen Dinge. Sie fühlte die Dinge auch. O Mann, konnte Sam Dinge fühlen. Manchmal dachte ich, sie würde alles gleich für uns beide erledigen – das ganze Denken, das ganze Fühlen, das ganze Leben. Sam wusste, wer Sam war. Ich dagegen? Ich glaube, ich war mir nicht immer so sicher. Sich gegenseitig auffangen – das haben Sal und seine beste Freundin Samantha bisher immer geschafft. Doch gelingt das auch im größten Chaos, wenn alles droht, auseinanderzubrechen? Das letzte Schuljahr stellt die Freundschaft der beiden auf eine harte Probe. Sam gerät an einen wirklich miesen Typen, während Sal verzweifelt versucht, nicht zu einem zu werden. Er hat das Gefühl, all das nicht zu sein, was Sam an ihm mag – und doch scheint ihre Freundschaft bedingungslos.
Der Autor
Benjamin Alire Sáenz schreibt Lyrik und Prosa für Erwachsene und Jugendliche. Er wurde für seine Bücher für Erwachsene mit dem PEN/Faulkner Award und dem American Book Award ausgezeichnet. Auch seine Jugendbücher, darunter „Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums“, erhielten zahlreiche Auszeichnungen. Er unterrichtet Kreatives Schreiben an der University of Texas in El Paso.
Inhalt
Salvadore ist 17 und soll sich im letzten High-School-Jahr wie sein Altersjahrgang für einen Studienplatz an einer Universität bewerben. Der Sprung aus dem Nest kann für einen jungen Amerikaner bedeuten, nicht nur in die nächste Großstadt zu ziehen, sondern einige Tausend Kilometer entfernt von der Familie zu leben. Sals platonische Freundin Sam, Samantha, ist längst bereit für den Schritt in einen neuen Lebensabschnitt. Doch obwohl sie das Thema immer wieder anspricht, wirkt Sal noch nicht bereit dazu. Der junge weiße Mann ist als Kleinkind von einem allein lebenden Kunstprofessor adoptiert worden und damit in eine warmherzige Großfamilie mexikanischen Ursprungs aufgenommen worden. Sal schiebt seinen Bewerbungsaufsatz für die Uni ständig vor sich her, weil er sich noch nicht klar darüber ist, wer er eigentlich ist. Den Brief, den seine verstorbene Mutter ihm hinterlassen hat, hat er noch immer nicht geöffnet. Seine aggressiven Ausraster der letzten Zeit zeigen, dass Sal sich dringend damit auseinandersetzen muss, dass er einen – noch unbekannten – leiblichen und einen Adoptivvater hat. Sal fällt es schwer, sich für die Laufbahn eines guten oder bösen Jungen zu entscheiden, weil er nicht einordnen kann, welche Cahrakterzüge evtl. von seinem leiblichen Vater stammen könnten. Sorgen bereitet ihm die späte Einsicht, dass für seinen Vater Vicente der Kontakt zu seinem geliebten Adoptivsohn allein nicht genügt, sondern dass Vicente sich nach einem erwachsenen, männlichen Partner sehnt. Das Zusammenleben zu dritt mit einem Partner Vicentes wäre für Salvadore völliges Neuland. Die Familie ist aktuell mit der unheilbaren Krankheit der Großmutter Mima konfrontiert. Die von Mimas Maulbeerbaum fallenden Blätter symbolisieren den glücklichsten Moment in Sals Leben und durchziehen den Roman als Illustration zu Beginn jedes Kapitels.
Als Sams Mutter tödlich verunglückt, handelt Vicente so hilfsbereit wie erwartet und nimmt auch Sam in den Familienclan auf. Sams Mutter hatte ihn bereits vor ihrem Tod als Vormund für ihre Tochter bestimmt. Als dritter im Bunde muss Fito versorgt werden, der kurz vor seinem 18. Geburtstag zuhause rausfliegt. Unter ungünstigeren Bedingungen als Sal und Sam muss auch Vito den Schritt ins Erwachsenenleben wagen. Die drei Jugendlichen sind auf unterschiedliche Art mit nur einem Elternteil aufgewachsen und haben sich selbst noch nicht gefunden. Dass von ihnen nun eigenständiges Leben erwartet wird, bedeutet nicht, dass sie innerlich dazu bereit sind – und die Erwachsenen werden diesen Widerspruch spüren oder sich selbst daran erinnern können. Die Situation erinnert an junge Vögel, die bereits fliegen und sich selbst versorgen können und sich im Moment vor dem ersten Flug noch einmal an den Rand des Nestes krallen.
Fazit
Benjamin Alire Sáenz lässt drei Jugendliche an der Schwelle zum Erwachsenenleben aufeinandertreffen. Den Moment des Zögerns, bevor knapp 18-Jährige den Schritt zum nächsten Lebensabschnitt tatsächlich wagen, hat Saénz wunderbar eingefangen. Eine Reihe zusätzlicher Probleme türmen sich auf. Die zentralen Themen waren für mich die Vatersuche der beinahe erwachsenen Figuren, die Homosexualität des Vaters, die Sal bisher verdrängt hatte, und der Übergang ins Erwachsenenleben, für den Sal zu Beginn des Romans noch nicht bereit ist. Im Vergleich zu „Aristoteles und Dante …“ konnte mich Sáenz zweites ins Deutsche übersetzte Buch jedoch weniger begeistern, weil mich das US-amerikanische Pathos beim Thema Heimat und Familie nicht anspricht und weil ich den Studienbeginn fast 18-Jähriger von der Lebensrealität einer Zielgruppe ab 13 Jahren sehr weit entfernt finde. Jugendliche, die damit kein Problem haben, werden sich in den unentschlossenen Icherzähler jedoch leicht einfühlen können.
knappe 8 von 10 Punkten