Gegen alle Regeln - Ariel Levy

  • Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
    Verlag: Knaur, 2017


    OT: The Rules Do Not Apply. A Memoir.
    Aus dem Amerikanischen von Maria Hochsieder


    Kurzbeschreibung:
    Die erfolgreiche New Yorker Journalistin Ariel Levy hat eine aufregende Affäre, eine liebevolle Ehepartnerin und den Wunsch nach einem Kind. Emanzipiert lebt sie nach ihren eigenen Regeln. Doch als sie eine Fehlgeburt erleidet, bricht alles auseinander.


    Über die Autorin:
    Ariel Levy wurde 1974 in Larchmont, New York geboren und arbeitet seit vielen Jahren als preisgekrönte Journalistin für das renommierte Kulturmagazin The New Yorker. Ihre Reportage Thanksgiving in Mongolia wurde mit dem National Magazine Award for Essays and Criticism ausgezeichnet. Diese persönliche Geschichte diente als Grundlage für das vorliegende Buch, das international für Aufsehen sorgte.


    Mein Eindruck:
    Gegen alle Regeln ist ein autobiografisch geprägter Text, der gleichwohl hohe literarische Qualitäten besitzt. Eine Romanform würde kaum anders wirken.
    Immer wieder gibt es Rückblicke in Kindheit und Jugend, über Vater und Mutter, über erste berufliche Hürden und Erfolge.
    Dadurch lernt man Ariel Levy als sensible Person kennen.
    Zwar ist sie öfter auf Reisen (Südafrika, Thailand, Paris, Jerusalem), aber in erster Linie ist es ein US-amerikanisches Buch, gleichzeitig ein gesellschaftpolitisches Portrait des Landes in der beschriebenen Zeit. Da ist es George W. Bush, der 2004 gleichgeschlechtlicher Ehen verbieten will und San Francisco, dass sich offen zeigt und gegen Bush rebelliert. Auch Ariel heiratet eine Frau. Ihre Beziehung zu Lucy steht dann im Mittelpunkt, aber auch ihre berufliche Situation ändert sich, sie arbeitet schließlich sogar für den New Yorker.


    Der journalistische Ansatz des Buches trägt dazu bei, dass interessante Geschichten integriert werden, zum Beispiel über die Intersexuelle Läuferin Caster Semenya, die Ariel in Südafrika aufsuchte oder die über Lamar Van Dyke, um mal nur 2 zu nennen.


    Ich kann mich nur wiederholen, für mich wirkt das Buch wie ein journalistisch geprägter Roman, der auf der eigenen Biografie der Autorin basiert. Deswegen ist es für mich mehr als ein Sachbuch, es ist echte Literatur.

  • „Als ich aus der Mongolei zurückkam, war ich so traurig, dass mir das Atmen schwerfiel.“ (S. 126)


    Zusammenfassung. Ariel hat alles, was sie will: Eine liebevolle Ehe, einen guten Job und dann ist sie auch noch schwanger. Doch als sie auf ihrer letzten großen Reise das Kind verliert, bricht plötzlich alles über ihr zusammen.


    Erster Satz. Reden Sie manchmal mit sich selbst?


    Cover. Hätte ich mich wegen des Covers für oder gegen dieses Buch entscheiden müssen, dann wäre es sehr wahrscheinlich nichts geworden mit uns. Ich finde, das Cover hat etwas Altmodisches, etwas, das mich denken lässt, dass ich dieses Buch auch im Keller meines Elternhauses hätte finden können, irgendwo unten im Stapel der Bücher meiner Mutter oder meines Vaters. Also nein. Dieses Cover hat mich einfach gar nicht angesprochen.


    Inhalt. Im Gegensatz zum Inhalt (zunächst). Es brauchte nur bis Seite sieben, bis zum ersten der gleich folgenden Buchzitate, um mich von der Notwendigkeit zu überzeugen, dieses Buch zu lesen. Die Emotion, die dort sprachlich erzeugt wird, hat mir den Atem geraubt und wäre ich an dem Tag etwas näher am Wasser gebaut gewesen, dann hätte meine Contenance nicht lange gehalten.
    Ganz so begeisternd, wie ich die ersten Seiten empfunden habe, ging „Gegen alle Regeln“ dann jedoch leider nicht weiter.
    Es änderte sich nichts an der sprachlichen Schönheit, doch ich hatte noch lange das Gefühl, dass alles, was wir hier zu lesen bekommen, irgendwie noch Vorgeplänkel ist. Ist es aber nicht. Natürlich, „Gegen alle Regeln“ ist schon laut Titel ein „Memoir über Liebe und Verlust“ und vielleicht gibt es nichts, was ich sagen könnte, das dieses Buch treffender beschreibt. Und trotzdem hätte ich mir gewünscht, ich hätte zwischendurch das Gefühl gehabt, dass diese Erzählung ein Ziel hat.


    Personen. Die Personen sind in meinen Augen ein Pluspunkt dieses Memoirs. Sie sind glaubwürdig in ihrem Gewinnen und Scheitern, in ihren Stärken und Schwächen. Ich konnte der Ich-Erzählerin jede ihrer Emotionen abkaufen und wäre sehr wahrscheinlich bei dem Schicksalsschlag, der sie ihren Sohn verlieren lässt, ein emotionales Wrack gewesen - wenn nicht just in der Umgebung dieser schrecklichen Zeit die Emotionalität zurückgeschraubt schien. Emotion durch bewusste Nicht-Emotion oder schlicht das Unvermögen, sich mit der Unfassbarkeit der Ereignisse gefühlsmäßig näher auseinander zu setzen?
    Doch das sind kleine Kritikpunkte. Alles in allem waren die Figuren sehr überzeugend und wirklich gelungen.


    Lieblingsstellen. „Immer wieder werde ich von Gefühlen überwältigt, und ich stehe da und muss mich an der Arbeitsplatte in der Küche festhalten, an einer Stange in der U-Bahn oder am Körper eines Freundes, damit ich nicht umfalle.“ (S. 7)
    „Sie verbreitete die warme Anständigkeit einer Sonnenblume.“ (S. 46)
    „[…] dieses Lächeln, das direkt von der Sonne kommt.“ (S. 152)


    Fazit. Eine faszinierende, bewegende Geschichte, der nur leider für mein Empfinden das letzte Fünkchen Großartigkeit fehlt.

  • Dies ist eines der berührendsten Bücher, die ich in der letzten Zeit gelesen habe!
    Ja, manchmal scheint es etwas ziellos vor sich hin zu mäandern, hält sich an zwar interessanten, aber nicht unbedingt zur Geschichte gehörenden Abzweigungen wie dem Besuch bei der 1991 in Südafrika geborenen Läuferin Caster Semenya auf, die vor einigen Jahren in allen Medien ausgiebigst abgehandelt wurde.
    Trotzdem merkt man, was der Autorin am meisten am Herzen liegt, nämlich der Verlust ihres auf einer Recherchereise nach Ulan Bator zu früh geborene und nur wenige Minuten lebensfähigen kleinen Jungen. Wie sie sich deshalb mit Selbstvorwürfen quält, obwohl man ihr ärztlicherseits nachweist, dass sie kein Verschulden trifft. Wie sie sich von ihrem Umfeld unverstanden fühlt, dort auch Vorwürfe zu spüren meint, sich an dem verwendeten Wort "Fehlgeburt" stößt, weil ihr Kind ja keine Totgeburt, sondern eine (leider zu kurz) lebende Frühgeburt war. Wie sie damit fertig werden muss, dass ihr Körper, ganz zu schweigen natürlich von ihrer Psyche, voll auf die Mutterrolle "programmiert" ist. Wie um sie herum alles in Scherben zu gehen droht bzw. tatsächlich zerbricht.
    All das kommt relativ unprätentiös zur Sprache und berührte - zumindest mich - gerade dadurch erheblich stärker, als eine mehr rührselige Darbietung es vermocht hätte.
    Ariel Levy hat damit bestimmt einen ersten Schritt auf dem Weg der Trauerbewältigung unternommen, auch, wenn solch eine Wunde vermutlich hie ganz verheilen kann.

  • Lebensveränderung


    Man lernt eine starke Frau kennen - die ein heftiges Schicksal ereilt. Der Leser wird in die Emotionen mithineingezogen und leidet mit der Protagonistin mit.
    Der Schreibstil ist gut lesbar und sehr flüssig - ich finde ihn außerdem auch sehr detailliert - das hat mir persönlich gut gefallen.
    Mir hat da Buch ausgesprochen gut gefallen und ich kann es absolut weiterempfehlen - natürlich nur, wenn einem das Thema anspricht. Die Umsetzung ist absolut gelungen.