Titel: Ikarien
Autor: Uwe Timm
Verlag: Kiepenheuer und Witsch
Erschienen: September 2017
Seitenzahl: 506
ISBN-10: 3462050486
ISBN-13: 978-3462050486
Preis: 24.00 EUR
Das sagt der Klappentext:
Deutschland Ende April 1945: Während regional noch der Krieg tobt, bricht der junge amerikanische Offizier Michael Hansen von Frankfurt nach Bayern auf und bezieht Quartier am Ammersee. In einem Münchner Antiquariat findet er einen früheren Weggefährten des Eugenikers Alfred Ploetz, den Dissidenten Wagner. Von ihm lässt er sich die Geschichte einer Freundschaft erzählen, die Ende des 19. Jahrhunderts in Breslau begann und die beiden Studenten über Zürich bis nach Amerika führte - und mitten hinein in die Auseinandersetzung um die beste gesellschaftliche Ordnung: hier ein Sozialismus nach Marx, dort das utopische Projekt der Gemeinde Ikarien, die vom französischen Revolutionär Etienne Cabet in Amerika gegründet wurde. Hansen kommt durch die Lebensbeichte Wagners dem faustischen Pakt auf die Spur, den der Rassenhygieniker Ploetz mit den Nazis einging, und dem ganz anderen Schicksal, das den Antiquar wegen seiner widerständigen Haltung ereilte. Seine Reise durch das materiell und moralisch zerstörte Land lässt Hansen Zeuge eines Aufbruchs werden, der die deutsche Geschichte prägen sollte. Zugleich wird sie zu einer ‚ducation sentimentale - auch in der Liebe werden ihm einige Lektionen erteilt. Eine faszinierende Zeitreise durch die deutsche Geschichte und eine ganz eigene und überraschende Darstellung der "Stunde Null".
Der Autor:
Uwe Timm, geboren 1940, freier Schriftsteller seit 1971. Sein literarisches Werk erscheint im Verlag Kiepenheuer & Witsch, zuletzt »Montaignes Turm«, 2015, »Vogelweide«, 2013, »Freitisch«, 2011, »Am Beispiel eines Lebens«, 2010, »Halbschatten«, 2008, »Der Freund und der Fremde«, 2005 und »Am Beispiel meines Bruders«, 2003. Uwe Timm wurde 2006 mit dem Premio Napoli sowie dem Premio Mondello ausgezeichnet, erhielt 2009 den Heinrich-Böll-Preis und 2012 die Carl-Zuckmayer-Medaille. Sein Werk ist in zahlreiche Sprachen übersetzt, allein »Am Beispiel meines Bruders« seit 2003 in über 20.
Meine Meinung:
Ein wirklich lesenswerter Roman, geschrieben mit der Uwe Timm eigenen spröden Intensität. Endlich mal wieder ein Roman, der sich wohltuend von dem selbstgefälligen Geschwafel vieler Autoren in heutiger Zeit abhebt.
Uwe Timm schafft es eindrucksvoll, immer wieder Facetten aus dem Roman „Reise nach Ikarien“ von Etienne Cabet in seinen Roman „einzuweben“. Man kommt gar nicht umhin sich als Leser näher mit diesem Etienne Cabet und seinen Utopien zu beschäftigen. Der Blick über den Tellerrand, auch den Tellerrand des Lesers, macht dieses Buch von Uwe Timm so interessant. Man liest dieses Buch nicht einfach – man beschäftigt sich mit ihm, man will mehr wissen über dieses Ikarien. Und das alles spielt vor der Kulisse des zerstörten Deutschlands, kurz nach dem Zusammenbruch Deutschlands im Jahre 1945.
Die handelnden Personen wirken glaubwürdig und authentisch und man hat manchmal das Gefühl, man stünde direkt neben ihnen, ist bei ihren Handlungen live dabei.
Uwe Timm ist ohne Frage ein Autor der Extraklasse, ein Autor der wirklich etwas zu sagen hat, der nicht langweilt (an keiner Stelle), der seine Leser zwar mitnimmt, ihnen dabei aber das Denken nicht abnimmt. Es gilt, den eigenen Denkapparat in Wallung zu bringen und nicht, andere für sich denken zu lassen.
Ein sehr lesenswerter Roman, ein Roman der eben auch durch seinen Schreibstil besticht. Uwe Timm schreibt, wie bereits eingangs erwähnt, intensiv aber auch angetan mit einer gewissen Sprödigkeit – kurz gesagt: Einfach nur gut.
Es ist aber auch ein Buch, das man kaum aus der Hand legen mag – ein Buch das in der momentan niveauarmen literarischen Zeit schon herausragt. 9 Punkte.