Mirko Bonné: Lichter als der Tag
Verlag: Schöffling 2017. 336 Seiten
ISBN-10: 3895614084
ISBN-13: 978-3895614088. 22€
Verlagstext
Raimund Merz kennt Moritz und Floriane von Kindheit an. Ihr Lebensmittelpunkt ist ein wilder Garten am Dorfrand. Als Inger zu ihnen stößt, die Tochter eines dänischen Künstlers, bilden die vier eine verschworene Gemeinschaft, bis sich beide Jungen in das Mädchen verlieben. Inger entscheidet sich für Moritz, Raimund und die ehrgeizige Floriane werden ebenfalls ein Paar. Jahre später kreuzen sich die Wege der vier erneut - für Raimund die Chance, sich der Leere seines Lebens ohne Inger zu vergegenwärtigen. Verzweifelt sucht er nach einem Weg zurück zu sich selbst und zu einer Aussöhnung mit der Vergangenheit. In einem furiosen Finale bricht er auf nach Lyon zu einem Gemälde, das ihn in Bann zieht wie in der Kindheit der wilde Garten. Mirko Bonnés großer Liebesroman überträgt das Wahlverwandtschaften-Thema in die heutige Zeit. Er fragt nach Gründen von Entzweiung und Entfremdung und zeichnet dabei das ergreifende Porträt eines Mannes, der die Kraft findet, aus dem Schatten über seinem Dasein hinauszutreten
Der Autor
Mirko Bonné, geboren 1965 in Tegernsee, lebt in Hamburg. Er veröffentlichte Romane, Gedichtbände, Aufsätze und Reisejournale und übersetzte u. a. Sherwood Anderson, Emily Dickinson, John Keats, Grace Paley und William Butler Yeats. Für sein Werk wurde Mirko Bonné vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Rainer-Malkowski-Preis (2014). Sein Roman „Nie mehr Nacht“ stand 2013 auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis.
Inhalt
Die Freunde trafen sich als Kinder in einem verwilderten Garten in einem Dorf bei Berlin, der inzwischen längst unter dem Asphalt eines Parkplatzes verborgen ist; Raimund, Moritz und Floriane. Später kam nach dem Tod ihrer Eltern aus Dänemark Inger ins Dorf, die besonders Floriane unter ihre Fittiche nahm. Raimund ist heute mit der erfolgreichen Kieferorthopädin Floriane verheiratet, die immer schon darauf achtete, was später einen guten Eindruck im Lebenslauf machen würde. Obwohl Raimund damals Inger liebte, hat er seit Jahren nichts von ihr gehört. Während Floriane zielgerichtet auf ihrem von der Familie vorgegebenen Weg marschierte und dazu auch ein Studium in England auf sich nahm, ist Raimund Entscheidungen möglichst aus dem Weg gegangen. Weder mit seinem ungewöhnlichen Blick für Gemälde und Lichtverhältnisse noch mit seiner Liebe zur Biologie scheint Raimund irgendetwas erreicht oder seinen Platz im Leben gefunden haben. Seine Tätigkeit für ein Hamburger Magazin ließ für mich jedenfalls mehr Fragen offen, als sie über Mirko Bonnés Hauptfigur verriet. Intensiv kann man als Leser der Freundschaft zwischen Raimund und seinem Kollegen Bruno DeWitt folgen, auch diese Freundschaft zeigt, dass Raimund schwer erkennen kann, wer ihn schätzt und welche Beziehungen gut für ihn sind.
Nachdem im ersten Teil das aktuelle Verhältnis der vier Jugend-Freunde als ungefähr 50-Jährige beschrieben wurde, folgt im mittleren Teil die Analyse des Konflikts durch einen Rückblick auf die offenbar falsche Partnerwahl in ihren Ehen. Warum seit langer Zeit Funkstille zwischen den Paaren herrscht, fand ich teils vorhersehbar, teils genügte es mir nicht als Mittelteil eines Romans, der auf der Longlist zum deutschen Buchpreis vertreten ist. Mir fehlte, was die Zahnärztin, den Redaktionsmitarbeiter, den Architekten und die Künstlerin ausmacht und was es bedeutet, mit 50 Jahren auf Fehleinschätzungen und falsche Entscheidungen zurückzublicken.
Raimunds Sich-Treiben-Lassen im Windschatten einer erfolgreichen Frau aus bürgerlicher Familie fand ich im ersten Drittel ausgesprochen öde, weil sich bis zu diesem Punkt seine Ziele und seine Talente im Unscharfen verlieren und seine Frau allenfalls als Kulisse dient. Misslungen fand ich die Darstellung von Kindern im Roman. Beide Paare haben zusammen 3 Töchter, die um die 11 Jahre alt sind, sich selbst als Jugendliche sehen, aber dargestellt werden, als wären sie 8. Erst im dritten Teil nahm die Handlung für meinen Geschmack Fahrt auf, als Raimund Hamburg verlässt und zu seinem Lebensthema zurückkehrt, der Bedeutung des Lichts in der Malerei.
Fazit
Nachdem man mehr als die Hälfte des Romans überstanden hat, werden die Handlungsfäden sorgfältig entwirrt und Szenen fügen sich nachträglich harmonisch und sinnvoll zu einem Ganzen, die man bis dahin für unfertig gehalten haben könnte. Stilistisch fand ich meinen ersten Roman von Mirko Bonné lesenswert. Mit dem Motiv der Wahlverwandtschaften für das Buch zu werben, finde ich nicht unbedingt glücklich. Man sollte sich besser auf die Lektüre einlassen, ohne vorher zu viel über den Roman gelesen zu haben.
8 von 10 Punkten