Als Christ die AfD unterstützen? - Andreas Malessa

  • Es gibt keine Religion, die ohne Konsequenz für die Lebensführung bleibt. Insofern hat jede Religion auch eine politische Dimension. Sie betrifft nicht nur das private, sondern auch das öffentliche Leben. (Seite 27)


    110 Seiten, kartoniert
    Verlag: Brendow Verlag, Moers 2017
    ISBN-10: 3-86506-980-0
    ISBN-13: 978-3-86506-980-1



    Zum Inhalt (eigene Angabe)


    Die AfD scheint sich als Partei etabliert zu haben, auch wenn die Umfragen in letzter Zeit eher in absteigender Richtung deuten. Einerseits vernimmt man aus der Partei die Aussage, man könne nicht gleichzeitig Mitglieder AfD und einer christlichen Kirche sein, andererseits will sie das christliche Abendland schützen.
    Welche Werte vertritt diese Partei also, sind diese christlich und können Christen diese Partei unterstützen oder gar wählen?
    Der Autor greift verschiedene Aussagen und Meinungen auf und bezieht Stellung gegen die AfD.



    Über den Autor


    Andreas Malessa wurde 1955 geboren, hat Theologie studiert. Er ist als Hörfunkjournalist, TV-Moderatur und Dokumentarfilmer u. a. für den Hessischen Rundfunk und den SWR tätig und hat etliche Bücher verfaßt. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.


    Informationen im Internet:
    - < Klick > - die Webseite des Autors
    - < Klick > - die Seite zum Buch beim Verlag (mit Leseprobe)
    - < Klick > - der Wikipedia-Eintrag zum Autor



    Meine Meinung


    Zu Zeiten eines Franz Josef Strauß hieß es noch, rechts von der Union dürfe kein Platz für eine demokratische Partei sein. Aber das ist lange her, die Union ist weit in die Mitte (bzw. je nach Sichtweise nach links) gerückt, und rechts von ihr ist somit ein riesiges freies Feld entstanden. Immer wieder haben Parteien versucht, in diesen Bereich vorzustoßen, um die entstandene Leere auszufüllen. Derzeit trifft dies auf die AfD zu. Doch füllt sie diese Leere wirklich aus, ist sie wirklich nur rechts von der Union angesiedelt - oder ist sie mittlerweile doch außerhalb des Spektrums, das gemeinhin als demokratisch bezeichnet wird, angekommen. Und ist diese Partei, angesichts der kommenden Bundestagswahl durchaus aktuell, für Christen überhaupt wählbar?


    Dieses Buch versprach Antworten auf diesen Fragen, aber - um es gleich vorweg zu nehmen - so ganz glücklich bin ich nicht damit geworden. Ich hatte beim Lesen immer wieder das Gefühl, daß der Autor nicht faßbar ist, daß er um das Thema herum schreibt ohne glasklar Stellung zu beziehen. Was möglicherweise daran liegt, daß ich mit seinem Schreibstil nicht zurecht kam, denn grundsätzlich waren seine Schlußfolgerungen schon eindeutig gegen die AfD. Nur angekommen ist das bei mir nicht so recht.


    Schließlich habe ich das Buch ein zweites Mal gelesen, um dem auf die Spur zu kommen. Dabei fiel mir auf, daß der Autor Begriffe auf andere Art definiert, als ich sie definieren würde - oder als sie von der AfD definiert werden. Damit konnten seine Erklärungen nicht so ganz aufgehen. Als Beispiel sei hier „Multi-Kulti-Gesellschaft“ genannt. Der Autor definiert praktisch jede Gesellschaft als „Multi-Kulti“ (vgl. Seiten 39ff). Den Gesichtstätowierten und die Diakonisse, den Gel-im-Haar-Manager im Nadelstreifen und die Henna-im-Haar-Hippiefrau im Batickwickelrock. Schrille Punks und blasse Nerds, füllige Kegelclubdamen und drahtige Klappfahrrad-Wanderer ziehen da an mir vorbei, Fußballfans in Vereinskluft trinken sich Optimismus an, Teenagerbuben schielen unterm Hoodie einer blonden Diva auf Highheels hinterher, bis wir alle von den örtlichen Obdachlosen um Geld oder Zigaretten angeschnorrt werden. (S. 39) Es wäre, um klar argumentieren zu können, sich also vonnöten, sich erst einmal auf eine gemeinsame Begrifflichkeit zu einigen oder, genauer, der Autor müßte für seine Argumentation die gleiche Begrifflichkeit verwenden wie die, deren Standpunkte er angreifen will. So hatte ich über weite Teile des Buches das Gefühl, daß Autor und AfD quasi aneinander vorbei redeten.


    In insgesamt zehn Kapiteln geht der Autor auf Äußerungen der AfD ein. Mit Überschriften wie „Die reden wenigstens Klartext“, „Die lassen sich nicht bevormunden“ oder „Die brechen politische Korrektheit auf“. Gerade im letztgenannten Kapitel fiel mir wieder auf, daß der Autor - für meine Begriffe - oft eigene Definitionen verwendet, denn soweit ich ihn verstanden habe, ist er der Ansicht, so etwas wie politische Korrektheit gibt es praktisch nicht. Nun, als geschriebenes Gesetz gibt es das in der Tat nicht. Wenn man aber zu manchen Themen eine andere Meinung als die derzeit herrschende (oder als sich herrschend meinende) vertritt, wird man sehr schnell feststellen, daß es so etwas wie „politische Korrektheit“ eben doch gibt.


    Insgesamt gesehen geht der Autor auf wesentliche Fragen im Zusammenhang mit der AfD, und ob die für Christen wählbar ist, ein. Allerdings empfand ich seine Argumentation über weite Strecken als nicht so recht zielführend bzw. er konnte mich damit nicht richtig erreichen. Insofern bin ich mit dem Buch nicht so recht froh geworden. Ob das möglicherweise auch mit daran liegt, daß ich versuche, mich wenigstens in Grundzügen über die jeweiligen aktuellen politischen Entwicklungen zu informieren, vermag ich nicht zu beurteilen. Es ist also durchaus möglich, daß das Buch auf andere Leser einen ganz anderen Eindruck macht und ihnen genau die Frage beantwortet, die der Buchtitel stellt.



    Mein Fazit


    In zehn Kapiteln vergleicht der Autor das Menschen- und Weltbild der AfD mit dem christlichen und versucht die Frage zu beantworten, ob diese Partei für Christen wählbar sei. Er ist zwar der Meinung „nein“, jedoch ist diese Argumentation bei mir nicht so richtig angekommen.
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich finde nicht, dass man in Erwägung ziehen muss, diese Partei zu wählen, um dieses Buch zu lesen. Wenn SiCollier eine positivere Bewertung abgegeben hätte, wäre es auf meinem Wunschzettel gelandet.
    Aber nicht, weil ich möglicherweise die AfD wählen würde, sondern um evtl. einen anderen Blickwinkel zu bekommen.


    Liebe Grüße,


    Roma :wave



    ~~Versäume nicht das kleine Glück, um auf das Große zu warten.~~

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Roma ()

  • @ Arietta
    Schon als ich mit dem Lesen begann wußte ich, daß ich diese Partei nicht wählen würde - meine Meinung zu der Partei in ihrer heutigen Ausgestaltung stand zu dem Zeitpunkt bereits fest. Es haben mich einfach die Argumente des Autors eben unter Berücksichtigung der christlichen Komponente interessiert, da die AfD ja das "christliche Abendland verteidigen" will. Andererseits hat die Union auch das "C" im Parteinamen, was meiner persönlichen Ansicht nach inzwischen an Blasphemie grenzt. Aber das ist ein anderes Thema.


    Wie Roma schrieb, "um evtl. einen anderen Blickwinkel zu bekommen". Es gibt etliche positive bis sehr positive Rezensionen zu dem Buch, insofern habe ich meine Meinung immer wieder infrage gestellt und überlegt, ob ich möglicherweise das Buch falsch verstehe oder einfach nicht kapiere, was der Autor sagen will. Vermutlich ist Letzteres der Fall, denn der Autor bringt zwar eine Menge interessanter und nachdenkenswerter Argumente und Gedanken, nur hat er mich damit nicht erreicht.


    Und dann war mein Problem eben, daß er nach meinem Verständnis Begriffe nicht sauber definiert, bzw. andere Definitionen verwendet als die, die er angreifen will (siehe in der Rezi angeführtes Beispiel zu "Multikulti"). In diesem konkreten Fall halte ich seine Definition für falsch, und damit bricht die ganze Argumentation in dieser Hinsicht zusammen.


    Im Übrigen: über die im Eingangspost verlinkte Seite zum Buch beim Verlag ist eine Leseprobe (PDF mit Inhaltsverzeichnis, Vorwort, teilweise erstes Kapitel) verfügbar. Dort kann man sich selbst ein Urteil bilden, das vielleicht ganz anders als meines ausfällt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ist das eine Reihe? "Als Moslem die AfD unterstützen?" - "Als Atheist die AfD unterstützen?" - "Als kluger/mittelkluger/dummer Mensch die AfD unterstützen?" - "Als Doktor/Hausmann/Facharbeiter/Arbeitsloser die AfD unterstützen?". Wenn ja, wäre das ein interessantes Geschäftsmodell aus Verlagssicht, denn die Antwort wäre immer die gleiche: Nein. Auf keinen Fall. Um Himmels Willen!


    Die AfD ist eine populistische Partei, und Rechtspopulismus ist nicht nur die Hintertür zum Faschismus, sondern auch noch eine Sichtweise, die auf starke Vereinfachung baut. Kein Mensch, der alle Sinne halbwegs beisammen hat, sollte diesen tumben Rattenfängern hinterherlaufen, oder darüber nachdenken, auch nicht unter Zuhilfenahme solcher Bücher. Die AfD ist keine Partei, sondern ein Haufen übler, überwiegend offenbar begrenzt intelligenter Spießgesellen, die mit dumpfen Parolen und extremen Simplifizierungen die Stimmung anzuheizen versuchen, bis es brennt. Zum Glück ist der Zulauf rückläufig.


    Andererseits. Religionen bauen ja auch darauf auf, auf komplexe Fragestellungen einfache Antworten anzubieten. Insofern ist die Fragestellung so abwegig vielleicht doch nicht. ;-)


    (Obwohl mir nichts ferner läge, als die CDU zu wählen, stößt mir der Vergleich von CDU und AfD übrigens tatsächlich etwas übel auf. Und die CDU ist keine christliche Partei, sondern eine, deren Programm auf dem christlichen Menschenbild aufbaut. Das ist nicht dasselbe.)

  • Hallo Tom,


    es ist - zumindest meines Wissens nach - keine Reihe. Weshalb dieses Buch entstanden ist, nachdem er es erst nicht schreiben wollte, schildert der Autor im Vorwort (S. 8): Als ich dann aber Christen kennenlernte, die Werte und Ziele ihres Glaubens ausgerechnet bei der AfD am besten verwirklicht sehen - da entschloss ich mich, tatsächlich was zu schreiben.


    Auf Deinen Kommentar zum Thema Religion bin ich im kürzlichen anderweitigen Thread nicht eingegangen und werde es auch hier nicht tun.


    Und verglichen habe ich die CDU nicht mit der AfD; hätte ich vergleichen wollen, hätte ich eine andere Wortwahl getroffen. Ob im Übrigen das Programm der CDU auf dem christlichen Weltbild aufbaut, wäre ohnehin noch zu untersuchen. Ich habe da inzwischen meine Zweifel.

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    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Hallo, SiCollier.


    Als ich zuletzt in einem CDU-Grundsatzprogramm geblättert habe, gab es da zumindest noch die Formulierung. ;-)


    Ich habe in der Leseprobe gestöbert und Deine Rezension noch einmal in Ruhe gelesen. Das Beharren des Autors auf eigenen, korrekteren, ethischeren (wenn es das gibt) Definitionen gefällt mir. Das Beispiel mit dem Multi-Kulti ist sehr anschaulich, denn das trifft zuweilen sogar auf Paare zu, die einem auf den ersten Blick sehr ähnlich vorkommen, auf Geschwister und sonstige Verwandte. Es ist gefährlich, wenn man es "denen" überlässt, das auf ethnische oder geografische Aspekte zu reduzieren, andererseits ist der Begriff auch ein bisschen dämlich, weil beinahe pleonastisch: Kultur ist immer auch multi, sonst wäre es genau genommen keine Kultur.


    Vor drei Tagen habe ich einen interessanten Vortrag über Populismus gehört, im Zusammenhang mit einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung, die sich dem Phänomen widmet. Auch darin klang an, dass sich religiöse Menschen den Vorwurf zumindest anhören müssen, ja ebenfalls Konzepten zu folgen, die überwiegend Monokausalitäten annehmen.

  • Hallo Tom,


    mir ist bewußt, daß die Union sich so sieht, allein mir fehlt der Glaube (?!). Bzw. er ist mir in den letzten Jahren abhanden gekommen - zumindest der an die CDU. :grin ;-)


    Wenn die Definition des Autors zu „Multi-Kulti“ zutreffend wäre bzw. genauer: wenn man sich die zu eigen macht, müßte man sogar meine Familie als „Multi-Kulti“ bezeichnen, denn die Unterschiede zwischen meiner Tochter und mir in Ansichten und Lebensweise sind so groß, daß sie den Definitionen des Autors entsprechen. Und bei meinem Bruder und mir muß man auch dazu sagen, daß wir verwandt sind. Weder sehen wir uns ähnlich noch haben wir (in vielem) ähnliche Ansichten. Und genau diese Erfahrung ist es, auf Grund deren ich mit der Definition des Autors meine Schwierigkeiten habe.



    Zitat

    Original von Tom
    Kultur ist immer auch multi, sonst wäre es genau genommen keine Kultur.


    Dem kann ich Dir in Bezug auf Kultur zustimmen.



    Die von Dir erwähnte Bertelsmann-Studie ist mir im Internet (also eine Meldung darüber) begegnet und sie wird heute in der hiesigen Tageszeitung besprochen. Da sind auch die Fragen abgedruckt - ich war froh, nicht befragt worden zu sein. Denn etliche der Fragen lassen sich mE nicht einfach mit „ja“ oder „nein“ beantworten; die richtige Antwort wäre da „kommt darauf an“. Aber das ist ein anderes Thema.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")