Beltz & Gelberg
Paperback 180 Seiten
ISBN:978-3-407-82298-7
Erschienen:10.07.2017
Ab 14 Jahre
Kurzbeschreibung (von der Verlagsseite)
Amokalarm. Eine maskierte Person dringt ins Klassenzimmer ein und diktiert mit geladener Pistole Aufgaben, die erbarmungslos die Geheimnisse aller an die Oberfläche zerren. Arroganz, Diebstähle, Mitläufertum, Lügen – hinter sorgsam gepflegten Fassaden tun sich persönliche Abgründe auf. Fiona ringt fassungslos mit ihrer Handlungsunfähigkeit, Mark verspürt Genugtuung und Herr Filler schwankt zwischen Aggression und Passivität. Als sie den Angreifer enttarnen, sind die Grenzen der Normalität so weit überschritten, dass es für niemanden mehr ein Zurück gibt.
Zur Autorin (von der Verlagsseite)
Lea-Lina Oppermann, geboren 1998 in Berlin, studiert Sprechkunst und Kommunikationspädagogik. Geschichten zu hören, zu lesen und zu erleben hat sie dazu gebracht, selbst mit dem Erzählen anzufangen. »Was wir dachten, was wir taten« ist ihr preisgekröntes Debüt.
Meine Meinung
Was wir dachten, was wir taten ist das beeindruckende Roman-Debut der erst neunzehnjährigen Lea-Lina Oppermann. Eine Geschichte, die durch Aktualität und einen erfrischend unverblümten Erzählstil besticht, cool und eloquent zugleich. Eine Geschichte, die mitreißt und berührt, aus der man sich auch nach dem Zuklappen des Buches nicht so schnell lösen kann. So spannend, dass ich am liebsten durch die Seiten geflogen wäre, und doch Wort für Wort und Satz für Satz lesen musste, denn auf den wenigen Seiten gibt es keine Längen.
„Es ist ein schwerwiegendes Sicherheitsproblem aufgetreten.
Bitte bewahren Sie Ruhe.
Begeben Sie sich sofort in einen geschlossenen Fachraum und warten Sie auf weitere Anweisungen“
Amokalarm an der Schule – der Albtraum schlechthin!
Eine Klasse voller Teenager und ihr Lehrer, eingesperrt mit einem bewaffneten Unbekannten, so ist die beklemmende Ausgangssituation für dieses kammerspielartige Drama, das nur wenige Stunden andauert – doch danach ist für alle Beteiligten nichts mehr wie es war.
Die junge Autorin lässt drei der unmittelbar Beteiligten berichten und diese schnellen Perspektivwechsel machen die Geschichte besonders greifbar und intensiv. Da wäre Mark, cool, lernfaul, desillusioniert, der sich selbst als Dummkopf mit zu großer Klappe bezeichnet, was er definitiv nicht ist, wie sich schon bald herausstellt. Außerdem Fiona, Klassenbeste und ein „verdammtes hyperbegabtes Genie“, um es mit Marks Worten zu sagen. Und Herr Filler, der Lehrer, auf ganzer Linie überfordert, dabei stets bemüht, sich das nicht anmerken zu lassen.
Das Ganze ist unglaublich spannend gemacht und entwickelt schnell einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Was will der Typ? Wer ist es? Und warum ausgerechnet diese Klasse? Schonungslos werden die offenen wie die verdeckten Strukturen und Verbindungen im Klassengefüge ans Licht gebracht – und deren Auflösung in einer solchen Ausnahmesituation. Angst! Keiner kann sich ihr entziehen, und jeder reagiert anders.
Relativ schnell wird klar, dass es sich nicht um einen klassischen Amokläufer handelt, der tötet, was gerade im Weg steht und anschließend sich selbst. Und ich hatte auch bald eine Ahnung, was dahinterstehen könnte. Aber das nimmt die Spannung keineswegs. Zum einen entpuppt sich der Weg als das Ziel, und zum anderen wird es dadurch stimmig. Denn eine überraschende Wendung am Ende hätte für mich die Glaubwürdigkeit geschmälert.
Fazit:
Ein ganz aktuelles Thema, mal einfühlsam und sensibel, aber zumeist bestürzend direkt erzählt, megaspannend, mit unglaublich authentischen Figuren. Ich könnte mir gut vorstellen, dass dieses Buch zur Schullektüre avanciert.
Volle Punktzahl
Zum Schnuppern in Sprache und Atmosphäre des Buches ein paar kurze Zitate:
„Ein paar Sekunden schien der Unbekannte uns einfach nur zu beobachten, als wären wir Versuchskaninchen in einem besonders spannenden Experiment. Ließ uns warten,
schwitzen,
schrumpfen. (Fiona)
„Sah ich richtig? War da wirklich noch Hoffnung in einigen Gesichtern? Ja, du meine Güte, wo nahmen die die denn bitte her?! Fabio, die Arme immer noch vor der Brust verschränkt! Tamara, die ergeben zu mir aufblinzelte, ein Schweinchen vor der Schlachtbank. Die kleine Greta, die mich über ihre Brille hinweg bittend anschaute. Sylvesters eindringlicher Blick: Sie werden das schon richten, Mann, oder? Sie lassen uns doch nicht im Stich.
Dieser verdammte, naive Haufen. Was erwarteten die bloß von mir. Ich war Lehrer, kein Mission-Impossible-Leiter!" (Herr Filler)
„Herr Filler rührte sich nicht, fast schien es, als würde er gleich einnicken. Innerhalb der letzten Minuten schien er um Jahre gealtert. Tattriger war er geworden, richtig mickrig. Wenn das so weiterging, war bald keine Hinrichtung mehr möglich.“ (Mark)