Der Zar stellt sich mir immer wieder als recht widersprüchliche Person dar, von jähzornig mal abgesehen. Einerseits ist er sehr modern und will sein Land in die Moderne führen, andererseits zögert er nicht, althergebrachte Traditionen zu behalten, wo sie ihm in den Kram passen, vgl. S. 279 wo zu lesen ist, daß er bei seinen eigenen Landsleuten sehr wohl immer noch Stock oder Knute anwendet. Aber vermutlich passen bei so einem Mann, der eine solcherart abgehobene Stellung hat, eh keine normalen Maßstäbe. Denn wer sollte sich ihm entgegenstellen und ihr gar kritisieren? Kostja tut es ab und an, aber sonst?
Dann kommt die große Flut. Ist die eigentlich historisch oder kam die aus „dramaturgischen Gründen“ nur im Buch? Daß Helena bei Erik ist und nicht bei einer Schneiderin, hatte ich schon vermutet. Nicht gerechnet habe ich damit, daß Paula wegrennt und dermaßen in Gefahr gerät. Ausgerechnet Erik ist es, der sie dann rettet, und für seine Taten während der Flut später vom Zaren eine passende Belohnung, nämlich die Freiheit, erhält. Am Ende des Abschnitts reist er dann zurück nach Schweden, um dort seine Verhältnisse zu regeln und wieder zu Helena zurückzukommen. Mir geht es da ähnlich wie Helena: ich bin mir nicht sicher, ob er wieder kommen wird. Vor allem, wenn er erzählt, wie Siris Bruder ums Leben gekommen ist: wird man ihn da nicht verurteilen und möglicherweise sogar hinrichten? An eine solche Möglichkeit denkt er überhaupt nicht.
Die Gräfin spielt ein riskantes Spiel, indem sie ihre Tochter dem Zaren als „Spielzeug“ in die Arme treibt. Ihr Mann scheint zu ahnen, was läuft, aber er traut sich nicht, den Mund aufzumachen. Ob Arina sich von diesem Erlebnis je erholen wird? Und wie reagiert die Gräfin darauf? Vermutlich wird sie noch böser.
Willem entfernt sich immer mehr von Paula, ob aus den beiden irgendwann noch etwas wird, steht auch in den Sternen. Die Flut hat anscheinend auch ihre Beziehung mit sich fort gerissen.
Chiara kommt also hochschwanger nach St. Petersburg. Und Matteo reagiert, wie es von ihm zu erwarten ist. Ob Chiara irgendwann kapieren bzw. akzeptieren wird, was für ein Windhund der ist? Camillo erkennt sehr richtig, daß Francesco in sie verliebt ist, nur sie selbst sieht das (natürlich?) nicht. Ich schätze, entweder bleibt die den Rest des Lebens alleine (denn mit einem ledigen Kind hatte sie zu der Zeit vermutlich wenig Chancen) oder sie tut sich irgendwann doch noch mit Francesco zusammen.
Der wiederum vergräbt sich und hat nicht die leiseste Ahnung, daß Matteo seine Zeichnungen als die seinen ausgibt. Das kann auf Dauer doch auch nicht gut gehen?! Kostja weiß ja wieder mal, was läuft, und steckt es dem Zaren. Doch der will es noch nicht hören. Wenn das mal nicht irgendwann zu einem bösen Erwachen führt.
Zoja hat sich inzwischen selbst weitgehend aufgegeben. Sollte sie aus dieser Lethargie erwachen, möchte ich allerdings nicht in ihrer Nähe sein. Das könnte ein furchtbarer Ausbruch werden.
ZitatOriginal von Schwarzes Schaf
Insgesamt liest sich der Roman nach wie vor sehr gut, aber das Gefühl, dass er zu kurz ist, verstärkt sich. Viele Szenen lesen sich eher wie einzelne Episoden, die aneinandergereiht wurden. Das fällt vor allem immer wieder bei den Leibeigenen rund um Zoja sowie bei den Italienern auf. Das ist mir zu zerstückelt, zu kurz, und stört mich inzwischen eher.
Teilweise Teilweise, weil ich es nicht als störend in dem Sinne empfinde, aber für die dargestellten Ereignisse und die verflossene Zeit ist das Buch um mindestens 200 Seiten zu kurz, eher gehört eine solche Geschichte in einen Tausendseiten-Wälzer. Ich habe ein paar Mal beim Kapitelwechsel gestutzt und erst mal geguckt, wie groß der Zeitsprung war. Es ergibt sich in der Tat, je weiter das Buch fort schreitet, der Eindruck eines „Episodenfilms“.