Mathias Bröckers: König Donald, die unsichtbaren Meister und der Kampf um den Thron
Nackter als im Sonnenbad - eine Chronik um Intrigen und Macht
Buchtipp von Harry Popow
Da bekam der DDR-Bürger das große Lachen – als Bundesbürger die DDR-Nackedeis an den Stränden der Ostseeküste entdeckten und pikiert laut aufschrieen, ob dieser „Kulturlosigkeit“. Und nun, nach zig Jahren, gab es nochmals einen Aufschrei, als sich nämlich der neue Präsident Donald Trump sich mit seinen „unqualifizierten“ politischen Äußerungen, vor allem in Richtung Russland – im einzigen Interesse der amerikanischen globalen Macht sich trotz der Proteste der bürgerlichen Parteien, der Republikaner, als sich also dieser neue Milliardär plötzlich ganz nackend zeigte, ohne Skrupel, frech und anmaßend. Nur, die sich da provoziert fühlten, waren und sind letztlich selber, die sich vor aller Welt entblößten und nackend gemacht wurden.
So konnte es denn auch nicht beim Aufschrei bleiben. Dazu gibt das neue Buch von Mathias Bröckers „König Donald, die unsichtbaren Meister und der Kampf um den Thron“ Auskunft. Mehr noch – man stelle sich dieses schauerliche Satirestück auf der Bühne vor. Der Zuschauer entdeckt bei genauem Hinschauen und Lesen „möglicherweise“ Fetzen aus dem wirklichen Leben. Spätestens nach dem Schlussvorhang. Oder nachts im Bett. Oder gar nichts.
Ironie und Satire öffnen bekanntlich eher Herz und Hirn als nüchterne und sachliche Polemik. Der Autor, dessen Buch ich nahezu ohne Unterbrechung mit Vergnügen gelesen habe, präsentiert viele Varianten der Anschaulichkeit, um den Vorgang der Wahlen in den USA und die Gegenwehr gegenüber dem neuen Präsidenten Trump ins Scheinwerferlicht zu stellen. So zum Beispiel die andersartige Benennung von Personen und Zuständen sowie sprachliche Vergleiche, faktenreiche Berichte und sachbezogene Kommentare. Man muss nicht lange rätseln, wer der König Donald ist, wer der Ultraböse, wer die unsichtbaren Meister der Intelligence, wer die Gilde der Herolde und Lautsprecher, welche geheime Macht die Yankee and Cowboy darstellen, wer mit dem exzeptionalistischen Königreich gemeint ist.
Der Zuschauer/Leser - bislang ernste Polemiken zu hören oder zu lesen gewohnt - fühlt sich erkenntnisreich angesprochen, wenn der Autor gleich anfangs feststellt, dass Donald als Ultrarechter zwar aus der derselben Elite-Liga wie seine Vorgänger stammt, aber zu einem anderen Club gehört und seine Spielweise den Apparat und die Strukturen des Königreichs „gehörig durcheinander gebracht“ hat.
Kein Wunder, hält der Neue König seiner in den Tiefen der Gesellschaft agierenden Herolde und Hofschreiber, der im geheimen agierenden permanenten Regierung, den Korrupten und Heuchlern und Großgeldverdienern, den Räubern und Cowboys durch sein nicht immer intelligentes und räuberisches Verhalten ohne Rücksicht auf „Verluste“ den Spiegel vor´s Gesicht.
Abschied vom globalen Denken und Handeln?
Als Außenseiter verschrien, so der Autor, habe der Neue dem regime change (S. 12) eine Absage erteilt. Die NATO sei obsolet. Sanktionen gegen das Reich des Ultrabösen seien Unsinn. Auf Seite 15 wiederholt er den oft zitierten Satz, der Ultraböse sei gar nicht so schlimm und man könne mit ihm auskommen. Doch die Hauptaussage des neuen Königs war, die USA stehe über allem. Der Narzist als Nationalist? Ein Abschied vom globalen Denken und Handeln?
Mit viel Biss und Häme registriert auch der Autor wie andere vor ihm den vielfachen Aufschrei und die Abwehrakrobatik der sich stets als friedliebend gebenden Kapitalelite. Seite 9: Hillary – das sei ein Debakel des Jahrhunderts. S.13: Donald sei die Marionette des ultrabösen Herrschers, S. 21 – was wird aus dem Krieg gegen den Terror, wenn der Feind verloren geht (Bekämpfung der Wickelmützen, des ISIS)?
Jeder Lacher, jede Ironie, jeder noch so große Biss – alles geht am Ohr und Hirn vorbei, wollte man nicht darauf pochen, den Ursachen für profitstrebendes Ungemach und Weltherrschaftsplänen auf den Grund zu gehen. So verweist Mathias Bröckers auf Seite 55 darauf, dass man, um den tiefen Hass auf den schlimmen Donald zu verstehen, in die Tiefen des Staates hinabsteigen müsse, zu den unsichtbaren Meistern der Intelligence, „die als Schattenspieler und Strippenzieher seit Jahrzehnten die Fäden im Königreich in der Hand haben“. Für sie sei eine der größten Unfälle eingetreten. Der Thronfolger stamme nicht aus dem Think-Thank-Land und mache sich scheinbar daran, einen „Sumpf“ trockenzulegen, „den unterirdischen Sumpf des Tiefenstaats, von dessen Existenz die meisten Leute im Königreich eigentlich gar nichts wussten“.
Für die schmähliche Wahlniederlage der Clinton-Maschine musste eine Begründung her. Die fand sich sehr schnell in einer ungeahnten Russophobie. Der Ultraböse „soll mit unsichtbaren Häschern Hillarys Post gestohlen und so Donald auf den Thron“ gehievt haben. (S. Wo bis heute die Beweise fehlen. Doch auch hier liegen die Ursachen noch tiefer. Das Königreich wollte über König Boris, den man den „Wodka-Container“ nannte, so schreibt der Autor auf Seite 76, an die „größten Mineralreserven der Welt“ heran, an Öl, Gas, Metalle, seltene Erden... Die „sibirische Schatztruhe“ hatte das Königreich im Visier. Doch dieses „Geschäft“ vermasselte der ab sofort als „aggressiv“ beurteilte und verurteilte Putin. So malten es ab sofort auch die zahlreichen Fake News, „sodass bald fast alle im Lande vergessen hatten, dass sein Verbrechen eigentlich nur darin bestanden hatte, dass er die Schätze seines Landes nicht weiter umsonst, sondern zum Marktpreis abgeben wollte“. (S. 79)
Was aber hat sich seit König Donald geändert, fragt sich der Autor auf Seite 36? Er hat „die Fassade des politisch korrekten Gefasels von ´Werten` und ´Menschenrechten´, hinter der sich der alte Imperialismus im neoliberalem Gewand tarnte,“ heruntergerissen. „Auf dem Thron sitzt jetzt ein echter Barbar.“
Und dennoch: Auf Seite 163 zitiert der Autor anhand eines Symposiums zur Lage im Königreich folgenden Satz: Von der „unipolaren Sicht der Welt und dem Plan, sie militärisch und wirtschaftlich komplett zu beherrschen, will sich König Donald offenbar verabschieden.“ Bezugnehmend auf die „neue Seidenstraße“ heißt es auf Seite 173: „Wie auf der alten Seidenstraße einst begehrte Güter wie Seide oder Tee aus dem Reich der Mitte in den Westen gelangten, soll dies auch auf den neuen Wegen geschehen...“ (…) „Dieser Handel und Wandel, der mehr als als zwei Drittel der gesamten Menschheit umfasst, wird das exzeptionalistische Königreich als dominierende Wirtschaftsmacht der Welt ablösen. Das Königreich und sein transatlantisches Bündnis stehen vor der Wahl: Krieg oder Kooperation.“
Für diejenigen, die das Nachdenken nicht verlernt haben
Die Botschaft des Autors ist gelungen: Er zeigt nicht nur den König nackt und nicht ohne Warnung, sondern auch jene, die ihn hassen und bekämpfen. Ihre wahren Absichten, ihre Machtansprüche. Ihre Lügen und Verleumdungen. Ihr Schüren von Angst. Darüber hinaus versetzt er das in diesem Wirrwarr-Theater zuschauende und das Lesepublikum in einen Zustand der nach Brecht genannten Verfremdung. Eine entlarvende Sicht auf eine sich als „Friedensengel“ und „Verteidiger der Menschenrechte“ ausgebende hochstilisierte Elite mit den USA an der Spitze, die alles unternimmt, ihre aggressiven Weltherrschaftspläne zu kaschieren und sowohl von der „Terrorbekämpfung“ als auch von der hochgeschraubten militärischen Rüstung profitiert. Das Buch sei jenen empfohlen, die das Nachdenken nicht verlernt haben, neugierig geblieben sind und mit zum Gegenwind blasen. So hat Nacktheit, das Herunterreißen von Masken, seine herausfordernden Vorteile. Wer nach der Aufführung den Saal verlässt, der sollte ein anderer sein...
Mathias Bröckers: König Donald, die unsichtbaren Meister und der Kampf um den Thron, Westend Verlag, Frankfurt/Main, 2017, 208 Seiten, Hardcover ohne Schutzumschlag, 14 Euro, ISBN-10: 3864891906, ISBN-13: 978-3864891908, Größe und/oder Gewicht: 10,6 x 2,1 x 16,2 cm
(Erstveröffentlichung des Buchtipps in der Neuen Rheinischen Zeitung)
Edit: Threatitel und Autor eingesetzt. LG JaneDoe