'Katzentisch' - Seiten 001 - 074

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    Original von Rosha
    Das stimmt, in der heutigen Zeit wäre so etwas nicht denkbar. Keiner würde Kinder ohne Aufsicht auf so eine lange Reise schicken. Allerdings ist es in unserer Zeit auch nicht üblich, dass Kinder nicht bei ihren leiblichen Eltern, sondern bei nahen Verwandten leben. Insofern wäre eine Zeitangabe im Buch schon wünschenswert, um das im historischen Kontext gleich verorten zu können. Der Autor scheint vorauszusetzen, dass jeder Bescheid wüsste, um welches sozialpolitisches Umfeld es hier geht. So gebildet bin ich leider nicht. Ich kann nur Vermutungen anstellen. Vom Eindruck her hätte ich eben auf 1930 getippt. Aber das nur grob geraten.


    Und das ist ein Fakt, den ich gerne an irgendeiner Stelle gelesen hätte. Zum Beispiel hätte es ein historisches Ereignis geben können, das gerade passiert, als Michael abfährt, aber auch dann hätte ich wieder recherchieren müssen (Geschichte ist nicht mein Fachgebiet). Eine Jahreszahl wäre mir lieber gewesen. :-(

  • So, ich bin mit dem Abschnitt durch :-]


    Katzentisch als Titel finde ich passend und ich freue mich, dieses wilde Sammelsurium von Personen, die dort zusammensitzen näher kennenzulernen. Das Cover des TB finde ich auch sehr treffend und es gefällt mir.


    Ich persönlich bevorzuge es auch zu wissen, in welcher Zeit eine Geschichte spielt. Hier konnte man lediglich im Text einmal sinngemäß entnehmen ..... das Schiff diente einmal als Transportmittel im 2. Weltkrieg. Ok, ich hätte es gerne vorher explizit gewußt, aber das ist Geschmackssache.


    Drei Jungs alleine auf großer Fahrt und ohne Betreuung, das erscheint mir auch aus heutiger Sicht unrealistisch. Die eine Tante, die ein Auge auf Michael haben sollte, wird ja quasi nur einmal kurz erwähnt, von aufpassen kann keinerlei Rede sein. Und ich bin ebenfalls neugierig, ob ihn seine Mutter in England erwartet und abholt. Ich hätte gerne mehr zur Vorgeschichte gewußt - weshalb ging die Mutter ohne ihren Sohn nach England?


    Ein solcher Garten auf dem Schiff erscheint wiederum auch unrealistisch. Die bisher vorgestellten Personen haben alle ihren eigenen unverwechselbaren Charakter und ich kann bisher nichts Negatives an ihnen ausmachen. Die Geschichte wird ruhig erzählt und ich bin aber gespannt, welche Streiche sich die Jungs einfallen lassen.

  • Zitat

    Original von Richie
    ...Und ich bin ebenfalls neugierig, ob ihn seine Mutter in England erwartet und abholt. Ich hätte gerne mehr zur Vorgeschichte gewußt - weshalb ging die Mutter ohne ihren Sohn nach England?


    Ich weiß nicht, vielleicht ist sie dort in Stellung gegangen? Vielleicht aber auch auf eine Schule, immerhin ist der Onkel (?) Richter. Allerdings bezweifle ich, dass jemand außer englischen Mädchen an die englischen Schulen durfte. Also vielleicht doch eher eine Anstellung? :gruebel


    Zitat

    Ein solcher Garten auf dem Schiff erscheint wiederum auch unrealistisch. ...


    Was für ein Garten denn? Ich stehe gerade auf dem Schlauch. :rolleyes
    Dass da ein paar Palmen stehen, ja, aber ein Garten. Habe ich da etwas überlesen?

  • Zitat

    Original von Rouge


    Einige Beschreibungen und Begebenheiten kommen mir schon recht phantastisch vor und ich frage mich, ob sie nicht der reinen Fantasie von Michael entsprungen sind. Zum Beispiel dieser Garten, der im Bauche des Schiffes angelegt worden ist und mit künstlichem Licht beleuchtet wird und in dem so viele wundersame Pflanzen wachsen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es sowas wirklich gegeben hat.



    genau das meinte ich auch

  • Dass wir nicht genau wissen, zu welcher Zeit das Buch spielt und auch so wenig über Michaels Familie bekannt ist, stört mich auch etwas


    Zitat

    Original von Clare


    Ich weiß nicht, vielleicht ist sie dort in Stellung gegangen? Vielleicht aber auch auf eine Schule, immerhin ist der Onkel (?) Richter. Allerdings bezweifle ich, dass jemand außer englischen Mädchen an die englischen Schulen durfte. Also vielleicht doch eher eine Anstellung? :gruebel


    ich habe mir das so zusammengereimt, dass Michaels Eltern Engländer sind und die Insel nach der Unabhängigkeit verlassen haben und den Sohn erst später, Anfang der 50er jahre würde ich sagen, nachholen. :gruebel


    Den Garten auf dem Schiff halte ich nicht für unrealistisch, wenn exotische Pflanzen für z.B. den Botanischen Garten in London eine so lange Überfahrt überleben sollten, musste man sich schon was einfallen lassen.


    Zitat

    Original von Rosha


    Vielen Dank Herr Palomar für die Hinweise und den Link zum Interview.
    Allerdings bin ich der Ansicht, dass ein Text selbsterklärend sein muss, ich als Leser, nicht erst Interviews oder die Autorenvita studieren muss, um ein Buch zu verstehen.


    :write geht mir genauso


    Bis auf die fehlenden Hintergrundinfos gefällt mir das Buch sehr gut, wirklich eine interessante Gruppe, die da am Katzentisch sitzt.

  • Zitat

    Original von Zwergin
    ...
    ich habe mir das so zusammengereimt, dass Michaels Eltern Engländer sind und die Insel nach der Unabhängigkeit verlassen haben und den Sohn erst später, Anfang der 50er jahre würde ich sagen, nachholen. :gruebel


    Mit der Zeitangabe hast du Recht. Das ist vielleicht kein schlimmer Spoiler :grin
    Diese Angabe kommt erst kurz vor Ende des 2. Abschnittes:


    "...der ich an Bord jenes Schiffes in den fünfziger Jahren gewesen war."

  • Ich habe jetzt auch endlich den ersten Abschnitt gelesen. Mir gefällt das Buch eigentlich ganz gut, aber es ist keins, was mich so fesselt, dass ich es nicht mehr zur Seite legen kann. Aber das macht ja nichts.


    Michaels Geschichte bzw. die einzelnen Anekdoten der Schiffsreise wirkt, so unaufgeregt sie auch erzählt ist, etwas unwirklich und auch an manchen Stellen übertrieben.
    Irgendwann in diesem Abschnitt nimmt er darauf Bezug, dass er auch seinen Kindern diese Zeit auf dem Schiff geschildert hat. Und genauso wirkt die Geschichte auch auf mich, als würde ein Erwachsener eine Zeit schildern, die in der Kindheit liegt und an die er sich nicht immer so ganz genau erinnern kann. Also schmückt er die Geschichte ein wenig aus, um sie für seine Zuhörer interessant und spannend zu machen. Der Garten im Bauch des Schiffes wird beispielsweise etwas exotischer, der Gefangene noch gruseliger, die Erwachsenen noch eigenartiger usw. Es wirkt alles ein bisschen verklärt.


    Ich bin froh, dass Ondaatje zwischendurch aus diesen Anekdoten ausbricht und über andere Dinge, Begebenheiten und Personen, die früher oder auch später gehandelt haben bzw. handeln, erzählt. Das macht für mich das Buch überhaupt lesenswert. Die auf diese Weise erzählte Schiffsreise allein, hätte mich vermutlich dazu gebracht, das Buch nicht zu Ende zu lesen. Für mich ist diese träumerische, teils fantastische Erinnerung an die Reise allein nicht interessant genug. Die Entwicklung Michaels oder auch der anderen Figuren wird erst in den anderen Geschichten deutlich.


    Dass das Buch sich von Anfang an nicht zeitlich eindeutig verordnen lässt, finde ich nicht so schlimm. Ich muss das nicht bereits zu Beginn einer Geschichte wissen. Mir reicht da erst einmal eine ganz grobe Richtung, so wie Zwergin. Meist ergibt sich ja bei solchen Büchern eine etwas genauere Zeitangabe im Laufe der Erzählung.

  • Zitat

    Original von Saiya
    ...
    Irgendwann in diesem Abschnitt nimmt er darauf Bezug, dass er auch seinen Kindern diese Zeit auf dem Schiff geschildert hat. Und genauso wirkt die Geschichte auch auf mich, als würde ein Erwachsener eine Zeit schildern, die in der Kindheit liegt und an die er sich nicht immer so ganz genau erinnern kann. Also schmückt er die Geschichte ein wenig aus, um sie für seine Zuhörer interessant und spannend zu machen. Der Garten im Bauch des Schiffes wird beispielsweise etwas exotischer, der Gefangene noch gruseliger, die Erwachsenen noch eigenartiger usw. Es wirkt alles ein bisschen verklärt.


    Du hast Recht. Es ist so, als erzähle er Kindern diese Geschichte oder er setzte sich selbst noch mal in diese Kindheit. Kindheitserinnerungen sind irgendwie immer ein bisschen verklärt, finde ich. Alles ist größer, bunter, spannender...


    Zitat

    Ich bin froh, dass Ondaatje zwischendurch aus diesen Anekdoten ausbricht und über andere Dinge, Begebenheiten und Personen, die früher oder auch später gehandelt haben bzw. handeln, erzählt. Das macht für mich das Buch überhaupt lesenswert. Die auf diese Weise erzählte Schiffsreise allein, hätte mich vermutlich dazu gebracht, das Buch nicht zu Ende zu lesen. Für mich ist diese träumerische, teils fantastische Erinnerung an die Reise allein nicht interessant genug. Die Entwicklung Michaels oder auch der anderen Figuren wird erst in den anderen Geschichten deutlich.


    Über weite Strecken geht es aber schon nur um die Reise und das Schiff. Interessant wird es für mich, wenn er eine Person des Katzentisches nimmt und sie und ihre Geschichte näher beleuchtet.

  • Zitat

    Original von Clare


    Über weite Strecken geht es aber schon nur um die Reise und das Schiff. Interessant wird es für mich, wenn er eine Person des Katzentisches nimmt und sie und ihre Geschichte näher beleuchtet.


    So habe ich das auch gemeint. Ohne dieses nähere Eingehen auf die Personen, wäre mir das Buch einfach zu langweilig.
    Danke für deine Antwort!

  • Ich habe heute endlich auch den ersten Abschnitt benden können, was nicht an dem Buch liegt, sondern daran, dass die Schule wieder begonnen hat. Die Zeit rennt nur so davon.


    Ich genieße die Lektüre sehr. Mir gefällt ganz besonder die Ansammlung der Personen, die alle am Katzentisch speisen dürfen. Allesamt schräge Typen. ich streune sehr gerne mit Michael durch das Schiff beobachte staunend diese Menschen. Ich finde, Ondaatje ist die Balance zwischen kindlichem Interesse und Faszination und erwachsener Bewertung gut gelungen.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Rosha
    Dass die Reise in Sri Lanka beginnt, kann man entweder dem Klappentext entnehmen oder der Ortsangabe Colombo gleich im Prolog. Da ich selten Klappentexte lese, bin ich froh um die Info im Text. Was ich allerdings noch nicht herausbekommen habe, ist die Zeit, zu der der Roman spielt. Es gibt Autos und Glühbirnen, also tippe ich mal auf das frühe 20. Jahrhundert. Allerdings hätte ich eine schlichte Jahreszahl im Text als komfortablen Service für den Leser nicht für übertrieben gehalten.


    Wie seht ihr das? Mögt ihr es, durch aufmerksames Nachverfolgen irgendwann auf so eine Info (zumindest ungefähr) zu kommen oder wollt ihr auch gerne ein Datum?


    edit: RS-Fehler ausgebessert


    Mich stört das bei diesem Buch gar nicht. Ich habe eigentlich gar nicht darüber nachgedacht, in welcher Zeit es spielen könnte, sondern mich von den vielen Geschichten gleich gefangen nehmen lassen. Da es eine "altmodische" Schiffsreise ist, also mit den heutigen Kreuzfahrten nichts zu tun hat, siedle ich die Handlung auch in den 50ger Jahren an. Aber es stört mein Lesevergnügen nicht.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

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    Original von Nadezhda
    ...
    Ungeheuerlich, ein Kind allein auf eine so weite und lange Reise zu schicken und es auch nicht darauf vorzubereiten. Seit ich selber Kinder habe, gehen mir solche Szenen nochmal mehr durch Mark und Bein. ...


    Das empfinde ich ganz anders. Michael reist seiner Mutter hinterher, die Aufsicht ist pro forma durch die Tante geregelt. Heute reisen die Kinder alleine mit dem Flugzeug von einem Elternteil zm anderen. Zum Glück kann sich Michael frei von gluckenden Erwachsenen auf dem Schiff bewegen, sonst würden wir ja gar nichts Interessantes lesen.
    Die spannende Welt im Schiffsbauch wäre bestimmt verborgen geblieben.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Clare
    ...
    Diese Reise wird ihn für sein Leben prägen. Auf welche Weise, werden wir noch erfahren....


    Das denke ich auch. Ich finde es toll, dass endlich mal in einem Buch die Schiffsreise selbst Gegenstand der Erzählung ist. Ich habe schon viele Bücher gelesen, in denen Schiffspassagen vorkommen. Aber immer nur, um europäische Menschen in exotische Länder zu verfrachten. Diesmal ist Michael auch zwischen zwei Kulturen unterwegs, aber der Weg wird geschildert. Das finde ich spannend.


    Zitat

    Original von Clare
    ...
    Ich habe ja beim Lesen irgendwie immer wieder die Sorge, dass seine Mutter ihn nicht erwarten könnte, ihn nicht abholt etc... :gruebel


    Das fürchte ich auch. Im Moment weiß ich noch zu wenig über die Mutter, um beurteilen zu können, was besser für den Jungen ist.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Ich habe mittlerweile den ersten Abschnitt auch fertig, bin aber nicht ganz so begeistert oder wenigstens zufrieden wie andere Eulen hier. Ich fand es bislang etwas langatmig und dadurch auch langweilig. Alles geschrieben im beschaulichen Reisetempo eines alten Schiffs. Und die paar eingestreuten Anekdoten, die nichts mit der Schiffsreise zu tun haben, fand ich sogar eher störend und ein wenig zu plötzlich und ohne große Einleitung eingeworfen.


    Die Frage mit der Handlungszeit ist für mich auch immer sehr wichtig und ich achte beim Lesen intensiv auf jeden Hinweis, um das Gelesene in den zeitlichen Kontext einordnen zu können. Darüber lässt sich dann auch die Frage gut beurteilen, ob es unverantwortlich von Eltern ist, die Kinder ohne Aufsicht auf so eine Reise zu schicken.


    Heute, wenn selbst im Abituralter die Kinder noch von Mutti mit dem SUV zu Schule kutschiert werden, ist dies natürlich ein sehr eigenartiges Verhalten. Kurz nach Kriegsende wurde aber von den Heranwachsen sehr viel früher eine Eigenständigkeit erwartet oder erfordert. Und in anderen Ländern mit weit weniger Wohlstand als bei uns in Deutschland ist dieser Zustand wohl weiterhin sehr aktuell.


    Ich werde jetzt wohl noch den zweiten Abschnitt lesen, überlege aber, ob ich zugunsten eines anderen LR-Buches erst einmal diesen kleinen Langweiler unterbreche. ;-)