Lisa Stromme - Das Erdbeermädchen

  • Inhalt:


    Norwegen im Sommer 1893: das Dorf Åsgårdstrand ist Anziehungspunkt für viele herrschaftlichen Familien aus Kristiana, die dort den Sommer verbringen müssen. Johanne, ein sechzehnjähriges einheimisches Mädchen, geht als Hausmädchen bei der Familie des Admirals Ihlen in Stellung und befreundet sich mit dessen Tochter Tullik. Diese beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit dem Maler Edvard Munch, der als Außenseiter am Rande der Gesellschaft im Dorf lebt. Ein nervenaufreibendes Versteckspiel um eine Liebe jenseits der gesellschaftlichen Konventionen beginnt, und Johanne steckt mittendrin...


    Meine Meinung:


    Edvard Munch war mir vor allem wegen seines Bildes "Der Schrei" ein Begriff, ein Gemälde, das wohl niemanden kalt lässt und und das in der Neuzeit mehrfach Furore gemacht hat. Lisa Stromme widmet sich dem Menschen hinter dem Bild und spinnt eine ergreifende Geschichte um dessen Entstehung.


    Im Mittelpunkt steht dabei das Mädchen Johanne, das aus der Ich-Perspektive heraus die Rolle der Erzählerin übernimmt. Sie ist das "Erdbeermädchen"; dieser Name hat doppelte Bedeutung. Einerseits sammelt sie tatsächlich Erdbeeren und andere Beeren für die Sommerfrischler in Åsgårdstrand; andererseits ist dies auch der Titel eine Bildes des Malers Hans Heyerdal, für den Johanne als Kind Modell gestanden hatte.


    Johannes Familie, insbesondere ihre Mutter, sehen in ihr immer noch das kleine "Erdbeermädchen"; dabei ist sie im Begriff, eine junge Frau zu werden und hat durchaus ihre Geheimnisse. Da ist Thomas, der um sie wirbt und mit dem sie zum Tanz geht, unsicher, ob mehr darauf werden kann und darf. Aber auch Edvard Munch ist für Johanne kein Unbekannter; er erkennt ihr Potential, Kunst zu verstehen und auch selbst zu malen; dabei unterstützt er sie im kleinen Rahmen, materiell wie ideell. Selbstverständlich muss dies im Geheimen ablaufen, denn im Dorf ist Munch ein Verrückter und seine Bilder eine Schande, niemand, zu dem ein junges Dorfmädchen Kontakt haben sollte.


    Ganz anders ist das mit Tullik, der Tochter des Admirals. Sie versteht Munchs Kunst überhaupt nicht, ist aber gerne Modell für die verschiedensten Bilder, und stürzt sich schließlich Hals über Kopf in eine leidenschaftliche Liebschaft mit dem Maler. Johanne ist hierbei Beobachterin und vor allem Verbündete, denn Tullik braucht dringend Ausreden für ihre langen Abwesenheiten. Die beiden Mädchen bauen dabei ein Lügenkonstrukt auf und begeben sich in manche prekäre Situation. Ob das auf Dauer gut geht, wird hier natürlich nicht verraten.


    Munch selbst bleibt innerhalb der Erzählung als Mensch sehr blass, fast wie ein Mythos. Dennoch kommt seine Verstörtheit, seine absolute emotionale Hingabe an die Kunst, hinter der die menschlichen Beziehungen durchwegs zurück stehen müssen, sehr gut zum Ausdruck. Fast kann man sich vorstellen, wie er in seiner Unfähigkeit, seine Gefühle auszusprechen, dieses wahnsinnige Gemälde schafft und die abstrakt gemalte Figur für sich schreien lässt. Der Schrei zieht sich vor allem durch das letzte Drittel des Buches und nimmt eine wichtige Rolle ein.


    Lisa Stromme bedient sich in ihrer Erzählung eines eleganten, ausgereiften Schreibstils, der mir sehr gut gefallen hat. Es drängt sich beim Thema Malerei geradezu auf, dass die Sprache bildhafte Motive aufgreift und vieles mit Farben und Formen zu erklären versucht. Besonders schön fand ich die kapiteleinleitenden Auszüge aus "Zur Farbenlehre" von Johann Wolfgang von Goethe, die sehr treffend eingesetzt werden.


    Am Ende des Sommers darf man als LeserIn nicht erwarten, dass es irgendwelche ausgeklügelten Auflösungen gibt; der Sommer ist vorbei, die Sommerfrischler kehren zurück in die Hauptstadt und alles geht wieder seinen alten Gang. Was bleibt, ist der Nachhall einer Geschichte, die erschütternd und mitreissend gleichzeitig erzählt wurde; wie gemacht für LeserInnen, die weniger handlungsorientiert sind, sondern am inneren Erleben der Figuren interessiert sind und sich auf den Zeitgeist des 19. Jahrhunderts mit einem Schwerpunkt auf der Entdeckung der modernen Kunst einlassen möchten. Mir hat das Buch insgesamt sehr gefallen und ich bin überrascht, wie gut der Autorin die Verknüpfung dieses doch komplexen Themas mit einer guten Portion Unterhaltungswert gelungen ist.


    9 von 10 Eulenpunkten

  • Meine Meinung
    Das Buch hat mich alleine schon dadurch neugierig gemacht, weil die Geschichte in Norwegen angesiedelt ist und wieder einmal haben schon die Naturbeschreibungen diesen Roman lesenswert gemacht.
    "Das Erdbeermädchen" ist das Debüt der Autorin Lisa Stromme und neben den historischen Fakten hat sie den Maler Edvard Munch zu einer der Nebenfiguren auserkoren. Der Maler wurde 1863 in Norwegen geboren und starb im Jahr 1944 auch dort. In dieser Geschichte agiert er als verschrobener, noch völlig unbekannter Maler, vor dem sich die Damenwelt in Acht nehmen soll. Doch wie es kommen muss, verliebt sich Tullik, die Tochter des Admirals Ihlen, in Munch und setzt damit ihre Freundschaft zu Johanne auf´s Spiel, die als Dienstmädchen im Haus der Ihlen´s angestellt ist. Die Freundschaft bekommt Risse und der bürgerliche Frieden droht zu zerbrechen. Die Charaktereigenschaften der jungen Frauen sind gut vorstellbar und fein hervorgehoben. Die Gefühlsebenen und die nicht ausgesprochenen Gedanken, hätte ich mir etwas ausführlicher gewünscht, um den beiden jungen Frauen noch näher zu kommen.
    Aufgrund des Covers könnte man denken, es wäre ein sommerlicher und leichter Roman, doch Vorsicht, so ist es nicht. Mir kam der Inhalt oftmals eher düster und beklemmend vor. Es kommen keine großartigen Geschehnisse vor, sondern man treibt durch einen historischen Sommer in Norwegen.
    Welcher Satz mir sehr gut gefallen hat war von Edvard Munch, wie er Johanne das sich Fallen lassen beim Malen beschrieb: "Male was Du fühlst, nicht was Du siehst."


    Fazit
    Die Hauptthemen dieses Romanes sind: die Kunst, die Malerei, eine geheime Liebe, Freundschaft, Verrat, Lüge und ein dunkles Ende. Ich habe mich gut unterhalten gefühlt, wenn man an dieser oder jener Stelle der Geschichte auch etwas hätte tiefgründiger sein können.

  • Worum es geht
    Im idyllischen norwegischen Küstenstädtchen Åsgårdstrand bereiten sich die Bewohner wie jedes Jahr auch 1893 auf das Eintreffen ihrer Sommergäste vor. Die Familie Lien überlässt ihr Haus dem Maler Hans Heyerdahl, und schickt ihre Tochter Johanne, die sich bisher mit dem Erdbeerpflücken ein Zubrot verdient hatte, als Dienstmädchen zu Admiral Ihlen. Dessen jüngste Tochter Tullik freundet sich bald mit Johanne an, und hält sie sehr zum Missfallen der anderen Hausangestellten häufig von ihren Pflichten ab.
    Gegen den Willen ihrer Eltern verbringen die beiden Mädchen viel Zeit bei Edvard Munch, dem verrückten Künstler, dessen Bilder für die Einheimischen eine ständige Provokation darstellen. Die 16-jährige Johanne kennt Munch schon von Kindesbeinen an und darf sich in seinem Atelier sogar an einem eigenen Werk versuchen. Tullik hingegen lässt sich auf eine leidenschaftliche Liebesbeziehung mit dem Maler ein, dem einst ihre ältere Schwester Milly das Herz gebrochen hatte.


    Meine Meinung
    Mit ihrem Buch hat Lisa Stromme einen wunderschönen Roman vorgelegt, der seine Leser mit einer kraftvollen, poetischen Sprache von Anfang an ihren Bann zieht.
    Die Protagonisten weisen individuell ausgearbeitete Charaktereigenschaften auf, wobei mir Johanne besonders gut gefallen hat. Sie wird als sehr bodenständig dargestellt, dennoch besitzt sie eine große Begabung für das Zeichnen und Malen, sowie ein tiefes, nicht erlernbares Kunstverständnis. Ihre Gefühle bringt sie mit Farben in Verbindung, vernimmt aber auch Geräusche aus Munchs Bildern, sieht sie fast als lebendige, fühlende Wesen. Dennoch geht sie mit ihrem Freund, dem Fischer Thomas gern zum Tanzen und überlegt ganz nüchtern, ob sie mit ihm, der von Kunst nicht das geringste versteht, als Ehemann auch glücklich werden könnte.
    Dieser Aspekt der Geschichte hat mir besser gefallen als die Liebesgeschichte, die sich zwischen der leicht zur Dramatik neigenden Tullik und dem schwierigen Edvard Munch entwickelt, einem Maler, der eigentlich nur eine Geliebte hat - seine Kunst.
    Die Autorin schildert aber auch den Sommer in Åsgårdstrand in so kräftigen Farben, dass man die Wärme, den Duft des Waldes, der Früchte, der Gräser und Blumen in ihrer ganzen Pracht und Fülle nicht nur zu sehen, sondern auch zu spüren und riechen vermeint.
    Eine rasant erzählte Geschichte mit sich steigernder Spannung und unerwarteten Wendungen darf sich der Leser zwar nicht erwarten, und doch nimmt man regen Anteil am Geschick der Figuren (und der Bilder), hofft, leidet und bangt mit ihnen. Vor allem aber konnte mich der Roman stilistisch mit seiner wunderbaren Sprache bezaubern.
    Im Nachwort erzählt Lisa Stromme sehr ausführlich und detailreich, wie sie sich zu ihrem Buch inspirieren ließ, welche Nachforschungen sie angestellt hat, welche Personen frei erfunden sind und wer tatsächlich (außer den genannten Künstlern) gelebt hat. Sehr passend fand ich auch, dass die Autorin den einzelnen Kapiteln Farbbezeichnungen bzw. andere Begriffe aus der Malerei zugeordnet hat.
    Wer sich gerne einmal in Åsgårdstrand tummeln und seine interessanten Bewohner kennenlernen möchte, dem sei dieser außergewöhnliche Roman wärmstens ans Herz gelegt.

    Dafür gibt es begeisterte <3<3<3<3<3:!:


    Originaltitel: The Strawberry Girl


    ASIN/ISBN: 345341974X