Hilary Mantel: Der Hilfsprediger
DuMont Buchverlag 2017. 208 Seiten
ISBN-10: 3832198725
ISBN-13: 978-3832198725. 23€
Originaltitel: Fludd
Übersetzer: Werner Löcher-Lawrence
Verlagstext
Irgendwo im nördlichen England der Fünfzigerjahre: Fetherhoughton ist ein gottverlassenes Nest, eine Enklave der Ignoranz und des Aberglaubens. Father Angwin ist hier der Gemeindepriester, ein Zyniker, der längst seinen Glauben verloren hat und nur noch in Ruhe gelassen werden will; vor allem von dem neuen Bischof, der die Region in moderne Zeiten führen will. Die zweite Heimsuchung des Priesters ist Mutter Perpetua, die ihr Kloster mit eiserner Hand führt und jede Abweichung vom Pfad des Glaubens hart bestraft. Sie hat es vor allem auf die freiheitsliebende junge Nonne Philomena abgesehen. Eines Abends taucht ein Fremder an der Tür des Pfarrhauses auf und bietet Father Angwin seine Dienste an. Ist er ein Spion des Bischofs, wie Angwin glaubt? Ist er ein Engel, der den Priester wieder glauben lässt und Philomena die Liebe lehrt? Oder gar der Teufel selbst?
Trockener Humor, hervorragende Charakterzeichnung und ein bissiges Porträt der Kirche im England der Fünfzigerjahre.
»Der Roman ist leicht, geistreich, scharfsinnig und lustig; dabei behandelt er ernsthaft die Frage, was gut und was böse ist.« EVENING STANDARD
Die Autorin
Hilary Mantel, geboren 1952 in Glossop, England, war nach dem Jura-Studium in London als Sozialarbeiterin tätig. Für den Roman „Wölfe“ (2010) wurde sie mit dem Booker-Preis, dem wichtigsten britischen Literaturpreis, ausgezeichnet. Mit „Falken“, dem zweiten Band der Tudor-Trilogie, gewann Hilary Mantel 2012 den Booker erneut.
Inhalt
In Fetherhoughton, einem fiktiven gottverlassenen Nest hat Vater Angwin sich als Priester häuslich eingerichtet. Sein Leben könnte so idyllisch sein, hätte nicht der Bischof sich in den Kopf gesetzt, die Messe zukünftig in Englisch lesen zu lassen und den Aberglauben mit Stumpf und Stiel auszurotten. Angwin fühlt sich entthront und schiebt als Ausrede seine Gemeindemitglieder vor, denen er nicht zutraut, ohne ihre Heiligenfiguren weiter leben zu können. Für den Bischof sind die Figuren schlicht Götzenanbetung, Rüschen und Tand wären Firlefanz und die Gemeinde müsse sich endlich modernen Zeiten anpassen.
Die Einwohner von Fetherhoughton sind keine Bauern, sondern Weber. Sie leben in Arbeiterhäusern aus Naturstein, ganz auf der Höhe der 50er Jahre mit Kohlenschuppen und Außenklo, das man sich mit dem Nachbarhaus teilt. Die Menschen hassen die Natur und beharren darauf, lieber nicht über das Moor zu sprechen, so etwas tun sowieso nur Fremde. Als ein Mr Fludd auftaucht, könnte der der neue Vikar sein, ein Betrüger oder schlicht ein ausgekochtes Schlitzohr. Für die Pfarrhaushälterin Miss Agnes Dempsey ist Fludd mit Sicherheit eine Herausforderung, als er mitten in der Woche warmes Wasser zum Baden begehrt. Unter Dempseys Fuchtel möchte ich nicht leben müssen, ihre Routine ist zwanghaft. Man muss ihren Kakao trinken und sie muss abends noch Geschirr spülen, sonst würde Agnes vermutlich vom Teufel geholt. Fludd scheint ein direkter und lebenskluger Mann zu sein, nur was tut jemand in Fetherhoughton, der anderen aus der Hand lesen kann? Ein groteskes Szenario entfaltet sich zwischen Angwin, Fludd und der kämpferischen Direktorin der Klosterschule, Mutter Perpetua.
Fazit
Hilary Mantel, deren Kurzgeschichten sich durch bissige Ironie auszeichnen, hält sich hier zunächst zurück und zeichnet ein liebevolles, ungeheuer stimmungsvolles Bild der 50er Jahre. Wenn sie nicht selbst in einem Abschnitt der langen Kette britischer Arbeiterhäuser gelebt hat, hat sie zumindest genauestens recherchiert. Ihre Milieuschilderung wirkt wie ein Blick in ein Puppenhaus oder auf eine maßstabsgetreue Modellbahnanlage. Wer eine kräftige Prise Ironie verträgt und das Schmunzeln nicht verlernt hat, wird mit dem Buch seinen Spaß haben.
8 von 10 Punkten