Verlag: KIWI, 2017
400 Seiten
Titel der Originalausgabe: Vernon Subutex
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz
Kurzbeschreibung:
Wer ist Vernon Subutex? Eine urbane Legende, der letzte Zeuge einer Welt von Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll. Einer, mit dem unsere Zeit es nicht gut meint und der trotzdem für eine ganze Generation steht – und für das glanzvolle, furiose Comeback seiner Erfinderin Virginie Despentes.
Als der Roman 2015 in Frankreich erschien, erregte er unmittelbar großes Aufsehen. Wochenlang führte er die Bestsellerlisten an, war für zahlreiche Preise nominiert, die Kritik überschlug sich. Erzählt wird die Geschichte von Vernon Subutex und seinem rasanten sozialen Abstieg. Mit seinem Plattenladen hat er Pleite gemacht und steht nun auf der Straße. Weil er sich und der Welt sein Scheitern nicht eingestehen will, nimmt er Zuflucht zu einer Notlüge, die es ihm ermöglicht, sich übergangsweise reihum bei seinen alten Freunden einzuquartieren, die er zum Teil seit Jahren nicht gesehen hat. So entsteht ein vielstimmiges Panorama einer Gesellschaft am Abgrund. Man begegnet den ganz normal Gescheiterten, den scheinbar Erfolgreichen, den Schrillen und den Durchgeknallten. Despentes erspart ihren Figuren nichts, lässt kein gesellschaftliches Thema unberührt, die Islamismusdebatte ebensowenig wie den Aufstieg der Rechten. So gelingt ihr ein beeindruckender literarischer Rundumschlag, ungestüm und trotzdem humorvoll, in dem jedes Wort sitzt, jeder Satz nachhallt. Ein großer Wurf, in Frankreich nicht umsonst mit Balzacs »Die menschliche Komödie« verglichen.
Über die Autorin:
Virginie Despentes, geboren 1969, wurde bereits mit ihrem Debütroman »Baise-moi – Fick mich« (2002), der in Frankreich auch verfilmt wurde, einem großen Publikum bekannt. Seither hat sie mehrere Romane veröffentlicht. Für »Apokalypse Baby« erhielt sie 2010 den renommierten Prix Renaudot, ihr Roman »Vernon Subutex« wurde u.a. mit dem Prix Anaïs Nin ausgezeichnet. Im Januar wurde sie in die Académie Goncourt gewählt.
Über die Übersetzerin:
Claudia Steinitz übersetzt seit 30 Jahren französischsprachige Literatur u.a. von Yannick Haenel, Véronique Olmi, Albertine Sarrazin und Lyonel Trouillot.
Mein Eindruck:
Ein Roman, bei dem sich die Kritiker (z.B. im Literarischen Quartett) überschlagen und der Verlag den Vergleich zu Balzac wagt. Angeblich ein Sittengemälde unserer Zeit.
Allen gefällt es und stilistisch ist es durch den punkigen Sound auch tatsächlich auffällig. Aber mich begeisterte das Buch nicht. Das liegt an einer problematischen Kombination. Erstens an den Figuren, viele rotzfrech gestaltet, aber keiner wirkt auch mich real.
Zweitens habe ich Probleme mit der Romanstruktur. Das ganze ist letztlich nur ein Konstrukt.
Diese Konstruktion ist für mich unergiebig und beliebig. Anstatt das man der Hauptfigur Vernon nahekommt, der den sozialen Abstieg durchmachen muss, ergeht sich die Handlung in die Köpfe zu vieler anderer Figuren. Das sind Xavier, Sylvie, Lydia, Pamela, Patrice, Sophie, Die Hyäne und Aicha, Marcia, Kiko etc. Vernon hingegen wird dem Leser lange Zeit kaum nähergebracht, dabei hat er eigentlich auch genug Raum. Erst gegen Ende änderte sich dieses Gefühl.
Es kommen also viele wechselnde Passagen mit den unterschiedlichen Figuren, die in der Summe ein Gesellschaftsportrait bilden. Das reicht dann von genial bis zu hingerotzt, wobei letzteres deutlich dominiert. Schade, ich hatte auch sprachlich mehr erwartet.
Dieses banale Aneinanderreihen von Figuren und Motiven könnte sich lange so fortsetzen und eine Fortsetzung ist für 2018 sogar angekündigt.
Für Leser, die sich an dem besonderen, provokativen Stil der Autorin ergötzen, ist das ein Fest. Ich hingegen steige schon hier aus der Reihe aus.
ASIN/ISBN: 3462048821 |