E. A. Poe: "Die denkwürdigen Erlebnisse des Artur Gordon Pym"

  • Edgar Allan Poe - "Die denkwürdigen Erlebnisse des Arthur Gordon Pym"


    Dieses Buch ist das wohl einzige Werk von Poe, das man seinem Umfang nach als Roman bezeichnen kann, und gleichzeitig wohl eines seiner merkwürdigsten Werke. Es beginnt wie ein spannender Seeroman mit Meuterei, Schiffbruch und allem Drum und Dran und endet, als hätte der Schriftsteller die letzten Kapitel im Delirium geschrieben. Ich selbst habe es schon zweimal gelesen und finde es ziemlich mitreißend.


    Zur Handlung: Arthur Gordon Pym träumt davon, zur See zu fahren, und dieser Traum wird war, als ein Freund von ihm ihn als blinden Passagier auf das Schiff seines Vaters bringt. Geplant ist, daß er ihn so lange versteckt hält, bis es unmöglich ist, ihn nach seiner Auffindung wieder zurückzuschicken. Allerdings meutert unterwegs die Besatzung, und Pym verdurstet beinahe, bis es seinem Freund gelingt, sich zu ihm in den Laderaum zu schleichen. Mit der Hilfe des halbindianischen Matrosen Dirk Peters gelingt es den beiden, sich wieder in den Besitz des Schiffes zu bringen, aber ein schwerer Orkan beschädigt es so schwer, daß es nur noch als Wrack auf den Wellen treibt. Die Überlebenden haben keine Nahrungsvorräte mehr, und schließlich bleibt ihnen nichts anderes mehr übrig, als zu losen...
    Erst, nachdem einer von ihnen gegessen worden ist, werden sie von einem anderen Schiff gerettet. Dieses aber befindet sich auf einer Fahrt in die unerforschten Regionen des Südmeeres. Auf einer geheimnisvollen Insel, auf der es nichts Weißes gibt, werden ihre Retter Opfer von Eingeborenen, die eine panische Angst vor allem haben, das von weißer Farbe ist. Pym und Peters entkommen in einem Boot und treiben auf den Südpol zu. Als sie eine riesige weiße Gestalt zu Gesicht bekommen, bricht die Erzählung ab. Im Nachwort erklärt Poe, daß Arthur Gordon Pym gestorben wäre, ohne daß er irgendjemandem die Geschichte zu Ende erzählen konnte.


    Das Buch ist eine spannende Seefahrergeschichte, in die Poe einige nette Schockeffekte eingebaut hat, wie es so seine Art war. Der zweite Teil, die Fahrt zum Südpol, hat dann plötzlich ganz anderen Charakter, es ist die Beschreibung einer Entdeckungsfahrt, die sich immer mehr im Geheimnisvollen verliert, und zum Schluß macht sich Poe auch nicht mehr die Mühe, irgendetwas erklären zu wollen, sondern liefert einige dunkle Andeutungen, die das Rätsel nur noch vertiefen, statt es zu lösen. Wer also lieber Geschichten mit einer vernünftigen Aufklärung am Ende mag, wird den Arthur Gordon Pym nicht unbedingt mögen, aber die Atmosphäre, die Poe in seinem Buch schafft, ist richtig unheimlich und mysteriös, und das macht es lesenswert.
    Die Ausgabe, die ich zu Hause hab, ist von 1965 und hat keine ISBN, ich hab also die ISBN einer anderen Ausgabe unten angegeben. Witzig ist, daß das Buch bei Ullstein unter der Rubrik: Ullstein Urlaubs-Klassiker erschienen ist. Also die richtige Lektüre für eine zünftige Kreuzfahrt.
    Wer unbedingt eine Auflösung der Handlung haben möchte, kann hinterher von Jules Verne den Roman "Die Eissphinx" lesen, in dem der Franzose versucht hat, Poes Roman zuende zu erzählen. Allerdings bleibt der Verne meilenweit hinter dem Vorbild zurück.

  • Hallo zusammen, hallo Hermann,


    eine sehr schöne Zusammenfassung des einzigen Poe-Romans gibst du da. Und ich kann mich dir anschließen: Ein wirklich bemrkenswertes Buch. Zum einen wirklich spannend und gut geschrieben, zum anderen gerade am Ende auch noch mit dem Mut zur Lücke.


    Vor Jules Vernes "Fortsetzung" Le sphinx des glaces möchte ich hingegen eindringlich warnen. Ein 500-Seiten Wälzer, in dem es eigentlich erst auf den letzten 30 Seiten um die titelgebende Sphinx geht. Und dass irgendwelche der faszinierenden Rätsel (etwa das der Hieroglyphen) gelöst würden, davon kann keine Rede sein. Zu allem Überfluss ist das Spannendste an Vernes Text im Grunde die Zusammenfassung von Poes Roman ;-).


    Es gibt allerdings noch eine andere Fortsetzung. Sie heißt "A strange discovery" und ist von einem Herrn mit Nachnamen Drake verfasst. Die habe ich leider noch nicht gelesen und sie ist ja auch eher unbekannt. Aber wer weiß, vielleicht verbrigt sich hier ein vergessenes literarisches Kleinod ;-).


    Herzlich, B.

  • was mich an vernes fortsetzung stört, ist die entmystifizierung, die er betreibt. ich habe das gefühl, daß poe mit dem ende des romans eine art gott-erlebnis darstellen wollte. der antagonismus zwischen schwarz und weiß auf den inseln und die bedeutung der einzelnen schriftzeichen weisen ja schon auf den antagonismus gut-böse hin, und dann die gigantische weiße gestalt am ende - ich denke nicht, daß poe den roman abgebrochen hätte, wenn er sich das als irgendetwas anderes gedacht hätte als die sichtbare manifestation gottes. das verne dann daraus seinen ------ vorsicht! spoiler! ---------- magnetischen eisberg macht, ist wohl eher seinem naturwissenschaftlich veranlagten verstand zuzuschreiben und wird der idee poes in keinster weise gerecht.


    vielen dank übrigens für den tip. ich werd mich mal bei gelegenheit nach "a strange discovery" umsehen.

  • Wenn ich ehrlich bin fand ich die Kurzgeschichten von E.A. Poe besser. Als ich diesen Roman durchlas musste ich mich schon fast zwingen zuende zu lesen und das, obwohl ich ein totaler Poe-Fan bin. Die Handlung, ist zu langatmig und irgendwie abstrus. Aber ich werde trotzdem weiterhin Poes Geschichtchen lesen. :-]

  • Ich schließe mich mal mit "Das Rätsel des Eismeeres" hier an. Dieses Buch beinhaltet sowohl "Die Abenteuer des Arthur Gordon Pym" von Edgar A. Poe, als auch "Die Abenteuer des Tom Jeorling" von Jules Verne. Poes Werk wurde im Gegensatz zu Vernes nur etwas gekürzt.
    Der Anfang des Buches war für mich sehr vielversprechend, doch dann zog sich das ganze in die Länge.
    Die Idee mit der Fortsetzung, welche sich auch noch auf die wahre Begebenheit, dass die Leute dachten Poe schrieb die Wahrheit, bezog fand ich zwar gut, doch die Ausführung war sehr weit hergeholt und sehr langatmig.
    Ich habe mich auch dazu zwingen müssen zuende zu lesen. :-)

  • Ich habe die Lektüre von "Das Rätsel des Eismeeres" auch gerade beendet. Nachdem ich es im "Welches Buch lesen die Eulen zur Zeit?"-Thread gesehen hatte (Danke Feronia :wave), musste ich es mir gleich zulegen.
    Poes Roman kannte ich zwar bereits, wollte ihn allerdings zur Auffrischung nochmals lesen, um besser in Vernes Roman hineinzufinden. Deshalb fiel mir auch relativ schnell auf, daß in meiner Ausgabe ("Bibliothek der Abenteuer" von arena) einige Stellen etwas gekürzt wurden, wie z.B.


    Das wäre für ein Jugendbuch wohl auch etwas zu heftig gewesen (denn meines Wissens ist die "Bibliothek der Abenteuer" eine Jugendbuchreihe). Der Poe´sche düsteren Grundstimmung tut das jedoch keinen Abbruch.


    Viele Zeitgenossen von Poe glaubten ja auf Grund einiger Kunstkniffe des Autors und der literarischen Beschaffenheit des "Pym" es handle sich dabei um einen Tatsachenbericht. Gerade deshalb fand ich die Idee einer Fortsetzung ganz interessant und Verne hat die "Gutgläubigkeit" der Leser ja auch in seinen Roman miteingebaut. Bei wikipedia habe ich gelesen, daß sämtliche Einnahmen von Jules Verne an Poes Verlag gezahlt werden musste, da Poe gegen Verne prozessierte und Recht bekam. Worum es genau in diesem Prozeß ging, konnte ich nicht herausfinden, aber vielleicht hatte es etwas mit Urheberrechten zu tun, denn Poe trat mit großem Einsatz für ein internationales Urheberrecht ein.


    "Die Abenteuer des Tom Jeorling" (im Original "Die Eissphinx" oder auch "Verschollen im Eismeer") wurden laut des Übersetzers meiner Ausgabe weit stärker als Poes Roman gekürzt, was ich allerdings nicht bedauere. Ich kenne zwar nur diese Version, habe aber einige ungekürzte Fassungen seiner anderen Romane gelesen und weiß daher, daß er sich gerne in ausschweifende Beschreibungen verliert. Eine genauere Eulenrezi zu Vernes Roman gibt es übrigens hier
    Die Sprache Vernes klingt im Gegensatz zu Poes gestelzter und verwinkelter, was das Ganze etwas schwerer zu lesen macht. Auch die Ereignisse sind langatmiger erzählt, erst gegen Ende des Buches wird es richtig spannend. Man merkt schon, daß Poe, der die literarische Gattung der Kurzgeschichte mitprägte, gewohnt ist den Spannungsbogen kontiniurlich aufrecht zu erhalten.


    Eine Auflösung der Ereignisse des "Pym" im eigentlichen Sinne gibt es bei Verne nicht.

    Zitat

    Original von Hermann:
    was mich an vernes fortsetzung stört, ist die entmystifizierung, die er betreibt.


    Das hat mich auch etwas gestört. Alle geheimnisvollen Dinge in Poes Geschichte sind bei näherer Untersuchung durch Jeorling entweder verschwunden (wie z.B. die Tiere oder auch die Schluchten und Symbole auf Tsalal, die auf Grund eines Erdbebens nicht mehr aufzufinden sind), werden relativiert (wie z.B. die warme Meeresströmung Richtung Südpol, die gar nicht so warm sei wie Pym es angegeben habe) oder technisch erkärt.


    Mir hat es insgesamt aber eigentlich ganz gut gefallen.


    Edit: ISBN-Nr. berichtigt
    2. Edit: Zitat entfernt

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

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  • Zitat

    Original von grottenolm
    Ich habe die Lektüre von "Das Rätsel des Eismeeres" auch gerade beendet. Nachdem ich es im "Welches Buch lesen die Eulen zur Zeit?"-Thread gesehen hatte (Danke Feronia :wave), musste ich es mir gleich zulegen.


    Freut mich Dich inspiriert zu haben. :-]


    Zitat

    Original von grottenolm
    Viele Zeitgenossen von Poe glaubten ja auf Grund einiger Kunstkniffe des Autors und der literarischen Beschaffenheit des "Pym" es handle sich dabei um einen Tatsachenbericht. Gerade deshalb fand ich die Idee einer Fortsetzung ganz interessant und Verne hat die "Gutgläubigkeit" der Leser ja auch in seinen Roman miteingebaut.


    Das fand ich auch sehr interessant. Heute kann man sich überhaupt nicht mehr vorstellen so etwas zu glauben.
    Es erinnert mich aber stark an das Hörspiel "Krieg der Welten" von Herbert George Wells, welches im Radio übertragen wurde und eine Panik auslöste.
    :wow

  • Hier meine Meinung zu Poes "Pym":


    Wer diesen Roman ernst nimmt, hat schon verloren, denn er wird vom Autor getäuscht, von der ersten bis zur letzten Seite.


    Poe hat sich in der Romanform nicht wirklich wohl gefühlt, das verrät schon die interessante Entstehungsgeschichte des Buchs: Es ist geschrieben worden, um damit Geld zu verdienen. Die Kurzgeschichten, die er für gewöhnlich schrieb, brachten nicht genügend ein. Was geschieht nun, wenn ein Autor wie Poe den Versuch unternimmt, einen kommerziell erfolgreichen Roman zu schreiben?


    Der Ich-Erzähler schifft sich aus Abenteuerlust als blinder Passagier ein und muss sich tagelang unter Deck in drangvoller Enge und bei Dunkelheit verstecken. Man begegnet einem für Poe typischen Motiv, der Angst vor dem Lebendigbegrabensein. Es folgen eine Meuterei, schweres Gemetzel, Seenot und glückliche Rettung. Dann ein merkwürdiger Bruch in der Erzählung: Plötzlich liest man naturkundliche Beschreibungen, nautische Fachsimpeleien, Seefahrtshistorie. Eigentlich hat der Autor seine Geschichte zu Ende erzählt, aber er schreibt trotzdem weiter. Und weil ihm grade nichts mehr einfällt, kopiert er ganze Textstrecken aus anderen Büchern. Dabei kann er noch nicht einmal auf eine besonders große Referenzbibliothek zurückgreifen. Poe ist ein armer Mann, und die paar Bücher über Seefahrt, die ihm zur Verfügung stehen, müssen reichen. Sie werden bedenkenlos geplündert. Die Lustlosigkeit ist so offensichtlich, dass man davon ausgehen muss: Sie wollte bemerkt werden.


    Schließlich, im dritten Teil des Romans, nähert sich die Reise mehr und mehr dem Südpol an. Ein unbekanntes Volk taucht auf: schwarze Menschen mit schwarzen Zähnen, die in Erdlöchern hausen. Sie zeigen sich erst freundlich, erweisen sich dann aber als grausame Meuchler. Den Ich-Erzähler verschütten sie unter einer Gerölllawine. Die Art, wie er dort eingeschlossen ist, erinnert erneut an die Situation des Lebendigbegrabenseins. Es folgen merkwürdig ausführliche Landschaftsschilderungen, sogar mit Skizzen illustriert, die an Buchstaben einer unbekannten Sprache erinnern.


    Vögel, die einen geheimnisvollen Laut von sich geben, den auch die Eingeborenen in ihrer Sprache verwenden, merkwürdige Zeichen, die in die Landschaft geschrieben sind, all das ist Humbug, es ist ein Witz.


    Dann Befreiung, Weiterfahrt in Richtung Südpol, merkwürdige Lichterscheinungen am Himmel, Ascheregen und gegen Ende eine übergroße Gestalt, die sich aus dem Meer erhebt.


    Zunächst möchte man annehmen, hier würde eine besonders rätselhafte und verworrene Geschichte geschildert. Durch die Deutung der Hinweise und Indizien, müsste es möglich sein, hinter den Sinn zu kommen. Aber einen Sinn gibt es nicht. Der Roman ist ein schlechter Witz, der Witz eines Schriftstellers, der sich über seine unterhaltungsuchenden Leser lustig macht. Das, und nur das ist die Stärke des Buchs. Im Nachwort heißt es, die letzten drei Kapitel der Erzählung seien verloren gegangen. Es werden Gründe genannt. Aber die Vermutung, Poe hätte eine Fortsetzung geplant, ist falsch. Er hat vielmehr die Schraube so lange angedreht, bis nichts mehr geht. Seine Geschichte lässt sich überhaupt nicht sinnvoll zu Ende erzählen. Er hat sie absichtlich gegen die Wand gefahren.


    Wenn dieses Buch eine Botschaft hat, dann Provokation: "Ihr wollt einen spannenden Roman lesen? Hier habt ihr ihn!" Aber der Leser bekommt nicht das, was ihm versprochen wird. Er erhält eher eine verkappte Satire. Man könnte auch von absichtsvollem Scheitern reden, oder von einem literarischen Lausbubenstreich.


    Vermutlich gibt es viele Interpreten, die sich ausführlich mit der in den letzten Kapitel auftauchenden Symbolik beschäftigt und Deutungsversuche angestellt haben. Diese Leute, muss man leider sagen, haben sich von Edgar Allan Poe veralbern lassen.

  • Tag ihr Eulen
    Als Hommage an dieses Buch sei hier noch "Berge des Wahnsinns" von H.P Lovecraft empfohlen.


    lyrx : den Roman ausschließlich als Satire zu betrachten wird ihm nicht gerecht. Nach dem 1. Schiffbruch wird die "2." Reise zu einer Reise ins Innere der Persöhnlichkeit. Es werden auch viele weitere typische Motive Poe verwendet. Erwähnt sei hier noch der Ruf des Abgrunds; der Zwang und der Reiz einer Handlung die ins Verderben führt. Am deutlichsten und offensichtlichsten tritt dies bei dem Abstieg Pyms und Peters zutage (Flucht von der Insl), als Pym den Lockungen des abgrunds erliegt und nur knapp durch Peters gerettet werden kann. Finden kann man dieses motiv bspw. in "der schwarze Kater".


    Schuhuu