geläutert
Auf dem Höhepunkt des neuen Marktes saß „Börsenguru“ Markus Frick bei Wieland Backes in der Talkshow "Nachtcafé" und verkündete: „Ich kann das Geld, das ich an der Börse gemacht habe, jederzeit wieder machen, weil - ich das Wissen habe.“ Niemand widersprach ihm.
Wahnsinn! Woher hatte Frick denn das Wissen? Er war gerade Mitte zwanzig und operierte seit zwei, drei Jahren hauptberuflich an der Börse. Noch bis vor ein paar Jahren hatte Frick die sprichwörtlichen kleinen Brötchen gebacken in der Bäckerei seiner Eltern im badischen Sinsheim, wenn auch als Produktionsleiter.
Worin besteht dieses geheimnisvolle Wissen? In einem Buch mit dem „seriösen“ Titel „Ich mache Sie reich - Der Mann, der Millionäre macht“ verrät uns der Börsenmotivator wie es geht:
1. Streuen Sie Ihr Depot nicht, kaufen Sie nur zwei bis drei Aktien.
2. Setzen Sie auf Kursraketen, also „heiße“ Technologieaktien des Neuen Marktes.
3. Begrenzen Sie Ihre Verluste mit Stop-Loss-Order. Und
4. Suchen Sie sich einen spesengünstigen Online-Broker für die Abwicklung ihrer Börsengeschäfte.
Das ist alles.
Also, fassen wir noch einmal zusammen: Wie wird man laut Frick Millionär? Indem man alles auf eine Karte setzt und noch dazu auf Zockerpapiere! Der Mann hat Recht, so wird man tatsächlich Millionär; aber nur, wenn man als Milliardär anfängt.
Vermutlich hatte diese ominöse Methode bei Frick sogar geklappt. Wahrscheinlich ist er selbst genau so Millionär geworden. Am Neuen Markt waren viele Teilnehmer (Anleger kann man nicht sagen) für eine gewisse Zeit Millionär gewesen, zumindest auf dem Papier. In Phasen, wie sie die deutsche Finanzwelt seit der Gründerzeit vor über hundert Jahren nicht mehr erlebt hatte, vervielfachten sich die Aktien dieses Marktsegments innerhalb weniger Monate.
Nur, mit Können oder Wissen hatte dies nichts zu tun. Es war die Phase des „heißen Geldes“, in der jeder gewann, ob blutiger Anfänger oder erfahrener Profi, ob Küchenhilfe oder diplomierter Ingenieur, sofern er nur dabei war. Die Leistung entsprach der eines Schützen, der in ein Fass voller Heringe schießt und sich danach rühmt, getroffen zu haben; sich auf seine Schießkünste gar noch etwas einbildet.
Genau dieser Einbildung erlag auch Markus Frick. Zu einer grandiosen Selbstüberschätzung kommt bei ihm allerdings hinzu, dass er ein Sendungsbewusstsein spürt, andere zum Reichtum „bekehren“ zu wollen. Oder hatte er nur erkannt,wie leicht man die Masse der Kleinanleger abzocken kann?
Auf seiner Homepage pflegte Frick die klassische Tellerwäscher-zum Millionär-Story, gespickt mit Satzteilen wie: „karge, einfache Existenz“, „stammt aus einer Kleinstadt“, „schon als kleiner Junge für kleines Geld die Backbleche putzte“.
Wir sahen sie vor uns, die Bilder vom armen Jungen, der harte Kinderarbeit verrichten musste. Eine „karge, einfache Existenz“, in der man „für kleines Geld“ arbeitete, beklagte man in Europa zuletzt im Viktorianischen Zeitalter und Fricks Lebenslauf sollte uns wohl an Oliver Twist erinnern. Dass Markus Frick aufgewachsen ist in der goldenen Wirtschaftszeit der 1980er Jahre im Kraichgau, im Vorzeigebundesland Baden-Württemberg, dass seine Eltern eine gutgehende Bäckerei mit Filialen besaßen, verdrängen wir, denn wir sollen ja glauben - das Märchen.
Und dann? Frick schuftete und schuftete, nahm jeden Job an, den er bekam (mit 22 Jahren der jüngster Bäckermeister Deutschlands), denn er träumte von einem Leben in finanzieller Unabhängigkeit. Natürlich durfte auch das typische „Ich war schon einmal Pleite“-Schema in seiner Geschichte nicht fehlen. Auch Frick kokettierte damit, um seine Stehaufmännchen-Mentalität zu demonstrieren.
Jedenfalls hatte Frick es bald darauf geschafft, was im Neuen Markt ja durchaus möglich war und führte dies den Fernsehzuschauern auch vor. Er ließ sich im Ferrari filmen, während er die Frankfurter Bankenmeile entlang rollt, vorbei an den Glitzerfassaden der Hochhäuser. Markus Frick war angekommen.
So war das Märchen perfekt, das Frick zu verkörpern vorgab. Vom Tellerwäscher zum Millionär oder, wie in Fricks Fall, vom Bäckerlehrling zum „Börsenmotivator“, ja sogar zu „Deutschlands Stimme des Geldes“. Frick verstand sich nämlich nicht nur als Börsenguru, der heisse Anlagetipps gab, sondern noch mehr als „Geld- und Lebensberater“. Seine Vorstellung von der grauen Masse war die, dass die meisten Menschen zu träge sind, sich um etwas ernsthaft und dauernd zu bemühen. Damit könnte Frick sogar Recht haben, nur lenkte er diese Trägen dahin, dass sie seine Seminare besuchten und motivierte sie, seine teuren Börsen-Hotlines anzurufen.
Frick gab dem Affen Zucker und stellte den Zucker saftig in Rechnung. Längst hatte er den Wechsel vollzogen vom reinen „Börsenguru“ zum „Motivationstrainer“ à la Gerd Höller, Bodo Schäfer oder Christoph Daum. Frick folgt deren Philosophie und motivierte seine Mitmenschen dazu, die teuren Markus Frick-Produkte zu kaufen.
Als Lebens- und Glücksmotivator sah sich Frick vor allem in seinen Seminaren. Dort drehte sich längst nicht mehr alles um „heiße Kandidaten“, also vielversprechende Aktientipps. Normalerweise eher nüchterne Börsenseminare inszenierte Frick als Medienspektakel. Der Motivator saß nicht am Podium, er stand auf einer Bühne. Statt sachlichem Vortrag erwartete die Teilnehmer eine Bühnenshow mit aufwendigen Präsentationen. Passend dazu, verkündete Frick vorher, er sei „super gut drauf“ und erwarte ein „super schönes Seminar“. Dann lief Frick wie ein Fernsehprediger durch die Zuschauerreihen und fragte einzelne Anlegermeinungen mit dem Mikrofon ab. Überhaupt bezog er seine Seminarteilnehmer sehr mit ein. Schon zu Beginn begrüsste er jeden per Handschlag, nannte seine Teilnehmer, auch wesentlich ältere Personen, jovial mit Vornamen. Zwischendurch rannte, sprang und tanzte er durch den Saal, schüttelte Besucher kräftig durch, rieb ihnen über die Glatze, schrie und vergab auch mal leichte Ohrfeigen.
Die Fragen nach Geld und Aktien gerieten dabei fast in den Hintergrund. Er kündigte einige „Kursraketen“ an, die er später noch präsentieren werde. Zunächst jedoch erzählte er einige Börsenweisheiten: „Hören Sie nicht auf Tipps, nicht von Freunden und auch nicht im Fernsehen.“ Obwohl Frick ja genau dies tat, Tipps geben: in Seminaren, auf seiner Hotline, im Fernsehen. Aber er meinte wohl: Hören Sie nicht auf Tipps, es sei denn, sie stammen von mir.
Die Leute kamen ohnehin in erster Linie um von ihm unterhalten zu werden. Dafür zahlten sie 86 Euro Eintritt. Zweifelslos kam Frick dieser Erwartung nach. Seine Körpersprache verhieß Dynamik; Mimik und Gestik verrieten den videogeschulten Verkäufer, routiniert beherrschte er das Einmaleins der Rhetorik. Fricks Sprechweise war rhymthmisch und suggestiv. Viele seiner Sätze wiederholte er wie ein Mantra, vor Publikum genauso wie im persönlichen Interview. Seine kurzen, formelhaften Wortfolgen schienen auswendig gelernt, übergegangen in Fleisch und Blut. Nachdenken musste Frick nie. Man fühlte sich unweigerlich an einen Sektenprediger erinnert.
Eine viertel Million Menschen hatten seine Seminare bundesweit besucht und sich seiner Gehirnwäsche unterzogen, tausend allein in Wien. Wahrscheinlich kamen auch deshalb so viele, weil Frick wie kein zweiter das Märchen verkörperte vom Malocher zum Millionär, noch dazu im jugendlichen Alter.
Die meisten der Anlageexperten, denen das Börsenpublikum sonst begegnete, in Vorträgen oder am Zuschauertelefon auf ntv, waren im vorgerückten Alter. Die Hellers, Thiemes, Erhards und Berneckers dieser Welt hatten alle studiert, kamen aus der Hochfinanz der Banken und Vermögensverwaltungen und gaben sich gegenüber ihren Zuhörern eher zurückhaltend, gerade mit konkreten Anlageempfehlungen. Markus Frick dagegen kannte keine Berührungsängste, sprach die Sprache des kleinen Volkes und protzte mit seinen Erfolgen.
Auf seiner Homepage fragte Frick „Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, warum manche Leute an der Börse gewinnen und andere verlieren?“. Für 69,- Euro pro Person war man dann dabei, „wenn bei einem Dinner zu später Stunde das eine oder andere Geheimnis verraten wird.“
Waren sie nicht herrlich, die Klischees, die Frick so treffsicher bediente? Zwar waren 69,- Euro pro Person nicht die Welt, aber warum sollte man Herrn Fricks Feinschmeckergelüste finanzieren?
Natürlich zockte Frick seine Fans auch richtig ab. Für 200,- Euro konnte man Mitglied werden im Markus-Frick-Club. Er prieß eine spezielle Börsen-Software an, mit der man „Kursraketen erkennen kann“. Der Preis war für künftige Millionäre geschenkt, knapp 500,- Euro. Mit seiner Email-Hotline versprach er „satte Gewinne“. Die gab es garantiert, aber für Markus Frick, denn der kassierte für diesen „Service“ fast 900,- Euro im Jahr. Fast genauso viel kostete seine Video-Hotline und sein Börsenbrief. Frick wusste alle Medien zu nutzen und hatte für die ganz Eiligen auch noch eine „SMS-Hotline“ eingerichtet.
Konnten man mit den ganzen Tipps von Markus Frick Geld verdienen? Mit den Büchern? Den Seminaren? Den Diners? Der Club-Mitgliedschaft? Den Newslettern? Den Börsen-DVDs? Der Email-, Video- und SMS-Hotline? Diesem ganzen Börsen-Merchandising aus dem Hause Frick. War das möglich?
Im Sommer 2007 wurde Frick vorgeworfen, seinen „Investoren“ einen Verlust in dreistelliger Millionenhöhe verursacht zu haben. Er habe „im Rahmen seiner E-Mail-Hotline“ Anleger getäuscht. Frick empfahl einzelne, marktenge Papiere, die nach kurzem Höhenflug wieder einbrachen. Seine Hotline-Abonnenten hatten gekauft, auch viele Fernsehzuschauer von N24, wo „Deutschlands Stimme des Geldes“ sogar eine eigene Fernsehshow hatte: „Make Money – Die Markus Frick Show“.
Im Internet liefen Anleger Sturm, weil sie sich von „Vermögensberater“ Frick getäuscht sahen. Von „betrügerischen Empfehlungen“ war die Rede und von „Luftschlössern“. Auf dem Klageweg wollten einige seiner ehemaligen Anhänger gegen den Laienprediger vorgehen, die Berliner und die Leipziger Staatsanwaltschaft ermittelten.
Drei Rohstoffaktien, die Frick empfohlen hatte, waren abgestürzt. Und das, obwohl Frick noch im Mai 2007 zur „ersten deutschen Rohstoffkonferenz“ nach Frankfurt gerufen hatte und seinen Teilnehmerm vorher anbot, den Vorstandsvorsitzenden einer Goldminengesellschaft „persönlich nach interessanten Informationen zu fragen“. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht durfte prüfen, ob eine Marktmanipulation vorlag?
Fast genauso lief es mit der russischen Ölaktie Russoil, die Frick empfahl, indem er Übernahme- und Sibirienphantasie ins Spiel brachte. Angeblich war Frick zuvor extra nach Moskau gereist, um „Aktien aufzuspüren“ und hatte „sehr interessante und erfolgreiche Gespräche“ geführt mit den Vorständen verschiedener Unternehmen. Russoil, die laut US-Börsenaufsicht kaum über liquide Mittel verfügte, wurde nach Fricks „Kursmarketing“ mit 120 Millionen Euro bewertet.
Unter der Überschrift „Luftige Tipps vom Bäckermeister“ schilderte Die Süddeutsche, was „fast immer passiert, wenn Frick eine Aktie empfahl.“ Der Kurs steigt kurzeitig an und bricht dann ein. Zum Schluss notiert er unter dem Ausgangsniveau.
Das von Frick inszenierte Spiel nennt man in der amerikanischen Börsensprache „Scalping“ und ist natürlich strafbar. Es bedeutet, dass ein „Anlageberater“ Aktien zum Kauf empfiehlt, die er genau deswegen zuvor auf eigene Rechnung erworben hat. Aufgrund seiner häufigen Präsenz in den Medien folgte die Herde der unerfahrenen Kleinanleger seiner Empfehlung und schaffen durch ihre Käufe erst jenen Kursanstieg, den der „Guru“ angekündigt hat. Eine klassische Sich-selbst-erfüllende-Prophezeihung.
Viele „Börsengurus“ des Neuen Marktes und Börsen-Hotline-Betreiber manipulierten Aktien auf diese Art. Natürlich funktionierte dies nicht bei marktschweren Papieren wie Siemens oder Deutsche Bank. Wohl aber bei marktengen Werten oder Aktien mit extrem niedriger Notierung (Pennystocks) und geringem Handelsvolumen oder hochspekulativen Auslandsaktien (Hotstocks). Viele dieser Aktien trugen einen klangvollen Namen, um ihren schäbigen Inhalt zu übertünschen (Stargold Mines, Star Energy).
Die Methode war nicht neu und wurde schon vor hundert Jahren praktiziert.
Seine Aktienkurse und damit seine Erfolge hatte sich der badische Bäckermeister also zum größten Teil selbst gebacken.