Yaa Gyasi: Heimkehren

  • Yaa Gyasi: Heimkehren
    DuMont Buchverlag 2017. 416 Seiten
    ISBN-10: 3832198385
    ISBN-13: 978-3832198381. 22€
    Originaltitel: Homegoing
    Übersetzerin: Annette Grube


    Verlagstext
    Obwohl Effia und Esi Schwestern sind, lernen sie sich nie kennen, denn ihre Lebenswege verlaufen von Anfang an getrennt. Im Ghana des 18. Jahrhunderts heiratet Effia einen Engländer, der im Sklavenhandel zu Reichtum und Macht gelangt. Esi dagegen wird als Sklavin nach Amerika verkauft. Während Effias Nachkommen über Jahrhunderte Opfer oder Profiteure des Sklavenhandels werden, kämpfen Esis Kinder und Kindeskinder ums Überleben: auf den Plantagen der Südstaaten, während des Amerikanischen Bürgerkrieges, der Großen Migration, in den Kohleminen Alabamas und dann, im 20. Jahrhundert, in den Jazzclubs und Drogenhäusern Harlems. Hat die vorerst letzte Generation schließlich die Chance, einen Platz in der Gesellschaft zu finden, den sie Heimat nennen kann und wo man nicht als Menschen zweiter Klasse angesehen wird?
    Mit einer enormen erzählerischen Kraft zeichnet Yaa Gyasi die Wege der Frauen und ihrer Nachkommen über Generationen bis in die Gegenwart hinein. ›Heimkehren‹ ist ein bewegendes Stück Literatur von beeindruckender politischer Aktualität.


    Die Autorin
    Yaa Gyasi, 1989 in Ghana geboren, ist in den USA aufgewachsen. Sie hat Englische Literatur an der Stanford University studiert und einen Abschluss des Iowa Writers Workshop. Für ihr Debüt ›Heimkehren‹ erhielt sie u. a. von der National Book Foundation die Auszeichnung ›5 under 30‹. Die Autorin lebt in den USA.



    Inhalt
    Die Lebenswege der Schwestern Effia und Esi und ihrer Nachkommen werden durch die Nationalität und Hautfarbe ihrer Väter bestimmt. Effia heiratet im 18. Jahrhundert den weißen Offizier James Collins, der in der Festung Dienst tut, in der ihre Halbschwester Esi vor dem Transport zur Sklavenarbeit in Amerika gefangen gehalten wird. In Form eines Familienromans, der sich über acht Generationen bis in die Gegenwart erstreckt, beschreibt Yaa Gyasi den historischen Hintergrund der Sklaverei. Ohne Schwarze, die andere Stämme überfallen, um ihre Gefangenen in die Sklaverei zu verkaufen, und ohne Großbritannien und die Niederlande, die die Stammeskriege unterstützten und davon profitierten, wäre die Sklaverei in den amerikanischen Südstaaten und in der Karibik nicht so lange möglich gewesen.


    In chronologischer Reihenfolge, abwechselnd in Ghana und in Amerika spielend, wird in jeweils einem Kapitel von den zwölf Nachkommen der Schwestern erzählt. Man erfährt von den Clanstrukturen, in denen Häuptlinge möglichst viele Frauen heirateten, um viele Nachkommen zu haben und von strategisch geplanten Eheschließungen. In Amerika lässt sich das Schicksal von Esis Enkel Kojo und seinen sieben Kindern verfolgen. Das Ende des Amerikanischen Bürgerkrieges bedeutet längst nicht das Ende der Sklaverei; Kojo ist zwar ein befreiter Sklave, arbeitet im Kohlebergbau jedoch unter Arbeitsbedingungen, die der Sklaverei nicht nachstehen. Auf beiden Kontinenten lässt sich verfolgen, wie Aberglaube, mangelnde Bildung und Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe eine Form von Sklaverei sein können. Der ghanaische und der amerikanische Familienzweig werden schließlich wieder miteinander verbunden als Effias Nachkomme Yaw in der Gegenwart in die USA auswandert und seine Tochter Marjorie sich mit ihrer Identität auseinandersetzen muss. Marjorie findet beim Besuch in Ghana Zugang zur Geschichte ihrer Vorfahren, muss sich jedoch auch damit auseinandersetzen, dass ihr britisches Englisch sie unter Afroamerikanern als „Weiße“ brandmarkt.


    Auch ohne den Stammbaum am Ende des Romans lässt sich den Einzelschicksalen problemlos folgen. Zusammengehalten werden die Ereignisse durch die Festung, in der sich die Wege der Schwestern hätten kreuzen können und durch einen golddurchzogenen Schmuckstein, der in der ghanaischen Linie weiter vererbt wird. Wenige im Text eingeschobene Jahreszahlen ermöglichen eine zeitliche Orientierung.


    Fazit
    Anhand von Einzelschicksalen vermittelt Yaa Gyasi in einem mitreißenden Familienroman einen entscheidenden Abschnitt ghanaischer Geschichte, der anregt, sich weiter mit den Aschanti/Asante und den Fante zu beschäftigen. Parallel zu Colin Whiteheads Underground Railroad erschienen, liefert Gyasis Roman die fehlende ghanaische Hälfte, die aus beiden Romanen zum Thema Sklaverei erst ein Ganzes macht. Wer nicht beide Romane lesen will, sollte mit "Heimkehren" zum leichter zugänglichen Roman greifen.


    10 von 10 Punkten

  • Zitat

    Original von Buchdoktor
    Parallel zu Colin Whiteheads Underground Railroad erschienen, liefert Gyasis Roman die fehlende ghanaische Hälfte, die aus beiden Romanen zum Thema Sklaverei erst ein Ganzes macht. Wer nicht beide Romane lesen will, sollte mit "Heimkehren" zum leichter zugänglichen Roman greifen.


    Danke für den Hinweis. Da ich beide Romane lesen möchte, werde ich mit Heimkehren anfangen.

  • In Yaa Gyasis literarischem Debüt „Heimkehren“ begleitet der Leser Abkömmlinge zweier afrikanischer Stämme – der Fante und des Asante. Beginnend im 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart werden die Geschichten von 14 verschiedenen Personen erzählt, die das Schicksal anfangs aus Afrika treibt, die aber mit ihrem Land weiterhin verbunden bleiben – auf verschiedenste Weise. Die Erzähler wechseln von Generation zu Generation und erzeugen so ein eindrucksvolles Wirkungsgeflecht. Dieses Buch ist eines der ergreifendsten fiktionalen Bücher, die reale (nicht fantastische) Geschichten erzählen, das ich je gelesen habe.


    Die Sprache der Autorin ist mächtig und wirkungsvoll. Sie stellt die Sichtweise der einzelnen Charaktere sehr gut dar und schafft es, das Grauen, das Sklaverei und Menschenhandel mit sich bringen, in Worte zu fassen. Die Traditionen, Sagen und Mythen der einzelnen Stämme sind unglaublich faszinierend und die Grausamkeit der Weißen abstoßend. Der Kampf um Freiheit und das Überleben, aber auch die Aufopferungsbereitschaft der Frauen für ihre Kinder wird in den Charakteren herausgehoben.


    Jeder Charakter hat jedoch seine eigenen Ideale, Vorstellungen und Probleme und eine individuelle Geschichte, die zwar durch die vorhergehenden Generationen beeinflusst ist, aber nicht ausdrücklich durch sie bestimmt. Anfangs war es etwas schwierig, sich an alle Verwandten der einzelnen Personen zu erinnern, gerade, wenn größere Zeitsprünge vorkommen und weil die Namen sich etwas ähneln. Ich habe mir damit beholfen, eine Art Mini-Stammbaum zu zeichnen, während ich die Kapitel gelesen habe. So hat sich für mich die Handlung gleich verstrickter dargestellt und ich kann weiterhin mit jedem Namen des Stammbaumes eine Geschichte verbinden, was für mich davon zeugt, wie genial das Buch geschrieben ist.


    Das Thema selbst könnte nicht aktueller sein. Auch heute noch nehmen viele Menschen traditionsreiche Stämme nicht für voll oder meinen, ihnen unsere industrialisierte Welt aufdrängen zu müssen. Obwohl die Rassentrennung gesetzlich abgeschafft ist, scheint sie in vielen Köpfen leider immer noch vorzukommen.
    Ich kann jedem nur eine absolute Leseempfehlung für dieses Buch aussprechen! Lesen Sie es, lassen Sie sich berühren und abschrecken und dann das Gesamtwerk auf sich wirken!
    Von mir gibt es 10 von 10 Eulenpunkten!

  • Zitat

    Original von Buchdoktor
    Da ich von dem Buch schwer begeistert bin, habe ich vorsichtshalber mal einen Wanderbuchthread für mein Exemplar angelegt ...
    :wave


    Obwohl ich noch am Anfang des Buches bin, kann ich Interessierten nur empfehlen, dass Angebot wahrzunehmen.

  • „Während sie sang, sah sie die Noten aus ihrem Mund schweben wie kleine Schmetterlinge, die ein wenig von der Traurigkeit mitnahmen, und sie wusste, dass sie überleben würde.“ (S. 180)


    Zusammenfassung. Über mehrere Generationen bereitet sich hier die Geschichte einer ursprünglich afrikanischen Familie und irgendwie auch ganzer afrikanischer Stämme aus, die voll von Grausamkeit und Schrecken wie auch Schönheit ist. Dabei wird ein beeindruckender Weg vom Ghana des 18. Jahrhunderts bis in die heutige Zeit genommen, der zeigt, wie unfassbar wenig selbstverständlich lange vieles war.


    Erster Satz. In der Nacht, als Effia Otcher in der nach Moschus riechenden Hitze von Fante-Land geboren wurde, wütete ein Feuer durch den Wald direkt vor dem Compound ihres Vaters.


    Inhalt. Die Geschichte, die wir hier erleben, ist an vielen Stellen so grausam, wie vielleicht nur solche Geschichten sind, die mindestens teilweise der Wahrheit entsprechen. Es schnürte mir zwischendurch die Kehle zu – eine Empfindung, die sich mit dem Unglaube abwechselte, dass es tatsächlich Menschen gab/gibt, die genau so dachten/denken.
    Es gab Momente, in denen ich die geschilderten Episoden (sowohl die in Amerika als auch die in Afrika) kaum weiter zu lesen vermochte, weil ich nicht darüber nachdenken wollte, dass solche Sachen tatsächlich Menschen passiert sind. Das macht das Buch zu einem schwierig zu lesenden, doch zugleich noch viel wichtigeren Werk.


    Personen. Neben all dem Schlimmen, das den Figuren in Yaa Gyasis Roman so scheinbar selbstverständlich zustößt, machten es leider auch die Figuren selbst mir etwas schwer, Spaß beim Lesen zu haben: Denn um beinahe die gesamte Geschichte eines Landes seit dem Zusammentreffen mit westlichen Kolonialisten abzubilden, ist „Heimkehren“ in Kapitel gegliedert, von denen jedes ein Familienmitglied/einen Nachfahren der Frau begleitet, von der alles ausging. Das sorgt aber für eine Fülle von Charakteren, die jeweils in einem Kapitel wichtig sind, und in den weiteren (wenn überhaupt) untergeordnete Rollen spielen, was mir die Identifikation wahnsinnig schwer gemacht hat. Natürlich fühlt man trotzdem mit, aber das könnte deutlich mehr sein, wenn man auch eine Bindung zu den einzelnen Figuren hätte.


    Fazit. Dieses Buch ist vor heutigen Hintergründen so ungeheuer wichtig, dass es von vielen Menschen gelesen werden sollte. Im Anhang des Romans findet sich ein Artikel der Autorin mit dem Titel „Warum die nächsten vier Jahre eine Prüfung für uns alle sein werden“, der am 20. Januar 2017 im Guardian erschien und der auf sehr lesenswerte Weise eine Verknüpfung herstellt zwischen dem gerade gelesenen (fiktionalen) Roman und der Lebensrealität, in der wir uns derzeit aufhalten.
    Alles in allem glaube ich, dass dieses Buch uns sensibilisieren kann und sollte, uns erinnern kann und deswegen trotz möglicher Schwachstellen gelesen werden sollte.

  • Yaa Gyasi hat mit ihrem Debütroman „Heimkehren“ einen
    einzigartigen, einmaligen, packenden, grandiosen Generationsroman geschrieben. Die Autorin lässt ihn in ihrem Geburtsland Ghana beginnen.
    Der Roman befasst sich mit den Spuren der Sklaverei. Der Status Schwarze und Weiße ist ein Problem bis in die heutige Zeit.
    Der Handel der Sklaven boomte, aber wie die Ware, wie sie genannt wurden, so unwürdig und grausam behandelt wurde, ist unvorstellbar.
    Die Engländer kauften sich auus den Dörfern Frauen, die sie angeblich heiraten, obwohl die Männer zu Hause Frauen hatten. Was für eine Moral, aber Tatsache.
    Dieser Roman fängt im 18. Jahrhundert mit Effia und Esi, Schwestern, die sich aber nicht kannten, an und endet am Ende des 20. Jahrhunderts.


    Effia heiratet den englischen Sklavenhändler James, Esi wird als Sklavin verkauft.
    Die Ahnentafel ist hilfreich beim Lesen, denn jedes Kapitel beschreibt eine neue Person, abwechselnd von Nachkommen von beiden Seiten und hat die Namen als Überschrift.
    Das Schicksal und die vielen verschiedenen Charakteren sind erschütternd.
    Besonders, weil so die Realität ist.


    Yaa Gyasi hat diesen wichtigen Roman ehrlich und direkt geschrieben.
    Besonders interessiert hat mich auch das Interview mit der Autorin, so lernt man sie und ihren Roman noch mehr zu schätzen.
    Mich hat der Roman vom Anfang bis zum Ende gefangen genommen.
    Er ist ein Stück Kulturgeschichte
    Heimkehren ist für mich das Jahreshighlight.

  • Ich durfte das Buch als Wanderbuch lesen und bin schwer beeindruckt, es ist ein sehr berührendes Buch, sehr ergreifend, wie man diesen zwei Familienzweigen durch die Jahrhunderte folgt.


    Ich mag Generationenromane sowieso, hier sind es gleich 7, die sich vom 17. Jahrhundert bis in die heutige Zeit ziehen. Jede Generation erlaubt einen kurzen Einblick zurück, so das man immer weiß, was mit der Muttergeneration passiert ist. Gleichzeitig gibt jede einen kurzen Abriss, was sie fühlen und denken und wohin sie sich entwickeln wollen.


    Das alles fand ich sehr gut gelungen, viele Stellen habe ich doppelt gelesen, weil sie so ergreifend waren, so ungerecht, so fies, so süß, so bewegend. Wahnsinn! Ich war so neugierig auf das Buch, hatte aber keine großen Erwartungen, aber momentan kann ich das Buch guten Gewissens als Jahreshighlight bezeichnen, sehr schöner Roman, unbedingte Leseempfehlung und 10 von 10 Punkten.

  • Auch von mir erhielt dieses Buch soeben 10 von 10 möglichen Eulenpunkten und ich spreche ebenfalls eine uneingeschränkte Leseempfehlung aus!
    Erneut vielen Dank, dass ich dieses Buch als Wanderbuch lesen durfte :anbet
    Im Gegensatz zu beispielsweise Millenium 5, für das ich knapp 2 Tage benötigte. kam ich mit Yaa Gyasis "Heimkehren" nur sehr langsam voran. Die ständig wechselnden Protagonisten, durch die Erzählweise, in jeder Generation jeweils eine Person aus den beiden Familienzweigen während besonders wichtiger Lebensphasen zu zeigen, unterstützte mein Bedürfnis, das nicht leicht zu verarbeitende Gelesene sacken zu lassen.
    Natürlich war dies nicht das erste Buch, das ich zu dieser Thematik las, aber es war trotzdem schwer, im Hinterkopf zu haben, dass es so oder so ähnlich tatsächlich unzähligen Menschen ergangen ist und viele Dinge auch heute noch nicht korrekt ablaufen, wenn jemand die falsche Hautfarbe besitzt. Trotz eines dunkelhäutigen US-Präsidenten zeigt man in den Nachrichten immer noch und immer wieder Filmaufnahmen, in denen Farbige von weißen Polizisten brutal misshandelt oder gar erschossen werden.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zunächst möchte ich Buchdoktor noch einmal herzlich dafür danken, dass ich das Buch als Wanderbuch lesen durfte. :anbet


    Wie schon im Wanderbuch-Thread beschrieben, erging es mir so wie maikaefer: Die Geschehnisse in diesem Buch sind so eindringlich, so dicht und erschütternd, dass ich das Buch nur sehr langsam und in kleinen Portionen lesen konnte. Habe mich von einer Generation zur nächsten vorangearbeitet, alles in Ruhe auf mich wirken lassen und zwischendurch mehrere andere Bücher gelesen. Anders wäre es nicht gegangen.


    Zu den ersten beiden Kapiteln hatte ich meine Gedanken etwas ausführlicher aufgeschrieben; wer das Buch noch selbst lesen möchte, sollte den gespoilerten Abschnitt vielleicht besser verdeckt lassen.



    Ich hatte zunächst nicht verstanden, warum Yaa Gyasi am Anfang ihres Romans so viele innerfamiliäre Konflikte aufwirft und die Streitigkeiten zwischen den Asante und Fante so hervorhebt. Im Licht der letzten Kapitel betrachtet, ergibt es jedoch Sinn und schließt das Geschehen des Romans wieder zu einem Kreis: Gewalt und Unrecht in der Gesellschaft sind zuerst in den Familien sichtbar. Natürlich bedingt sich das gegenseitig; eine instabile Gesellschaft schafft nicht gerade die besten Voraussetzungen für das Wachstum stabiler familiärer Beziehungen.


    Und das hat mir Yaa Gyasis Geschichten-Roman mehr als jede andere meiner Lektüren zu diesem Thema vor Augen geführt: Wie sehr die Sklaverei und die damit verbundenen Lebensumstände die betroffenen Menschen entwurzelt und daran gehindert haben, sich selbst und ihre Angehörigen in eine stabile Familiengeschichte einzubetten. Viele waren immer wieder neu auf sich allein gestellt. Manche hatten das Glück, dass Angehörige da waren. Die Erzählweise, immer nur eine oder ein paar wichtige Schnittstellen im Leben der jeweiligen Hauptfigur aus dem Gesamtgeschehen herauszureißen, passt perfekt zu den Realitäten, mit denen diese Menschen umgehen mussten, nämlich selbst jeden Moment damit rechnen und klarkommen zu müssen, willkürlich aus allem herausgerissen zu werden. So, wie es mir allein beim Lesen schon Mühe gemacht hat, den einzelnen Generationen zu folgen und mich dabei noch an die Bruchstücke der letzten Generation zu erinnern, weil deren Leben nur so ausschnitthaft dargestellt wurde und man kaum genug Zeit hatte, mit ihnen warmzuwerden, so standen auch diesen im Roman dargestellten Menschen oft nur Bruchstücke (wenn überhaupt) an Familiengeschichte zur Verfügung, viele mussten mehrmals in ihrem Leben von vorn beginnen, allzu oft nicht auf selbstbestimmte Weise.


    Am Anfang der Lektüre hatte mir schmerzlich das Licht am Horizont gefehlt; in den letzten Kapiteln versteht es die Autorin, verloren geglaubte Stränge wieder zusammenzuführen, mehrere Kreise auf gelungene und z.T. überraschende Weise zu schließen und Figuren mit sich selbst und ihrer Herkunft zu versöhnen, auch wenn sich vieles davon den ProtagonistInnen selbst in Träumen und mystischen Ahnungen offenbart. Als LeserIn weiß man diese Dinge genauer zu deuten, und so konnte ich das Buch am Ende zufrieden aus der Hand legen und nicht mit den destruktiven Gefühlen, die sich am Anfang noch oft bei mir eingestellt hatten.


    Ich vergebe ebenfalls 10 Punkte, werde gern mehr von der Autorin lesen :anbet :anbet :anbet (falls sie etwas nachlegt) und dieses Buch ganz weit oben auf meine Liste zu verschenkender Bücher setzen.

  • Der Familienroman beginnt im 18. Jahrhundert in Ghana. Die beiden Schwestern Effia und Esi lernen sich nie kennen, aber als Leser dürfen wir sie und ihre Nachkommen begleiten. In relativ kurzen Kapiteln wird zwischen den beiden Familienstämmen abwechselnd von der nachfolgenden Generation erzählt.

    Effia heiratet James Collins, einen Sklavenhändler und Esi wird zur Sklavin und als Leser begleitet man sie nach Alabama auf die Baumwollfelder. Einen Satz in diesem Zusammenhang habe ich mir extra notiert. Maame sagt zu Esi: „Willst du wissen was Schwäche ist? Schwäche ist es, jemanden so zu behandeln, als würde er einem gehören. Stärke ist zu wissen, daß jeder nur sich selbst gehört.“


    Ansonsten haben meine Vorposter den Inhalt schon ausführlich beschrieben.

    Ich habe den Debütroman der Autorin als Highlight empfunden. Sie hat einen überwältigenden Schreibstil, in welchem sie diese höchst bewegende, berührende, aber auch brutale Geschichte erzählt. Vor allem auch unter dem Gesichtspunkt wie aktuell das Thema ist. Vor einigen Tagen wurde im Fernsehen über Sklavenhändler in Libyen berichtet, die heute noch Menschen wie Tiere für wenig Geld verschachern. Es ist ein Buch, das ich auch nur häppchenweise lesen konnte und mich lange nach Beendigung nicht loslässt.

    Vielen lieben Dank an Buchdoktor, die es auf die Reise geschickt hat.